Auf den Straßen ertönt alle paar Minuten die Melodie von „We wish you a merry christmas“ und in meiner Trinkflasche ist schon seit einigen Tagen nichts anderes mehr als warmer Tee enthalten. Das muss die Weihnachtszeit sein.
Oder auch beliebiger Augusttag in Jiuquan, wo das Thermometer kuschelige 30°C anzeigt.
„Das Wetter heute ist sogar etwas kalt für hier“ wurde uns von den Juniors erklärt, als wir uns während der English-Corner mit ihnen unterhalten durften.
Nun haben also die 20 Tage Teachers-Training in der Wüstenstadt in Gansu begonnen.
Bereits übermorgen werden die Ersten ihre erste Unterrichtsstunde geben, und wir alle sind fleißig am Vorbereiten. Und am Essen.
Das Essen. Ich liebe ja chinesisches Essen. Aber vermutlich werde ich nach dem Jahr hier nie wieder in ein chinesisches Restaurant in Deutschland gehen können, ohne mich ununterbrochen darüber zu beschweren, dass diese den westlichen Geschmäckern angepassten Gerichte gar nicht an die Originale heran kämen.
Bei den Mittag- und Abendessen schallt immer wieder dieselbe Frage durch den Raum:
„Sally, what is that?“
Sally, unsere Betreuerin von Amity, bestellt bei solchen Mahlzeiten immer mehrere Gerichte, die dann nach und nach von den Kellner*innen zu Tisch gebracht werden.
Mal ist es eine riesige Schüssel Reis, oder ein Teller voll frittiertem Zeug, von dem niemand (außer Sally) weiß, was es vor der Fritteuse war. Meine persönlichen Favoriten hierbei waren Lotosblüte und Aubergine.
Mit Stäbchen können wir inzwischen alle zumindest so gut umgehen, dass niemand über Hunger klagt. Im Gegenteil, viel zu oft sind wir noch vom Mittagessen so satt, dass wir kurz aufseufzen, wenn es heißt, dass wir jetzt zum Abendessen gehen.
Wenn wir in Restaurants sitzen, fallen wir als Europäer*innen aber natürlich immer auf. Gestern, als wir Jíaozí (also Dumplings) gegessen haben, wurden wir mehrmals nach Fotos gefragt.
Letztens wurde während wir unterwegs waren sogar einfach ein Kleinkind neben mir abgestellt, ein Foto geschossen und das Kleinkind wieder eingesammelt. Es sind diese skurrilen Situationen, die einem zeigen, wie selten sich Touristen nach Jiuquan verlaufen, und wie fasziniert diese Nation von europäisch aussehenden Personen zu sein scheint.
Auch als wir uns mit den Juniors unterhalten hatten, baten diese uns nach der Stunde ganz höflich darum, Fotos mit uns machen zu dürfen.
Kaum zu glauben, dass wir erst vor einer Woche her geflogen sind. Die Tage waren bisher so lang und ereignisreich, dass es sich anfühlt, als wären wir schon seit einem Monat hier.
Und um die Anekdoten vom Anfang noch einmal aufzubringen:
Warmer Tee ist bei diesem Klima der ultimative Geheimtipp, auch wenn das vermutlich nicht für jede*n etwas ist. Außerdem ist es praktischer, das Wasser hier mit dem Wasserkocher abzukochen und dann zu trinken, statt sich immer wieder Wasserflaschen zu kaufen.
Und das irrtümliche Weihnachtsfeeling wird durch LKWs erzeugt, die mit großen Wassertanks beladen durch die Stadt fahren und Wasser auf die Straße spritzen, damit der Asphalt nicht durch die Trockenheit und die Hitze zu spröde wird.
Natürlich müssen die sich ja durch irgendetwas bemerkbar machen. Und so spielt dieser LKW eben das Weihnachtslied, welches uns alle jetzt schon langsam aber sicher wahnsinnig macht.
Ein anderer LKW hier spielt jedoch eine Accustic-Version von Jennifer Lopez‘ „On the Floor“.
Ob JeyLo denn davon überhaupt weiß?