Fünf Religionen sind in China offiziell zugelassen: Buddhismus, Daoismus, Islam, Katholisches Christentum, Protestantisches Christentum. Volksreligiosität wird als Merkmal kultureller Identität wieder gefördert. Im Februar 2018 trat ein neues Religionsgesetz in Kraft, das erstmals detaillierte Richtlinien für viele Belange definiert – Rechtssicherheit und Dezentralisierung von Zuständigkeiten einerseits – Verbote von nicht registrierten religiösen Aktivitäten und ausländischer Einflussnahme andererseits.
Christentum in China und Hongkong
Die offizielle Zahl ev. Christen wird mit 38 Mio. angegeben; vermutet wird eine mindestens gleich hohe Zahl an ev. Christen in nicht registrierten Gemeinden und Versammlungspunkten. Die Mitgliederzahlen nahmen seit 1981 konstant zu, stagnieren seit der Einführung des neuen Religionsgesetzes bzw. sind mancherorts rückläufig.
In Hong Kong findet sich eine Vielzahl von Bekenntnissen. Unter den protestantischen Kirchen hatte die anglikanische Kirche durch die Situation Hong Kongs als Kronkolonie eine Vorrangstellung, die sie allmählich verliert. 2016 wurden 480.000 Protestanten und 380.000 Katholiken gezählt, unter letzteren ein hoher Anteil Philippinas. Theologische Ausbildungsinstitute für Chinesen entstehen überall auf der Welt, in Europa u.a. in Barcelona, Paris und London, oft finanziert von christlichen Institutionen in Singapur oder Netzwerken von Auslandschinesen in Nordamerika.
Die Beziehungen zwischen Nordkirche und autonomer Provinz Guangxi im Südwesten Chinas gehen auf eine frühe Missionsgeschichte zurück. Die später in die Breklumer Missionsgesellschaft integrierte Kieler Mission entsandte seit 1900 eine kleine Schar Missionare, Hebammen und Missionshelferinnen in die Umgebung der heutigen Stadt Beihai an die chinesische Küste nahe der vietnamesischen Grenze, darunter Felix Paulsen, Minna Nielsen und Meta Wendt. Letztere tat insgesamt 50 Jahre lang Dienst in China. Mit der Ausweisung aller ausländischen Kirchenleute 1950 begann eine 30 jährige Zäsur. Erst Anfang der 1980ger Jahre wurde über ein ausgewandertes Pflegekind des Ehepaars Paulsen und Besuche in die ehemaligen Missionsgebiete der Kontakt nach Guangxi erneuert.
Dieses Pflegekind entwickelte sich zum charismatischen Pastor Sin-Sang Leung. Als Erwachsener folgte er einer Einladung seiner Pflegeeltern nach Deutschland und studierte 1955-57 in Hamburg Theologie. 1962 gründete er mit finanzieller Unterstützung aus Nordelbien die Philip Haus Kirche in Hong Kong als Zufluchtsstätte für Flüchtlinge aus seiner Heimatprovinz. Nach dem Tod Pastor Leungs 2005 fand sich kein Nachfolger für ihn, die zeitweise prosperierende Arbeit mit Kindertagesstätten musste eingestellt werden – heute wird die Gemeinde von einer kleinen Gruppe Ehrenamtlicher weitergeführt.
Die Philip Haus Kirche vermittelte den Kontakt zum Lutheran Theological Seminary (LTS) in Hong Kong. Das LTS das seinen Ursprung in der norwegischen Missionsarbeit in der Provinz Hunan hat und verlegte 1949 seine Tätigkeit in die britische Kronkolonie. Das LTS bietet ein einzigartiges Forum für ökumenischen Austausch in Asien, mit internationaler Dozentenschaft und Studierenden aus verschiedenen Ländern und Kirchen, insbesondere auch aus dem Mekong und aus der Volksrepublik.
Schon Ende der 70er Jahre gründeten Dr. Theo Ahrens und Dr. Justus Freytag einen Arbeitskreis Ostasien und nahmen persönliche Kontakte nach China auf. Seit Gründung des nationalen Chinesischen Christenrates (CCC) im Jahr 1980 ist das ZMÖ eines der ersten deutschen Werke, die offizielle Beziehungen zu dem Rat unterhalten und seither durch regelmäßige Besuche beider Seiten pflegen. Ebenso ist das Ökumenewerk der Nordkirche einer der ersten Förderer der 1985 vom Präsidenten des CCC ins Leben gerufenen Diakoniestiftung Amity Foundation und Gründungsmitglied des European Network of Amity Partners 1987.
Der CCC wurde nach der Kulturrevolution 1980 in Ergänzung der 1954 als Organisation etablierten Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung (TSPM) ins Leben gerufen. TSPM ist ein Verband, der nach Ausrufung der Volksrepublik 1949 alle protestantischen Christen unter der Prämisse einte, sich von ausländischen Missionsgesellschaften zu lösen, eine Zersplitterung in denominationell differenzierte Gruppen zurückzulassen und stattdessen alle finanziellen, organisatorischen und theologischen Belange selbständig zu regeln. Der CCC ist seit 1991 Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Bis zur Einführung des neuen Religionsgesetzes im Februar 2018 mussten alle regionalen Partnerschaftsbeziehungen mit ausländischen Kirchen, inklusive theologischer Studienaufenthalte, von der nationalen Zentrale in Shanghai genehmigt werden. Inzwischen sind bilaterale Absprachen mit kirchlichen Vertretungen auf Provinzebene erlaubt. 2018 gab der CCC 38 Millionen offiziell registrierte Mitglieder an. Die freundschaftlichen Beziehungen zu nationalen und lokalen Christenräten sind weder konfessionell geprägt noch können sie nach chinesischem Selbstverständnis mit vertraglichen Vereinbarungen festgelegt werden.
Das Ökumenewerk der Nordkirche pflegt den partnerschaftlichen Austausch mit dem Guangxi Christenrat, dessen Sitz in der Provinzhauptstadt Nanning ist. Es unterstützt die theologische Ausbildung von GemeindeleiterInnen an der Bibelschule, sowie die Bemühungen der Bibelschule um Aufbau der Bibliothek und Verbesserung des akademischen Standards.
Guangxi ist eine strukturschwache, arme Region, der wegen seiner vielen nationalen Minderheiten Autonomiestatus gegeben ist. Der Anteil an evangelischen Christen ist mit 0,3 % sehr gering; die Gesamtzahl beträgt 150.000 offiziell registrierte Mitglieder. In den letzten Jahren stieg das chinesische Interesse an der lokalen Missionsgeschichte als Teil der eigenen Kultur, noch erhaltene Gebäude stehen unter Denkmalschutz.
Amity Foundation wurde 1985 als Diakoniestiftung vom damaligen Präsidenten des Chinesischen Christenrates Bischof K.H. Ting gegründet. Die Zusammenarbeit mit Amity war durch Personalunion des Präsidenten (Ting, später Han Wenzao) bis zum Jahr 2002 identisch mit der Beziehungspflege zum Chinesischen Christenrat. Da den Kirchen in China in den 1980er und 1990er Jahren jegliche diakonische Arbeit untersagt war, bot die Stiftung eine einzigartige Möglichkeit. Erst 2008 richtete der Christenrat eine eigene nationale Diakonieabteilung ein, deren Befugnisse durch die neue Religionspolitik wieder erheblich eingeschränkt sind. Über Amity bietet das Ökumenewerk der Nordkirche vier Plätze für Weltwärts-Freiwillige an, die als Hilfslehrer für deutsche oder englische Sprache an Mittelschulen 11 Monate lang in der strukturschwachen Provinz Gansu tätig sind. Seit 2018 gibt es zwei Einsatzplätze für Süd-Nord Freiwillige aus China in der Nordkirche, einer davon im Rauhen Haus. Auswahl und Vermittlung erfolgt über Amity.
Das LTS ist eine multilinguale ökumenische theologische Bildungseinrichtung mit besonderer Ausstrahlung in die Volksrepublik und in die Mekong-Region. Für Personen der führenden Kirchenebene in Festlandchina und Dozenten der theologischen Seminare bietet es eine oft genutzte Möglichkeit der akademischen Weiterbildung. Es ist ein Ort, an dem Christentum und Theologie vielfältiger abgebildet als in Festlandchina und an dem ein freierer Diskurs möglich ist.
Die in Hong Kong angesiedelten Projekte unterstützen Arbeitsmigrantinnen aus den Philippinen und Indonesien, die als Haushaltsangestellte tätig sind, in Form von Information, Aufklärung, Weiterbildung und Rechtsbeistand in ihrem Arbeitsalltag. Willkür, Ausbeutung und menschenunwürdige Behandlung der privat Angestellten sollen im Rahmen der juristischen Möglichkeiten eingedämmt werden. Zwei Wohnungen sind als Shelter für Frauen angemietet, die plötzlich ihre Arbeit verloren haben (innerhalb von 14 Tagen müssen sie Hong Kong verlassen, wenn sie keine neue Anstellung finden) und/oder im Rechtsstreit mit ihren Arbeitsgebern stehen. Die Frauen erhalten dort seelsorgerliche Betreuung. Seit 2014 fördert das Ökumenewerk der Nordkirche auf Antrag verschiedene Einzelprojekte der beiden eng kooperierenden Organisationen.
Seit 1996 unterstützt das ZMÖ maßgeblich die Arbeit der CIS – einer Studien-, Informations- und kirchlichen Beratungsstelle auf Projektbasis mit Schwerpunkt auf Förderung der Beziehungen zwischen chinesischem Christenrat und chinesischen Christen weltweit mit ev. kirchlichen Stellen und Werken in Deutschland.