Wo ist das schöne Wasser hin?

Alles ist unter Wasser. Menschen leiden. Verlieren alles. Eine Katastrophe. Was ist aus den plätschernden Wellen und einladenden Stränden geworden, die man von Brasiliens Urlaubsorten am Meer eigentlich kennt?

Im letzten Beitrag habe ich noch von den schönen Stränden hier in Brasilien erzählt. Das Wasser war eigentlich so blau und jetzt sieht man nur braun. Es ist eine braune Grütze. Man weiß nicht, was alles drin schwimmt und es fängt an zu stinken.

Letzte Woche sind wir aus dem Urlaub wiedergekommen. Wir hatten schon in der WhatsApp-Gruppe unseres Projektes gelesen, dass es sehr stark geregnet hatte und dass das Flusswasser immer höher gestiegen ist. Joni und ich waren sehr froh, dass wir noch auf dem Flughafen landen konnten, wobei man auch schon aus dem Flugzeug sehr viele Felder überschwemmt sehen konnte. Ich habe auch noch nie erlebt, dass ein Flugzeug auf dem Flughafen stehen bleiben musste, da gerade die Gefahr bestand, dass ein Blitz einschlagen hätte können. Beim Landen gab es so starke Turbulenzen, dass mir mein Herz kurz in die Hose gerutscht ist. Es hat so stark geruckelt, wie auf einer Achterbahn, nur dass das Flugzeug etwas höher war als eine Achterbahn. Ich habe einfach nur gebetet, dass wir heil auf dem Boden ankommen. Wie gut, dass es auch so kam, da ich sonst nicht diesen Bericht hätte schreiben können. 

Nachdem wir dann gelandet waren, haben wir uns auf dem Weg gemacht, zu unserer Mitfreiwilligen „Sarah“, die in Porto Alegre wohnt, da wir eine Nacht noch bei ihr schlafen wollten. Schon auf dem Weg zu ihr gab es eine Unterführung, in die Wasser lief und man gerade noch so durchfahren konnte. Währenddessen hat es immer weiter geregnet. Die ganze Nacht hat man den Regen hören können, der einfach nicht aufhören wollte. Am Morgen haben wir die erschreckenden Bilder aus unserem Dorf gesehen. Mehrere Brücken waren eingestürzt, es hatte keinen Strom und kein Wasser mehr. Wobei man denken könnte, dass Wasser gerade genügend vorhanden sein sollte, aber eben kein Trinkwasser. Zum Glück haben einige Häuser einen Wasserspeicher auf dem Dach, der zum Gebrauch kommt, wenn es kein Wasser aus den normalen Leitungen mehr gibt. Doch auch der wird irgendwann leer.

Uns war direkt an dem Tag nach der Landung bewusst, dass wir so schnell nicht nach Hause kommen würden. Wir waren im Kontakt mit unserem Chef, der uns bestätigte, dass wir vorerst für zwei weitere Tage in Porto Alegre bleiben sollten. Zu unserem Glück hatte auch Sarah kein Problem damit,  uns für’s Erste bei sich aufzunehmen. In Porto Alegre waren  bisher nur kleine Teile überschwemmt. In umliegenden Städten sah es leider anders aus. Sie waren bereits schon am Verschwinden in den ganzen Wassermassen. Straßen brachen auf oder auch ab. Es gab Erdrutsche. Menschen kamen schon ums Leben oder verschwanden. Man muss dazu erwähnen, dass Rio Grande do Sul sehr viele Flüsse hat, wodurch die Situation nur befördert wurde.

Auf der Karte kann man einen Großteil der Flüsse sehen die durch Rio Grande do Sul führen. Es gibt aber noch ganz viele kleinere Flüsse, die man auf der Karte nicht sieht.
Zudem ist Porto Alegre markiert und man kann sehen, dass die Flüsse Guaíba, Gravati dos Sinos, Caí und der Fluss Taquari in der Nähe von Porto Alegre in die Lagoa dos Patos münden.

Die ersten zwei, drei Tage haben wir uns gedacht, dass wir in Porto Alegre am sichersten seien. Die Lage begann sich jedoch zu ändern. Das Wasser stieg immer weiter. Wir konnten es aus der Wohnung heraus beobachten, dass das Wasser Stück für Stück näher kam. Zum Glück liegt die Wohnung von Sarah im 6. Stock und das Haus steht am Hang eines Berges. Doch es besserte und besserte sich nicht, obwohl es nicht mehr regnete. Das liegt daran, dass 4 Flüsse in den größeren Fluss von Porto Alegre münden. Das bedeutet, dass das Wasser, das in anderen Flüssen, in anderen Gegenden heruntergekommen war, nun in Porto Alegre ankam. Das ganze Zentrum stand unter Wasser. Die alte Markthalle ist halb verschwunden. Menschen waren in ihren Häusern gefangen und mussten mit Booten gerettet werden oder man sah Menschen ihre letzten Sachen holen, wenn es noch möglich war und das Wasser noch nicht ganz so hoch stand. Man will jedoch nicht wissen, was für Bakterien und Krankheitserreger in diesem Wasser waren, da auch Wasser aus der Kanalisation hochkam. Dementsprechend fing es auch an, in der Stadt zu stinken. 

Am Freitagabend fiel dann der Strom aus. Also mussten wir nun Kerzen benutzen, um etwas sehen zu können. Leider half es auch nicht, dass die Sonne mittlerweile relativ früh untergeht und man somit, nicht einfach schon schlafen gehen konnte. Wir haben die Zeit mit Kartenspielen verbracht, wobei sich bestimmt meine Augen um einiges verschlechtert haben, da Kerzen nun mal nicht das allerhellste sind und wir auch Kerzen sparen mussten. 

Am nächsten Tag war ich mit Sarah einkaufen und es standen dort Menschen Schlange, um ihr Handy aufzuladen. Man hätte sicherlich eine Stunde warten müssen, um an der Reihe zu sein. Aber auch der Supermarkt selber war sehr voll, weil Menschen auf Vorrat kauften und viele andere Supermärkte schon aufgrund der Überflutung schließen mussten, wodurch mehr Leute zum selben gehen mussten. Wasser zu kaufen, konnte man schon fast vergessen. Die ganzen Wasserkanister waren schon ausverkauft. Man konnte hauptsächlich nur noch ein bisschen Sprudelwasser kaufen, mehr aber auch nicht. 

Wir hatten am selben Tag auch einen Spaziergang gemacht, bei dem wir das Ausmaß nochmal viel mehr vor die Augen geführt bekommen haben, da eine der wichtigen Hauptstraßen komplett unter Wasser war. Man konnte auch den Busbahnhof von Porto Alegre sehen, der zur Hälfte auch schon untergetaucht war. Das hat uns verdeutlicht, dass wir wirklich nicht so schnell nach Hause kommen würden. Wir hörten Menschen, die über die Wassermassen aus den Fenstern sich zuriefen oder einige, die auch um Hilfe gerufen haben. 

Am Sonntag hatte sich die Lage nicht verbessert. Das Wasser stieg immer noch. Mittlerweile hatte sich die Situation in Padilha verbessert. Sie hatten wieder Strom und Wasser. Brücken wurden wieder aufgebaut und das Wasser war dort bereits gesunken. Somit wurde Padilha ganz schnell zum sichereren Ort als Porto Alegre. Montags sind wir mit Sarah in ihre Einsatzstelle gegangen, da es dort Strom gab und ich etwas zu tun brauchte. Wir sind mit zwei Kolleginnen von ihr in die Straßen gegangen, in den die Kinder wohne, die normalerweise ins Projekt kommen und haben  die Familien gefragt, ob sie irgendetwas bräuchten oder Hilfe benötigten. Die eine Straße, die wir währenddessen entlang gegangen waren, war 2 Stunden später auch unter Wasser. Nachdem Rundgang kam endlich die erhoffte Nachricht, dass wir nach Hause könnten. 

Die Chefin von Sarah stand im Kontakt mit unserem Chef. Sie hatten ausgemacht, dass er uns abholen würde, jedoch die Chefin uns ihm etwas entgegen fahren sollte, damit er nicht den ganzen Weg fahren müsse. Wieso, erkläre ich gleich. Also hieß es, schnell in Sarahs Wohnung zu fahren, schnell Sachen packen, alle Sachen aus dem bereits nicht mehr funktionierenden Kühlschrank mitnehmen und schnell wieder zur Arbeitsstelle fahren. In der Arbeitsstelle hieß es dann, Abschied nehmen von Sarah, da sie auch vorerst woanders untergebracht werden sollte. Wir sind darauf mit einem Uber zu der Chefin nach Hause gefahren, so um 15:30 Uhr und haben dort das Auto gewechselt, da ihr Mann und sie uns gefahren haben. Ich habe die Uhrzeit erwähnt, da einem bewusst sein muss, dass zur Zeit nur eine Straße rein und raus aus Porto Alegre führt. Die Straße mussten wir leider auch nehmen. Natürlich waren wir nicht die einzigen, die die Idee hatten, aus Porto Alegre rauszufahren. Wie man sich also vielleicht denken kann, war die Straße dementsprechend voll. Der Treffpunkt mit unserem Chef war ein großer Supermarkt, der an der Straße liegt, die letztendlich nach Taquara (nächste Stadt zu Padilha) führt. Der Supermarkt war ungefähr nur 18 km entfernt. Man kann sich vorstellen, wie lange man normalerweise für so eine Strecke brauchen sollte. An diesem Tag war es ein einziger Stau und  fast alle zwei Minuten sind irgendwie Krankenwagen oder die Polizei mit Fahrzeugen an uns vorbeigefahren. Ich habe noch nie so viele Einsatzkräfte gesehen wie hier. Wir sind letztendlich um 20:00 Uhr bei dem Treffpunkt angekommen. Also nach ????. Leider erging es unserem Chef noch schlimmer, der für einen Weg, der sonst 1 Stunde lang ist, 7 Stunden gebraucht hat. Zum Glück war der Treffpunkt ein Supermarkt, wodurch wir uns etwas Kleines zum Essen kaufen konnten. Unser Chef schaffte es leider erst, 2 Stunden später anzukommen. Schlussendlich waren wir auf 23:15 Uhr im Haus unseres Chefs, da er meinte, es sei besser, wenn wir am nächsten Tag nach Padilha fahren würden. Es war die richtige Entscheidung, weil wir alle sehr müde waren und ein Bett brauchten. 

Jetzt sitze ich hier bei uns endlich zu Hause in Padilha und bin sehr, sehr froh und erleichtert, dass wir hier sind. 

der Flughafen in Porto Alegre

Zum Schluss würde ich gerne sagen, dass es in Brasilien noch nie solch eine Überflutung gab, wie gerade. Es wird gesagt, dass die Normalität in Porto Alegre erst in 10 Tagen langsam eintreffen könnte. Der Flughafen soll bis zum Ende des Monats gesperrt bleiben. Ich bin echt dankbar, dass wir noch aus dem Urlaub zurückkehren konnten. Leider wird sich die Lage in Rio Grande do Sul nicht so schnell verbessern, da das Wasser jetzt in den Städten steigt, die am Flussende liegen und bei denen nun das ganze Wasser eintrifft. Außerdem hat Wasser so viel Schaden angerichtet, dass es lange brauchen wird, bis man hier wieder zur Normalität zurückkehren wird. Es ist so traurig, dass Menschen, die häufig sowieso nicht so viel haben, jetzt alles verloren haben und sich ein Wiederaufbau schwer leisten können. Ich bin gespannt, wie Brasilien damit umgehen  und wie versucht wird, alles wieder aufzubauen. Jetzt schon helfen unglaublich viele Menschen, spenden Klamotten, Lebensmittel, Wasser etc.. Ich bete, dass es schnell besser wird und nicht noch mehr Menschen sterben! 

Ein Paar Vorher-Nachher-Bilder:

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