Weihnachten mal anders

Erster November und jeder letzte Kürbis wird eingepackt und der Weihnachtsbaum aufgestellt. 

Diese Gewohnheit, die ich sonst vor allem von Supermärkten kenne, habe ich hier in Padilha sehr lebhaft wahrnehmen können.

Von ein paar unserer Freunde, die wir hier kennengelernt haben, wurden wir schon am dreizehnten November zum Weihnachtsbaumschmücken eingeladen (etwas, das in meiner Familie traditionsgemäß erst am Morgen des 24.12. passiert). 
Dementsprechend musste auch ich versuchen mit meiner Weihnachtsstimmung ein bisschen hinterherzukommen, die Mitte November und bei täglichen Temperaturen von über dreißig Grad doch sehr auf sich warten ließ. 
Mithilfe der Weihnachtsmusik, dem leckeren Essen und der familiären Stimmung ging das allerdings recht gut und bald hatten wir einen wahrlich bunten Weihnachtsbaum vor uns stehen. Außerdem gab es den Plan alle gemeinsam zu Wichteln, weshalb wir schonmal Namen gezogen haben. 

Spätestens am Tag darauf als wir dann bei strahlendem Sonnenschein am Fluss baden waren, war es aber auch schon wieder vorbei mit der Weihnachtsstimmung. Der Alltag lief normal weiter und der Sommer zeigte sich in seiner ganzen Hitze.

Picknick und Baden am Fluss

Trotzdem versuchten wir als WG ein bisschen Weihnachten in unser Zuhause zu holen und kauften uns ein paar Weihnachtskugeln, die wir dann an Schnüren (und natürlich mit Panzertape) über sämtlichen Türrahmen befestigten.
Außerdem war es mir doch irgendwie wichtig, einen Adventskalender zu haben, weshalb wir uns zusätzlich drei große Weihnachtsstrümpfe zugelegt und ganz viele Süßigkeiten gekauft haben, die ich dann sorgfältig mit Zahlen versehen und in die Socken gestopft habe.

Unsere Adventskalender

Das nächste Mal ein richtiges Gefühl von Weihnachten, wenn auch auf eine andere Art und Weise, machte sich in mir breit, als wir einen Abend bei unseren Mitfreiwilligen in Porto Alegre zum Essen eingeladen waren. 
Unsere Mentorin Simone, die ich seit dem Einführungsseminar vor vier Monaten nicht mehr gesehen hatte, war auch gerade zu Besuch und auch wenn natürlich längst nicht alle Brasilienfreiwilligen da waren, fühlte sich das unbefangene Austauschen und Kartenspielen richtig nach einer Familienreunion an. Rückblickend ist es wirklich schön, wie sehr wir bei diesem nur einwöchigen Einführungsseminar fast wie eine Familie zusammengewachsen sind. Und Familie ist ja gerade das, was man an Weihnachten am meisten vermisst.

Sehr zu unserer Überraschung fragten uns die Freunde, mit denen wir schon den Weihnachtsbaum geschmückt und die uns zu Weihnachten zu sich eingeladen haben, ob wir denn am 10.12. Zeit hätten, Weihnachten zu feiern. Der Grund war ganz einfach, dass sie am 24. und 25. fast alle arbeiten müssen, aber trotzdem tat ich mich erst etwas schwer mit dem Gedanken. Vor allem weil das auch heißt, dass wir am richtigen Weihnachten noch keine Pläne haben.

Ins Fettnäpfchen tretend leider etwas underdressed saßen wir also schon am 10.12. bei ihnen in der Küche und stellten fest, dass Lebkuchenteig tatsächlich drei Stunden im Kühlschrank ruhen muss. Aber wie man uns hier beigebracht hat; Brasilianer*innen gucken sich gerne Regeln und Fakten an und versuchen, ob es nicht auch anders geht – im Bezug auf Lebkuchenteig heißt das, dass fünfzehn Minuten im Tiefkühler völlig ausreichen. Nebenbei halfen wir dabei, das Essen vorzubereiten.

Lebkuchenplätzchen

Als wir dann alle acht am Tisch saßen, sollten wir alle sagen, wofür wir dankbar sind und was wir uns für die Zukunft wünschen – ein sehr schöner und emotionaler Moment und eine Tradition, die ich gerne weiterführen möchte. Und dann ging es ans Schlemmen.

Das Festessen

Da man manchmal doch nicht aus Fehlern lernt, blickte ich erst etwas skeptisch auf das Essen, wovon ich kurze Zeit später sofort das Rezept haben wollte, weil ich einfach nicht genug kriegen konnte. Es war ein vegetarisches Gericht bestehend aus Reis, Mais, Erbsen, typisch brasilianischen Kartoffelchips, kandierten Früchten und dazu noch ein Möhren- und ein Nudelsalat. Auch der Nachtisch, den einer mit sehr viel Aufwand und Hingabe vorbereitet hatte, war umwerfend: selbstgemachte Pralinen in fünf verschiedenen Sorten und zwei verschiedene Puddingcremes.

Da die Sprachbarrierre zwar immer noch vorhanden, mittlerweile aber nicht mehr ganz so hoch ist und unter Freunden zum Glück keine Nervosität beim Sprechen in die Quere kommt, haben wir uns die ganze Zeit angeregt unterhalten und gelacht.

Danach ging es dann daran, die Wichtelgeschenke auszutauschen, wofür wir uns natürlich unter dem schön geschmückten Weihnachtsbaum versammelten. Jeder musste mit „Ja- oder Nein“-Fragen herausfinden, wer einen gezogen hatte und dann wurde erklärt, was man geschenkt und warum man genau das für die andere Person gewählt hat. Den Abend ließen wir zu Weihnachtsliedern singend ausklingen.

Wenn auch etwas verfrüht war dies ein wirklich wirklich schönes Weihnachtsfest, was ich mit Leuten verbringen durfte, die mir sehr ans Herz gewachsen sind.

Weihnachten im Kinderheim

Auch im Kinderheim ging es schon im November los mit den ersten Weihnachtsdekorationen und mit den 0–5-Jährigen durften wir häufiger mal etwas in die Richtung basteln oder malen. Bald standen dann auch dort in jedem Haus ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum und mehrere Kränze.

Für die Kinder ist Weihnachtszeit vor allem eine Zeit voller Geschenke. Fast jede Woche kommt ein anderer Verein, der ganz viele Geschenke für das Kinderheim spendet und allen Kindern mit Bällen, Puppen und diversen anderen Spielzeugen eine große Freude macht.

Abgesehen davon stand für viele erstmal ein anderes Event an: die Noitada. Die Noitada ist ein Abend, bei dem das Kinderheim für alle offen ist und ganz viele Shows auf die Bühne stellt. Viele Kinder singen, tanzen oder spielen Theater auf einer großen Bühne, die extra dafür aufgebaut wird und sind natürlich sehr aufgeregt. Die Vorbereitungen dafür nahmen den Anfang des Dezembers sehr in Anspruch. Auch wir Freiwilligen konnten uns bei zwei Aufführungen mit einbringen, was sehr viel Spaß gemacht hat. Leider konnten wir an dem Abend nur kurz dabei sein, da wir uns einen Virus eingefangen haben, der uns für die nächsten Tage krank ans Bett fesselte.

Ein kleiner Eindruck von der Noitada

Nachdem die Noitada vorbei war, lag der Fokus aber wieder ganz auf Weihnachten (und den mittlerweile angebrochenen Sommerferien).

In der letzten wöchentlichen Mitarbeiterversammlung dieses Jahres gab es ein großes Weihnachtsgrillen und auch unter den Mitarbeiten haben wir nochmal gewichtelt. Es wurde auch noch ein Mitarbeiterfest veranstaltet, bei dem alle etwas geschenkt bekommen haben, was wir drei aufgrund unseres Krankseins aber leider verpasst haben.

Ich bin nun sehr gespannt, wie die wirklichen Weihnachtsfeiertage für mich und uns aussehen werden und hoffe, dass sie nur halb so schön werden, wie das Weihnachten, das wir schon hatten.

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