Wo arbeite ich eigentlich?

Ich glaube es wird Zeit noch meine Einsatzstelle einmal näher vorzustellen, jetzt wo ich schon ein halbes Jahr hier bin und einen Alltag gefunden habe.

Ich arbeite hier in Ciudad del Este im Viertel Santa Ana, das direkt an mein Wohnviertel angrenzt. Ich wohne nämlich offiziell im „Barrio 23 de octubre“, wohne aber eigentlich direkt an der Grenze zum Viertel „Santa Ana“. 
Aber zurück zum Projekt, in dem ich meinen Freiwilligendienst leiste: meine Einsatzstelle nennt sich „Callescuela“, was übersetzt so etwas wie „Straßenschule“ heißt. Die Callescuela ist insgesamt ein ziemliches großes Projekt, das nicht nur hier in der Umgebung von Ciudad del Este mehrere Standorte hat, sondern auch in Asunción (Hauptstadt Paraguays). Hier in Alto Paraná (der Region, in der Ciudad del Este liegt) hat die Callescuela insgesamt 3 Standorte. Diese liegen in Ciudad del Este selbst, Presidente Franco und Minga Guazú. Insgesamt sind aber alle Standorte sehr miteinander verbunden und im ständigen Austausch, teils arbeiten auch die gleichen Mitarbeiter in den einzelnen Standorten und wechseln sich ab. 

Die Callescuela ist ein Projekt, das sich für die Rechte Kinder und Jugendliche einsetzt. Dabei geht es vor allem um Kinder und Jugendliche, die auf der Straße arbeiten und/oder aus finanziell schwächeren Familien stammen. Es gibt deswegen verschiedenste Angebote, die für die verschiedenen Altersgruppen sind. Es gibt somit einerseits einen Kindergartenzweig, der sich „CEPI“ (Centro primera infancia) nennt, Nachhilfeangebote (refuerzo escolar) und politische Gruppen. 

Ich darf als Freiwillige all diese 3 Bereiche begleiten und kennenlernen und das sogar an allen 3 Standorten. Bisher habe ich immer in Presidente Franco gearbeitet und einmal die Woche in Santa Ana. Für das zweite Halbjahr werde ich aber mit meiner Mitfreiwilligen Freia die Einsatzorte tauschen, was bedeutet, dass ich hauptsächlich in Santa Ana sein werde und einmal die Woche in Minga Guazú. So habe ich die Möglichkeit alle Standorte und Kinder kennenzulernen und darauf freue ich mich jetzt schon sehr.

CEPI- Der Kindergarten

Im CEPI kommen Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren, welche immer in 2 Gruppen kommen. Vormittags kommen die 2-3 jährigen und nachmittags dann die 4-5 Jahre alten Kinder. Beide Altersgruppen haben den gleichen Ablauf, was die Aktionen angeht, die wir mit ihnen machen. Nach dem Ankommen wird zunächst einmal gespielt. Die ersten eineinhalb Stunden haben die Kinder also erstmal Zeit zu spielen, sich gegenseitig ihre Spielzeuge zu zeigen und sich gemeinsam Geschichten auszudenken. Danach stellen wir uns dann alle gemeinsam auf und singen Lieder und tanzen dazu. Das macht immer besonders Spaß. Das hilft den meisten sehr sich auszupowern und danach anzufangen kreativ zu werden.
Nach dem Singen und Tanzen geht es dann nämlich ans Basteln. Dabei gibt es immer ein bestimmtes Thema, das behandelt wird, wie z.B. Farben, Tiere, Verkehrsmittel etc. Dafür zeigen wir den Kindern dann, wie wir einen bestimmten Gegenstand basteln oder ein Bild malen wollen und helfen den Kindern bei der Umsetzung. Zum Abschluss gibt es dann die „merienda“, einen kleinen Snack wie z.B. einen Joghurt, Kekse oder Bananen. Bis die Kinder dann abgeholt werden, wird wieder gespielt und schon ist der Tag vorbei.

Am Nachmittag geht es dann von vorne los nur eben mit den älteren Kindern und mit anderen Bastelaktionen.
Zudem werden Ausflüge organisiert bei denen wir mit den Kindern auf Spielplätze fahren und dort gemeinsam spielen. Auf diese Ausflüge freuen sich die Kinder immer besonders.

Refuerzo Escolar- Nachhilfe

Bei der Nachhilfe kommen Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren, die Hilfe und Unterstützung bei Hausaufgaben brauchen. Auch dabei sind die Kinder in Vormittags- und Nachmittagsgruppen eingeteilt, um nach Klassenstufen trennen zu können, wobei auch hier der Ablauf in beiden Gruppen ähnlich ist. Wenn die Kinder und Jugendlichen ankommen, werden allgemeine Themen wiederholt und geübt und anschließend individuell auf die Schwierigkeiten der Kinder eingegangen. Je nach dem ob Hausaufgaben anstehen, bei denen Hilfe benötigt wird, gehen wir anschließend auch diese durch. Zwischendurch machen wir dann eine kleine Pause, in der die Merienda (kleiner Snack) verteilt wird. Danach geht es dann zurück an die Aufgaben. 

Insgesamt behandeln wir vor allem die Fächer Mathe, Spanisch und Guaraní, weil das die Grundfächer sind, die alle Kindern am meisten brauchen und üben. Dabei üben wir besonders mit den Jüngeren die Grundlagen, wie Silben, das Alphabet und Groß- und Kleinbuchstaben und die Zahlenräume etc.
Gleichzeitig wiederholen wir aber auch viel Diktate und das Verstehen von Texten oder Addition, Multiplikation und Rechnen mit größeren Zahlen. Es geht vor allem darum, Grundlagen zu vertiefen und zu wiederholen, weil dafür in der Schule oft nicht genug Zeit ist.
Bevor dann alle nach Hause gehen, wird meistens noch kurz draußen gespielt oder gemalt.

Die politischen Gruppen

Die politischen Gruppen sind ein weiterer sehr wichtiger Zweig der Callescuela. Die Kinder und Jugendlichen, die an diesen Gruppen teilnehmen, sind Teil der CONNAT‘s (Coordinación nacional de niños, niñas y adolescentes trabajadores). Die CONNAT‘S ist eine Organisation von arbeitenden Kindern und Jugendlichen aus Paraguay, die sich für die Rechte dieser einsetzt. Die Callescuela arbeitet also mit der CONNAT‘S zusammen, wobei die CONNAT‘S auch unabhängig von der Callescuela aktiv ist.

In diesen politischen Gruppen wird dann über das politische System im Land gesprochen und analysiert, was es für Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten besonders im Bezug auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen gibt. Es geht also beispielsweise um Themen wie Partizipation, Grundrechte, Sicherheit oder soziale Gerechtigkeit. Teil dieser Gruppen zu sein und ihre Aktivitäten mitzuerleben macht total Spaß und ist super interessant.

25.11. internationaler Gedenktag gegen Gewalt an Frauen

Um ein paar Beispiele von Aktivitäten zu nennen: Am 25.11. (internationaler Tag gegen Gewalt jeglicher Art an Frauen) haben wir Infoplakate in der Stadt aufgehängt, um auf den Tag aufmerksam zu machen und mit einem Megafon und Trommeln Aufforderungen gegen die Gewalt an Frauen gerufen. 

Im Dezember und im Februar gab es den „Terere-Jere“, ein Treffen aller Vertreter*innen der verschiedenen politischen Gruppen aus verschiedensten Standorten in Alto Paraná, bei dem sich über Inhalte ausgetauscht wird und weitere Aktivitäten geplant werden. Dabei gibt es außerdem immer auch Workshops zu neuen Themen. Bei dem Treffen im Februar standen die unterschiedlichen Lebensrealitäten in Paraguay im Vordergrund. Es kamen Gäste, die von ihrer eigenen Realität erzählt haben und den Kindern Fragen beantwortet haben. Anhand der Berichte und eigenen Erfahrungen haben die Kinder und Jugendlichen dann Probleme in den Bereichen von Bildung, Gesundheit und Arbeit herausgearbeitet.

Außerdem werden zu vielen anderen Gedenktagen Aktionen vorbereitet, wie am 08.03. (internationaler Frauentag). In Vorbereitung auf diesen Tag haben die Kinder in Gruppen darüber geredet, was Frauen und Mädchen leid sind und was wir tun können, um diese Dinge zu ändern. 

Die politische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist also ziemlich vielseitig und besonders spannend. Ich bewundere jedes Mal aufs Neue, wie aktiv alle mitarbeiten und ihre Energie in all diese Projekte stecken und nie aufhören für ihre Rechte zu kämpfen. 

Die Callescuela soll insgesamt einen sicheren und liebevollen Ort für Kinder und Jugendliche darstellen und Unterstützung für die Kinder und Familien bieten. Die Angebote der Callescuela sind daher komplett kostenfrei und sie wird nur durch Fördergelder und Kooperationen finanziert.

Ich bin extrem glücklich, bei der Callescuela zu arbeiten und ihre Arbeit kennenzulernen und Teil davon sein zu können. Jeder Tag ist anders und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen macht total Spaß. Jetzt nach den Sommerferien laufen die Anmeldungen für das nächste Jahr auf Hochtouren und in 2 Wochen startet dann wieder das volle Angebot in den Standorten. Bis dahin steht noch ein wenig Instandhaltung und Büroarbeit an. Ich freue mich auf jeden Fall total auf das zweite Halbjahr und einen anderen Standort nochmal genauer kennenlernen zu können.

Bis bald!

P.S.: die Callescuela und die CONNAT’S haben auch ein Profil bei Instagram, auf dem über die Aktivitäten informiert wird. Falls jemand Interesse hat auf dem Laufenden zu bleiben 😉 @callescuela @connats_py

Danke dieses Mal an Felix, dass ich meinen Beitrag über seinen Account hochladen konnte 🙂

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