Russland beziehungsweise die Russische Föderation gehört sowohl zu Europa als auch zu Asien. Es ist das größte Land der Erde. Neben dem Kernland besitzt Russland eine Exklave, den Oblast (Verwaltungsbezirk) Kaliningrad, den nördlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens. Die Russische Föderation ist seit Dezember 1991 ein unabhängiger Staat. Sie ist Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion in internationalen Organisationen.
Zur Religionszugehörigkeit gibt es keine exakten Zahlen, da die Mitglieder von Gemeinden nicht registriert werden. Nach Angaben eines russischen Sozialforschungsinstituts bezeichneten sich 2012 zwar etwa 41 % der 143 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner im Land als russisch-orthodox, dagegen nur 25 % als gläubig. Der Anteil aktiver Kirchengänger liegt bei maximal 10 % der Bevölkerung. Bei vielen gilt die Aussage, russisch-orthodox zu sein, allerdings nicht als Bekenntnis zur Religiosität, sondern zur russischen Kultur, ohne wirklich gelebte Alltags-Religiosität.
Der Großteil der Bevölkerung ist russisch, außerdem tatarisch, ukrainisch, armenisch, tschuwaschisch, baschkirisch und ein kleiner Teil der Bevölkerung ist deutsch. Insgesamt gibt es fast 100 verschiedene Völker im Land.
Die Propstei liegt im früheren Königsberger Gebiet, das heute zu Russland gehört. Die wichtigsten Städte des Gebietes sind: die Großstadt Kaliningrad und die städtischen Zentren Sowjetsk (Tilsit), Tschernjachowsk (Insterburg), Gussew (Gumbinnen), Baltisk (Pillau), Swetly (Zimmerbude), Neman (Ragnit); Gwardejsk (Tapiau), Pollesk (Labiau), Gurjewsk (Neuhausen, Selenogradsk (Cranz), Swetlogorsk (Rauschen).
Die Propstei verfügt über 4 Kirchen: Die neugebaute, 1999 eingeweihte „Auferstehungskirche“ in Kaliningrad (Königsberg), die „Salzburger Kirche“ in Gussew, die Ordenskirche in Mühlhausen und die Ordenskirche in Turgenjewo (Groß Legitten), zudem verfügt die Propstei über eine ev. Kapelle im Dom. Dazu kommen einige Gemeindehäuser, in denen Gottesdienste und andere Veranstaltungen stattfinden. Eine Kirchenmitgliedschaft ist erst ab 18 Jahren möglich und verpflichtet zu einem finanziellen Beitrag.
In den ersten Jahren waren die Mitglieder überwiegend deutschstämmige Lutheraner, die sich Anfang der neunziger Jahre aus Mittelasien auf den Weg in das Gebiet Kaliningrad gemacht hatten. Nach dem Zerfall der der UdSSR (1991) stellten viele Russlanddeutsche einen Antrag zur Ausreise nach Deutschland. Nach und nach wurden die Gemeinden durch Wegzug kleiner. Während in den ersten Jahren fast ausschließlich Russlanddeutsche Mitglieder im Gemeinderat waren, wurde nach einigen Jahren eine stärkere russische Beteiligung möglich. Die gesamte Evangelisch-Lutherische Kirche machte in dieser Zeit einen Wandel durch von einer „Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche“ hin zu einer „Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland“. Auch die Gottesdienstsprache ging von der deutschen auf die russische Sprache über. Möglich wurde dies durch die stärkere Berücksichtigung einheimischer Pastorinnen und Pastoren, die im Theologischen Seminar in Nowosaratowka bei St. Petersburg ausgebildet wurden, das sich seit Kurzem in den Räumlichkeiten der St. Petrikirche in Petersburg befindet.
Heute sind alle Gemeinden in ihrer Zusammensetzung in der Mehrzahl russisch. Viele haben sich ausdrücklich für die evangelisch-lutherische Kirche entschieden. Sie haben über die Gottesdienste oder den Konfirmandenunterricht Zugang gefunden. Diese Entwicklung kam auch vielen Russlanddeutschen entgegen, weil in der Zeit der UdSSR nur russisch gesprochen werden sollte. Dadurch haben viele der Jüngeren die deutsche Sprache nicht gelernt. Die Propstei wird mit dem amtierenden Propsten von einem Propsteirat geleitet. Seit dem 18. September 2021 ist Sergei Holtzwert Propst der Kaliningrader Propstei.
Zur Propstei St. Petersburg (Nordwestpropstei), die weit über das Stadtgebiet hinaus reicht, gehören die deutschsprachige St. Petri- und St. Annengemeinde, die Gemeinde St. Katharinen in der Innenstadt sowie die Gemeinden in Nowgorod, Archangelsk, Syktywkar und Uchta. Die Propstei gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirche im Europäischen Russland (ELKER), deren Bischof seinen Amtssitz in Moskau hat.
Die größte Gemeinde ist die St. Petri- und St. Annengemeinde, die seit 1992 wieder die Petrikirche am Newski-Prospekt nutzen kann. Diese Kirche an St. Petersburgs Prachtboulevard war in der Geschichte das geistliche Zentrum der Deutschen in der Stadt und als größte lutherische Kirche in Russland auch das Wahrzeichen der Lutheraner in Russland. 1962 wurde sie zu einer Schwimmhalle umgebaut. Die St. Annen-Kirche im Diplomatenviertel brannte kurz vor der Rückgabe bis auf die Seitenmauern aus. Die St. Katharinen-Kirche wurde bis 2013 unter der Woche als Tonstudio genutzt.
Die Gemeinden müssen jeweils für den Erhalt und die laufenden Kosten der Kirchengebäude aufkommen. Die Immobilien selbst gehören ihnen in der Regel nicht, sondern sind ihnen vom Staat lediglich zur Nutzung unentgeltlich überlassen. Die St. Petri- und St. Annengemeinde feiert ihren Sonntagsgottesdienst in der Petrikirche zweisprachig, obwohl der größte Teil der Gemeindeglieder Deutsch nicht mehr beherrscht. Der Pastor wird bisher durch die EKD entsandt und ist sowohl für die Einheimischen als auch für die Deutschsprachigen, die für eine begrenzte Zeit in St. Petersburg leben, zuständig. In einem Seitengebäude der Kirche konnte mit Hilfe des Diakonischen Werks Hamburg ein Diakoniezentrum aufgebaut werden. Im hinteren Teil der Petrikirche befindet sich seit 2021 das Theologische Seminar, zentrale Ausbildungsstätte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland.
Die Eparchie St. Petersburg gehört zu den bedeutenden und einflussreichsten Bistümern Russlands. Die letzten beiden Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) stammen aus der Eparchie. Auf ihrem Gebiet liegen wichtige Klöster und eine Geistliche Akademie, die mit der von Sergiyev Posad zu den wichtigsten theologischen Ausbildungsstätten der ROK gehört.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte sich kirchliches Leben auf einmal ganz neu entfalten. Sukzessiv wurden nahezu alle historischen Kirchen wieder in Dienst genommen. Darüber hinaus konnte eine Vielzahl neuer gebaut werden. Gleichzeitig mussten Strukturen aufgebaut und eine große Zahl von Geistlichen schnell ausgebildet werden. Gemeindliches Leben hat ihren Kern und ihre Mitte in der Liturgie, der gottesdienstlichen Feier mit Abendmahl an Sonntagen und vielen Festtagen. Einige Innenstadtgemeinden gehen interessante Wege, um Kirchenferne Menschen anzusprechen. War noch in den Sowjetzeiten soziales Engagement verboten, gibt es jetzt viele diakonische Angebote.