Von einer außergewöhnlichen Frau…

Am 08. März 2025 verabredete ich mich mit Purity, einer der Hausmütter des PLCC. Wir nahmen uns beide ungestörte Zeit, setzten uns in den Schatten vor unserem Haus und ich bat sie, mir zu erzählen; von sich, von ihrer Arbeit, von ihrem Leben. Unser Gespräch zeichnete ich in ihrem Einverständnis auf und tippte es im Nachhinein ab. Ihre Erzählungen kürzte und übersetzte ich. Die Geschichten, die sie erzählt, ihre Gedanken und Ansichten sprechen für sich.

Wer bin ich und wie kam ich ins PLCC?

Mein Name ist Purity Mukami Abigael. Ich bin vierundvierzig Jahre alt und nun seit fast zwei Jahren im PLCC.

Wir hatten eine Bekanntgabe in unserer Kirche, dass dort eine Hausmutter gebraucht wird. (…) Wir wussten, dass es ein Ort ist, an dem unter anderem Waisenkinder und Kinder mit schwieriger Vergangenheit leben. Als ich also hörte, dass die Anzeige von dort kam, wusste ich: Das will ich tun. Denn vor einigen Jahren war ich eine alleinerziehende Mutter. Ich habe mich alleine um meine und die Kinder meiner Schwester gesorgt. Gott war immer da für mich. Ich fragte mich: „Was kann ich tun, um zu würdigen, was Gott für mich getan hat?“ (…) Zwar habe ich nicht viel Geld oder andere Gaben, die ich der Kirche geben kann, aber das kann ich tun, um Gott zu zeigen, dass ich dankbar bin. Referentin Agnes trug mir auf, einen Brief zu schreiben. Das war 2019. 2019 verging, 2020 verging, 2021 verging. Ich hatte den Brief schon vergessen. Doch im März 2023 erhielt ich einen Anruf von Referentin Agnes. Ich traf unsere Direktorin Mary Mchana in Nairobi. Wir besprachen alles Nötige und wann anzufangen sei. Einerseits war ich aufgeregt und voller Vorfreude: Ja, ich hatte es geschafft! Andererseits fragte ich mich, was mit meinen
Kindern geschehen würde. Mein Mädchen war in der ersten und mein Junge in der dritten Klasse. Wer würde sich um sie kümmern?

Ich suchte unsere Evangelistin auf und erzählte ihr von meinem Kummer; wer würde für meine Kinder da sein? Ich wäre weit fort von ihnen, wie würde das sein? Sie sprach zu mir: „Mach dir keine Sorgen. Ich bin hier. Ich werde ihre Mutter sein.“ Ich war so dankbar. Für wahr, Gott wollte, dass ich dies tue. Ich war glücklich.

Was sind meine Aufgaben und wie sieht mein Arbeitsalltag aus?

Das Wichtigste ist die Betreuung der Kinder und die Sorge um ihre Gefühle. Das ist die größte Aufgabe. Ich habe realisiert, dass das Verhalten einiger der Mädchen darin begründet liegt, wo sie herkommen und was sie durchgemacht haben. Also ist es meine Aufgabe, mich um ihre emotionale Sicherheit zu kümmern, indem ich sie verstehe und auf sie eingehe, sodass sie stabil werden. Natürlich sorge ich mich auch um sie, indem ich für sie koche und ihnen die Liebe einer Mutter gebe.

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die emotionale Stabilität auch mit der Förderung ihrer Begabungen verknüpft ist. Üben wir gemeinsam für eine Aufführung, hilft es ihnen. Sie vergessen ihre Vergangenheit. Sie konzentrieren sich. Dreißig Minuten sind genug und wir sind durch. Sie haben alles verstanden. Das macht mich so glücklich und ich fühle mich ermutigt. Jede Woche bereiten wir etwas vor. Wenn die Kinder in der Schule sind und ich die Hausarbeiten erledigt habe, muss ich für die Woche etwas Neues suchen; denn ich weiß, sie wollen etwas Neues lernen, was wir donnerstags in der Morgenandacht oder am Sonntag in der Kirche präsentieren können. Das motiviert mich.

Was liebe ich an meiner Arbeit? Was motiviert mich?

Was ich liebe und was mich am meisten erfüllt, ist, diese Mädchen zu sehen. Sie sind
glücklich, sie haben keinen Stress, sie fühlen sich wohl; das gibt mir ein Gefühl von: Ja, ich habe es geschafft! Ich habe es für meinen Gott getan. Und das ist mein Motto, das ist mein Thema, das ist mein Stolz; zu sehen, dass es ihnen gut geht, denn ich kann ihnen nichts anderes geben.

Wie fühlt es sich an, eine so lange Zeit so weit weg von der Familie zu sein?

Das ist eine sehr herausfordernde Frage. Manchmal vermisse ich sie sehr. Wie – wie jetzt. Ich habe sie seit dem 28. Dezember nicht mehr gesehen. Es ist manchmal so schwierig… so schwierig. Letzte Woche habe ich erfahren, dass mein Drittgeborener – er lebt in Nairobi und arbeitet mit seinem Bruder –, dass sie einen Streit hatten. Ich musste alles übers Telefon regeln. Ich musste sie beraten; alles übers Telefon. Und dann ging mein Guthaben leer und ich konnte nicht einmal mit ihnen reden. (…) Ich betete für sie.
Am nächsten Morgen erfuhr ich vom Erstgeborenen, dass sie das Problem gelöst hatten. Gott hat es für mich getan. Weil ich zu ihm gesprochen hatte: „Ich bin weit weg von ihnen. Ich sorge mich um diese Kinder. Bitte, Gott, tu es für mich.“

Über meine Kindheit…

Ich wurde in eine Familie mit sechs Kindern geboren. Ich bin die Zweitgeborene. Meine
Mutter verstarb 1998, als ich sechzehn Jahre alt war. Mein Vater ging zu seiner zweiten
Frau, als meine Mutter starb, und wir wurden zurückgelassen. Meine ältere Schwester
heiratete. Nun war ich die Erstgeborene für meine anderen Geschwister. Also habe ich mich um sie gekümmert. Meine jüngste Schwester war zwei, der eine Bruder vier, der
andere war in der sechsten und meine andere Schwester in der siebten Klasse. Ich hatte
eine sehr schwierige Zeit. Ich zog los, um nach etwas zu essen zu suchen, um irgendeine
Arbeit zu finden, damit wir einfach irgendwas bekommen.

Ich gab mein Bestes und Gott war da für mich. Denn nie kam eine Zeit, in der ich nicht
handeln konnte. Mein Vater zahlte die Schulgebühren für die Familie. Aber woher sollten die Bücher kommen? Die Kinder brauchten Radiergummis, Stifte und so weiter. Das lag alles an mir. Unsere Nachbarin sah, wie ich kämpfte, und wollte mir helfen. Sie ging zu
einer Organisation, die sich um Waisenkinder und Kinder in schwierigen Situationen kümmert.
Am ersten Tag kamen sie mit Essen, sie nahmen Informationen auf und versicherten
uns, sie würden sich um die Schule kümmern, um ein gutes Haus für uns, um alles, was
nötig sei. Doch am nächsten Tag – keine Ahnung, wie die Nachricht ihn erreicht hatte –
ging mein Vater ins Büro der Organisation und sagte ihnen: „Nein, ich bin am Leben. Niemand hat sich um meine Kinder zu kümmern, solange ich lebe.“ Als ich davon erfuhr, war mein höchstes Stresslevel erreicht. Und ich war wütend. Ich konfrontierte meinen Vater: „Wie konntest du uns das antun? Du ernährst uns nicht. Du tust nichts für uns. Und sobald wir jemanden finden, der uns helfen kann, zerstörst du alles. Vater, ich habe mein Bestes getan, aber bitte: Nimm dein Bündel.“ Schweren Herzens gab ich ihm meine Geschwister. Doch meine Stiefmutter sah nicht ein, warum sie sich um die Kinder einer anderen Frau kümmern sollte.

Was hätte ich tun sollen? Ich nahm sie wieder zu mir. Mein Gedanke war: „Jetzt werde ich sterben“ Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Unsere Evangelistin besuchte uns, um zu sehen, wie es uns erging. Ich erzählte ihr von unserer Geschichte. Sie sprach zu mir: „Du kannst nie wissen, warum Gott es so entschieden hat. Doch bist du jemals hungrig ins Bett gegangen?“ Ich sagte ihr: „Nein.“ „Weil Gott immer für uns da ist.“ Und dann sagte sie mir: „Gott wird immer für dich da sein. Mach dir keine Sorgen. Gott wird für dich da sein.“ Sie munterte mich auf, wir sprachen viel und sie versprach, für uns da zu sein. Meine Geschwister wuchsen heran und gingen weiter zur Schule. (…)

Über meine Ehe…

Als ich heiratete, ging ich in eine neue Hölle. Meine Schwiegermutter konnte mich nicht in Frieden lassen. Sie missbilligte mich sehr. Sobald mein Ehemann zu ihr kam, erzählte sie Schlechtes über mich und verbreitete Lügen. Ich hätte dieses und jenes getan, ich hätte dieses und jenes gesagt. Es war wie die Hölle. Eines Tages bat ich ihn: „Bitte, ich flehe dich an. Hör deiner Mutter zu, aber entscheide. Du selbst kannst überlegen und verstehen, wann sie die Wahrheit spricht und wann sie Falsches sagt. Wenn es ein Problem gibt, komm, lass uns zusammensetzen und selbst eine Lösung finden. “
In jener Nacht wurde ich geschlagen. Ich wurde von meinem Ehemann geschlagen. Ich würde seine Mutter nicht sehen wollen, ich würde weder ihm noch seiner Mutter zuhören, ich würde sie nicht respektieren. Er sagte so viel Schlechtes. Ich dachte: „Mein Gott, wenn es dein Wunsch ist, dass ich in dieser Ehe bleibe, bitte, lass diesen Menschen sich ändern.

Und bitte, wenn es nicht dein Wunsch ist, bitte, mein Gott, ebne mir einen Weg, dass ich aus diesem Gefängnis fliehen kann und nie wieder zurückkehre.“

Das war nicht das Ende. Bei jeder Kleinigkeit, die er fand, wurde ich geschlagen und geschlagen. Schließlich sagte mein Erstgeborener: „Mutter, lass uns gehen. Unser Vater schlägt dich jeden Tag, jede Zeit. Das finden wir nicht gut. Er wird dich umbringen und wenn du stirbst, wo bleiben wir dann?“ Zu diesem Zeitpunkt war er sieben Jahre alt.
Eines Abends kam mein Mann nach Hause und sprach zu mir: „Ich will dich aus meinem Haus, jetzt. “ Stell dir vor, ich fühlte kein bisschen Kummer. Ich sagte: „Danke Gott!“ Er würde mir nicht nachkommen, denn er war es, der sagte, ich solle meine Habseligkeiten nehmen und gehen. Ich fragte ihn, ob es wirklich sei, was er wolle. Er sagte: „Ja.“ Ich konnte kaum glauben, dass er es war, der sprach. Aber ich erinnerte ihn: „Niemals, niemals, niemals wage es, mir nachzukommen. Versuch es nicht!“ Ich nahm meine Sachen und meine Kinder. (…)

An dieser Stelle ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Puritys jüngster Sohn blieb zunächst bei seinem Vater und sie rang und kämpfte, um ihr Kind zu sich zu holen. Es war nicht nur der Wunsch einer Mutter, die ihr Kind über alles liebt, sondern auch ihr Wille und Ehrgeiz, ihrem Sohn Bildung zu ermöglichen; der Vater behauptete, er habe kein Geld, um den Jungen zur Schule zu schicken. Und obwohl Purity selbst nichts in den Taschen hatte, schaffte sie es mit Unterstützung lieber Mitmenschen; sie
behauptete sich im Rechtsstreit und bekam das Sorgerecht für ihren Sohn. Und allen Hindernissen zum Trotz ermöglichte sie ihm den Besuch der Schule.

Ich kämpfte. Und lass mir dir sagen, von da wurde ich nie gebrochen. Wenn ich an meine
Zukunft denke und mich daran erinnere, wie Gott für mich da war, fühle ich so viel Glück,
dass ich mich um diese Kinder hier kümmere. Denn das ist das Größte und Wichtigste, was ich für Gott tun kann. Denn von da an, obwohl es Höhen und Tiefen gab, war Gott immer und immer für mich da. Da war immer jemand, der mir geholfen hat. Natürlich machen die Kinder mal Sachen, die mich furchtbar fühlen lassen. Aber ich muss sie verstehen und mich an unsere Verbundenheit erinnern. Ich muss ihnen vergeben, damit wir weitermachen können. (…) Es gibt Einiges, was sie nie bekommen haben, als sie aufwuchsen. So bin ich wie ihre Mutter. Es ist meine Aufgabe, es ihnen zu geben. Ich
muss ihnen zeigen, was der nächste Schritt ist, was das richtige ist.

Nun realisiere ich, dass da etwas hinter dem, was Gott getan hat, steckte, als ich durch all das durchmusste. Ich wurde vorbereitet. Denn eines Tages sollte ich hier ankommen.
Und ich weiß: Nichts ist unmöglich. Nichts ist unmöglich unter Gottes Augen. Wenn die Kinder manchmal etwas falsch machen, setzen wir uns zusammen und reden. Und nach etwas Zeit realisieren sie, was sie getan haben, war falsch und sie kommen und sagen: „Mutter, es tut uns leid. Wir bitten um Vergebung und werden es nicht wieder tun.“ (…)
Wenn wir ein Problem haben, müssen wir nach der Ursache suchen. Denn wenn wir den Ursprung nicht ergründen, wird das Problem kein Ende finden. Also setzen wir uns zusammen und reden.

Über meine Ausbildung…

Ich betete, dass ich eines Tages meine Ausbildung wieder aufnehmen könnte; damals
konnte ich nicht atmen. Ich konnte nicht zur Schule gehen. Doch ich sagte immerzu, eines Tages, wenn meine Kinder mit der Schule fertig wären, würde ich wieder zur Schule gehen. 2021 gab es eine Mitteilung in unserer Kirche, dass die Regierung ein Bildungsprogramm starten würde. Ich schloss mich der Klasse an. (…) Wir bestanden unser Exam 2023, als ich hierher kam (…), wo ich auch eine psychologische Ausbildung begann.

Ich danke Gott, denn diese hat mir viel weitergeholfen. Sei es nur, mich zu beruhigen, und zu wissen, alles – so schlimm es auch sein mag – mit Fröhlichkeit anzunehmen, denn womöglich steckt etwas dahinter; ein Problem, von dem Gott möchte, dass wir es lösen. Nächstes Jahr möchte ich mit dem Kurs fortfahren, denn ich habe erkannt, wie wichtig diese psychologische Bildung ist – sogar für mich selbst.

Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblicke und darauf schaue, wo ich jetzt stehe, möchte ich gerne sagen…

Mein Fazit ist: In meiner Vergangenheit hatte ich nichts. Doch jeder Abschnitt, durch den ich gegangen bin, war Teil einer Vorbereitung. Nun bin ich etwas Präsentables. Ich kann andere ermutigen, ich kann Hoffnung spenden, ich kann meine Familie versorgen. Ich kann Menschen, die bedürftig sind, etwas geben. Meine Vergangenheit war eine Vorbereitung für meine Zukunft.

Purity erzählte noch bei weitem mehr; wie ihr so viele Menschen aus dem Dorf halfen, ihrem Sohn die Schulgebühren zu finanzieren und Kleidung für seine Schuluniform zu beschaffen; wie sie voller Energie und Freude in der Kirche sang und sich engagierte; wie sie den Sohn ihrer jüngeren Schwester als ihren eigenen aufnahm, als die Ehe dieser zerbrach.

Wenn man diese Frau so sieht, kann man kaum glauben, wie ihre Vergangenheit
ausgesehen haben muss. Selten trifft man Menschen mit solcher Liebe, Klugheit und Weisheit. Und trotz ihrer lebhaften Erzählungen fällt es mir persönlich mit einer solch anderen Lebensrealität schwer, mir auszumahlen, wie ihre Welt aussah. Menschen können Inspirationen sein; als sie selbst und mit ihren Geschichten umso mehr. Wir können viel von Purity lernen; über Vertrauen; wahre Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, wenn es am meisten darauf ankommt; und darüber, nicht zu verzweifeln und aufzugeben, sondern Lösungen zu suchen und zu handeln, selbst wenn die Welt unlösbar düster zu sein scheint.

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