Afrika? Ein gefährliches Land?!

Ich war mir nicht sicher, was ich in meinem letzten Blogbeitrag dieses Auslandsjahres thematisieren sollte. Aber in den vergangenen Wochen wurde mir diese Entscheidung aufgrund der hier geschehenen Ereignisse abgenommen. Es ist fast, als würde mein Lerndienst enden, wie er begonnen hatte. Mit einem Theaterstück über Revolution, während draußen auf den Straßen Nairobis und im ganzen Land die Proteste stattfinden.

Als ich im August 2024 in Kenia landete, hatte sich die Lage der Demonstrationen zwar bereits beruhigt, aber die Menschen hatten nicht vergessen. Im Nationaltheater schauten wir das Musical „Sarafina“, eine Vorstellung über eine junge Frau inmitten einer Jugendbewegung im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika in den 1980er Jahren. Der Abend ist mir bis heute noch lebendig in Erinnerung; voller Energie, Sehnsucht und den Facetten einer mir fremden Welt. Das Theater war erfüllt von einer Spannung und Sinnigkeit; denn obwohl nicht derselbe Kampf bis vor kurzem in Nairobi gekämpft wurde, so waren es doch dieselben Glaubenssätze und derselbe Schmerz, den die Kenianer*innen mit den Protagonist*innen des Stückes teilten. Der Glaube an ein vereintes Vorgehen gegen ein Unrecht, die Leidenschaft für die gemeinsame Sache und der Schmerz von Gewalt, Verlust und Tod.

(Nairobi 2024)

Auslöser der Proteste 2024 war ein Finanzgesetz, das die Einführung neuer Steuern vorsah. Die Preiserhöhungen auf Brot, Öl oder Hygieneprodukte stellten für so manche eine Existenzbedrohung dar. Als Reaktion entwickelte sich die größte Jugendprotestbewegung auf dem afrikanischen Kontinent – unabhängig von ethnischen Gruppierungen und Zugehörigkeiten. Doch die Gründe für den Zorn und die Unzufriedenheit mit der Politik liegen tiefer. Der Frust über die herrschende Korruption, das arrogante Auftreten der politischen Elite und besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit brodelte schon lange unter der Oberfläche der Gesellschaft. Das durfte ich selbst in den vergangenen Monaten an unterschiedlichsten Stellen erfahren.

Hanan, Peter, Dennis, Mary, ich könnte dutzende Namen nennen; Namen von jungen Menschen, die auf der Universität studiert und ihren Abschluss gemacht haben in Biologie, Business oder Wirtschaft. Und nun stehen sie da ohne Job, ohne Ausblick auf Karriere. Es fehlt an Arbeitsplätzen. Manche warten und hoffen auf die Gelegenheit, ihr Geld mit der Arbeit zu verdienen, für die sie ausgebildet wurden, andere suchen sich Jobs wie Bodaboda-Fahren oder verkaufen Kleinigkeiten und Snacks am Straßenrand. Ob Daniel, mit dem ich auf den Mt. Kenya gewandert bin, Brian, den ich beim Tanzen kennengelernt habe, oder diverse Uber-Fahrer; niemand macht ein Geheimnis aus der Unbeliebtheit des Präsidenten. Und es war vor allem sie – die junge Generation – die im letzten Juni auf den Straßen Parolen wie „Ruto must go“ gerufen hat. Am 25. Juni 2024 stürmten die Demonstrierenden das Parlament. Die Polizei setzte scharfe Munition ein und schoss mitten in die Menge. Mehr als 23 Menschen sind dabei zu Tode gekommen.

Und nun, da sich der Jahrestag dieses denkwürdigen Ereignisses näherte, trieb es die Menschen erneut auf die Straßen. Als ich mich vor einigen Tagen nach Nairobi wagte, um mir ein Theaterstück über den Revolutionsführer Dedan Kimathi im MauMau-Aufstand der 1950er anzusehen, begegnete ich etlichen Soldaten, bewaffnet mit Gewehren und Knüppeln, die an der Straße und in Parks positioniert waren, um gegebenenfalls bei Unruhen eingreifen zu können. Die Demonstrierenden fordern Gerechtigkeit für Albert Ojwang und den Rücktritt des Polizeibeamten Lagat, dessen Klage in jenem Fall zur Verhaftung Ojwangs führte. Der Lehrer und Blogger wurde nach Folter auf der zentralen Polizeiwache getötet. Präsident Ruto äußerte sein Bedauern und versicherte, persönlich für Gerechtigkeit Sorge zu tragen. Zwei Polizisten wurden im Zusammenhang mit der Ermordung festgenommen. Doch die Amtsenthebung und Verhaftung des stellvertretenden Generalinspektors Lagat, die die Protestierenden vehement einfordern, steht noch aus. Als sie am Dienstag, den 17. Juni, auf die Straßen gingen, eskalierte die Situation. Ich habe die Lage zeitgleich in den sozialen Medien verfolgt und war beim Anblick der Bilder und Videos dankbar, mich nicht im Stadtzentrum Nairobis zu befinden.

Parolen wurden gerufen, die Polizei setzte Tränengas ein, vermummte Schlägertruppen mit Knüppeln und Messern ausgerüstet schlugen auf Zivilist*innen ein und einem Mann, der im Viertel Masken zum Schutz vor dem Tränengas verkaufte, wurde von einem Polizisten aus nächster Nähe in den Kopf geschossen; nur mit viel Glück und dank einer Notoperation überlebte er den Angriff. Leider gilt dies nicht für alle. In ganz Kenia nahmen Menschen an den Demonstrationen teil und einige kamen dabei ums Leben. „We are peaceful“, rufen die Protestierenden, doch die Polizeigewalt bleibt. Und erst jetzt wird ersichtlich, was diese Gewalt für nachhaltigen Schaden hinterlässt. Aufnahmen zeigen, wie die etlichen Ladenbesitzer*innen nach den Protesten ihre Räume begutachten. Die Zerstörung erschüttert. Für manche bedeutet diese Verwüstung die Bedrohung ihrer Existenz.

Die Wut und Frustration der Bevölkerung, besonders der jungen Menschen, ist mir absolut verständlich. Wer weiß, wie es in Kenia in einigen Jahren aussehen wird. Ich habe die politischen Strukturen und Probleme selbst nur sehr oberflächlich in meiner Zeit hier erfassen können und mir fällt es unglaublich schwer, die Lage einzuschätzen. Ein Jahr reicht aus meiner Erfahrung aus, einen Einblick zu gewinnen, aber ein ganzes Land in diesem Zeitraum, seine Politik, Gesellschaft und Kultur, zu erfassen, erscheint mir unrealistisch. Noch dazu hätte ich ohne Zugriff auf die sozialen Medien kaum etwas von den Protesten mitbekommen. Während ich diese Zeilen schreibe, ist es ein großes Thema in meinem Umfeld. Doch außerhalb der sozialen Medien und der Viertel, in denen demonstriert wird, geht der Alltag seinen gewohnten Gang.

Als meine Mutter einer Kollegin vor etwa einem Jahr erzählte, ihre Tochter wolle einen Lerndienst in Kenia absolvieren, reagierte diese erstaunt oder entsetzt mit den Worten: „Afrika? So ein gefährliches Land!“ Abgesehen von der Inkorrektheit der Gleichung Afrika=Land mangelt es in dieser Aussage auch ganz im Allgemeinen an Logik und Wahrheit.

Ja, es ist an manchen Tagen zu manchen Zeiten nicht ungefährlich und nicht ratsam, durch Nairobi zu spazieren. So wie es in zahlreichen anderen Ländern genauso wenig ungefährlich und ratsam ist, wo sich die Menschen mit Politik und Gesellschaft auseinandersetzen, für ihre Meinung auf die Straße gehen und dabei Konflikte riskieren – sei es mit der Regierung oder mit Andersdenkenden. Es ist von vielen Faktoren abhängig, wie friedlich eine Demonstration verläuft. In Deutschland wie hier.

Denke ich an die „Gefahren“ der letzten Monate zurück und an Sicherheitsmaßnahmen, die ich getroffen habe, dann scheint mir die Tierwelt den größten Unterschied zu Deutschland darzustellen. Da das PLCC unmittelbar neben dem Nairobi Nationalpark gelegen ist, wird dringend geraten, bei Dämmerung oder Dunkelheit das Gelände nicht zu verlassen, um unerwünschte Begegnungen zu vermeiden. Daran habe ich mich meistens gehalten.

(Eine durchaus erwünschte Begegnung 🙂 )

Was die Menschen betrifft, ob hier in Rongai, in Nairobi oder sonst wo in Kenia, so fühlte ich mich sicher nicht trotz, sondern wegen der Menschen.

Überall auf der Welt können einem Leute begegnen, die nichts Gutes im Schilde führen und von denen man sich wünscht, dass sie fernbleiben. Als junge Frau habe ich von klein auf gelernt, achtsam zu sein und Alleingänge bei Nacht nicht zu riskieren. Solche Regeln scheinen leider so ziemlich überall sinnvoll zu sein. Nicht überall hingegen kann man sich gewiss sein, dass Menschen in der Nähe sind, die helfen und eingreifen. In Kenia ist das der Fall; es wird nicht bloß zugeschaut, sondern Initiative ergriffen, bevor Schlimmeres geschieht. Glücklicherweise hatte ich nie derart eskalierende Situationen; aber schon bei Kleinigkeiten waren umstehende Leute an meiner Seite und zögerten nicht zu helfen; und wenn es nur eine Diskussion mit einem Bodaboda-Fahrer oder ein grober Griff an meinen Arm eines ambitionierten Verkäufers war.

Je besser ich mich mit meiner Umgebung auskannte und mich für kulturelle Unterschiede öffnete, desto mehr begriff ich, dass so manche „Gefahren“ nichts sind als Unwissen und Unverständnis. Als ich noch nicht wusste, dass das Nehmen und Führen der Hand eine höfliche Geste und assistierte Begleitung bedeutet, interpretierte ich es gerne als übergriffig und reagierte abwehrend. Weiß man nicht viel über ein Land, eine Kultur oder Lebensweise, so kann einem jede Kleinigkeit im Alltag gefährlich vorkommen; denn sie ist fremd. Sich für neue Perspektiven zu öffnen, lässt mich die Welt ein kleines bisschen besser verstehen; Gefahren entpuppen sich als unbegründete Ängste und anstatt die Grenzen zwischen der eigenen und der fremden Welt in Gedanken hervorzuheben, scheinen diese zu verschwimmen.

Vor einiger Zeit fragte mich jemand, wie in Deutschland die Reaktionen seien, wenn jemand wie er (ein Schwarzer) den Menschen auf der Straße begegnen würde. Ich muss sagen, ich war zunächst leicht irritiert von der Frage. Er habe gefragt, weil in Kenia weiße Personen herausstechen würden. Und tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht aufzufallen. Während ich in Deutschland in der Menge untergehe, haften hier mehr Blicke auf mir. Allerdings auf eine erschreckend positive Weise. Unbegründete Bewunderung und Begeisterung begegneten mir und spiegelten sich in Kinderaugen. Und mir wurde immer wieder klar, dass ich – ob ich es will oder nicht – durch meine Hautfarbe vom tief verwurzelten Rassismus in der Gesellschaft profitiere, sei es in meinem persönlichen Ansehen oder strukturell, in Deutschland wie in Kenia. Und als ich antwortete, wie es andersherum in Deutschland aussehe, merkte ich schon, während ich sprach, dass ich log. Ich präsentierte ihm in meinen Worten ein Deutschland, wie ich es mir wünschen würde; meine persönliche Traumvorstellung von einem toleranten Land, in dem das Aussehen eines Menschen gleich wäre und das Innere einzig von Bedeutung bei der Beurteilung einer Person. Ein Land mit kultureller Vielfalt, bunt und offen.

(Für diese Mädchen würde ich mir eine Welt mit einer solchen Sichtweise wünschen…)

Das entspricht allerdings nicht der Realität und hat es nie.

Schwarz zu sein ist in Deutschland gefährlich, allein durch historisch verankerte Vorstellungen und Ansichten; Menschen mit schwarzer Hautfarbe werden institutionell und strukturell diskriminiert, in der Öffentlichkeit mit Rassismus konfrontiert und eher mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Und angesichts des wachsenden Rechtsextremismus und der damit verbundenen Gewalt stellt sich mir die Frage, wie gefährlich Deutschland gerade wird. Vielleicht nicht für jeden, aber für People of Color, für Mitglieder*innen der LGBTQIA+ Community, für Angehörige mancher Religionsgemeinschaften oder Menschen mit anderen politischen Ansichten.

Vielleicht bewerten wir so manche Welten zu Unrecht als „gefährlich“ aufgrund von Vorstellungen, die wir aus Ausschnitten in den Medien oder aus Vorurteilen gewinnen, und betrachten hingegen das eigene Umfeld als „ungefährlich“, weil wir es einschätzen können, weil es nicht fremd ist und weil die meisten von uns in diesem akzeptiert werden.

Jiayuguan- „Chinas Tor in die westliche Welt“

Welche Assoziationen kommen einen als erstes in den Sinn, wenn jemand China sagt? 

Die meisten Leute denken wahrscheinlich sofort an Megacities, wie Shanghai oder auch Chengdu. 

Sie denken an das Essen, an die Politik/Wirtschaft und natürlich eben auch an Sehenswürdigkeiten, wie die Chinesische Mauer. 

Vom hören her kennen wir alle die Chinesische Mauer, doch was genau steckt hinter ihr? 

Nimm dir eine Sekunde Zeit. Was weißt du über die Mauer? 

Wahrscheinlich sagst du jetzt so etwas wie:

„Sie sollte das damalige Chinesische Kaiserreich (vor allem den östlichen Teil, in dem der Kaiser lebte und seinen Regierungssitz hatte), vor den Nomadenvölkern, die immer wieder über die heutige Mongolei in das Reich einfielen, schützen.“

Okay und wenn ich dich jetzt frage, wie die chinesische Mauer aussiehst, wirst du mir wahrscheinlich folgende Landschaft beschreiben:

„Es ist eine einzige gewaltige zusammenhängende Mauer aus Steinen im Norden Chinas, die in regelmäßigen Abständen von Wachtürmen unterbrochen wird und sich über sanfte Hügel und Berge erstreckt.“

(Vielleicht hast du bei deiner Beschreibung sogar an den Film Mulan gedacht.) 

Doch was steckt (noch) alles hinter der Mauer, ihrer Erbauung und ihrer Geschichte? 

Ist es wirklich eine einzige Mauer?Wie lang ist die Chinesische Mauer? Wann wurde sie gebaut und wie lange hat der Bau gedauert? Und zum Schluss, was macht den Abschnitt in Jiayuguan so besonders?

Wann wurde sie erbaut und wie lange hat der Bau gedauert? 

Die Mauer wurde nicht an einem Tag gebaut, im Gegenteil! 

Der Bau begann schon im 7.Jahrhundert v.  Chr. und wurde über die Jahrhunderte hinweg immer wieder fortgeführt/erweitert und verstärkt.

Gibt es nur eine chinesische Mauer? 

Die Chinesische Mauer ist nicht nur eine Mauer! 

Oft gehen viele Menschen fälschlicherweise davon aus, dass die chinesische Mauer eine einzige zusammenhängende Mauer ist.

In Wirklichkeit besteht sie jedoch aus vielen unterschiedlichen Abschnitten, die zu verschiedenen Epochen und Dynastien gebaut wurden. 

Die Mauer war somit niemals eine durchgehende „Linie“.  

Es gab viele Brüche in ihrer Struktur, weshalb sie auf Karten wie viele unterschiedlich lange und unterschiedlich positionierte „Linien“ aussieht.   

Wie lange ist die chinesische Mauer? 

Man vermutet, dass sich die chinesische Mauer insgesamt über 21 000 km erstreckt. 

Ich finde es schwierig sich unter so einer hohen Zahl etwas vorzustellen, deshalb hier ein kleiner Vergleich. 

Das ist die Hälfte des Äquators! (Dieser ist um die 40 000km breit.) Verrückt, oder? 

Jetzt fragt ihr euch bestimmt, folgendes:

„Lenka, warum vermutet man, dass die Mauer 21 000km lang ist?

Wie ist man auf diese Summe gekommen und warum weiß man es nicht genau?“ 

Das ist eine sehr gute und wichtige Frage, die ich mir auch gestellt habe.

Im Bezug auf die Mauer müsst ihr folgendes wissen. 

Es gibt tatsächlich noch viele unbekannte Abschnitte der Mauer, die nicht vollständig entdeckt oder erforscht wurden.

Weite Abschnitte, besonders in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten, sind zum Teil noch unentdeckt, oder im schlechtem Zustand. 

In einigen Wüsten- und Gebirgsteilen gibt es Fragmente der Mauer, die von der modernen Welt weitgehend unberührt geblieben sind. 

Archäologen und Forscher arbeiten weiterhin daran, diese unbekannten Abschnitte zu finden und zu dokumentieren.

Ein Teil der Herausforderung liegt in der extremen Länge der Mauer, die in verschiedenen Perioden und unter verschiedenen Dynastien errichtet wurde, was bedeutet, dass es zahlreiche „Mauern“ gibt, die nicht immer gut dokumentiert sind.

Außerdem sind einige Abschnitte aufgrund von Erosion und natürlichen Katastrophen mittlerweile kaum noch sichtbar.

Doch wenn Forscher daran arbeiten, die tatsächliche Länge herauszufinden, wie setzt sich dann die Kilometeranzahl von 21 000 km zusammen? 

Als erstes muss man wissen, dass nicht nur ganz klassisch die „typische“ Mauer dazugezählt wird, sondern eben auch Abschnitte wie Festungsanlagen, Verteidigungsanlagen und Wachtürme. 

Außerdem basiert diese Zahl auf Schätzungen, die aus verschiedenen Quellen und historischen Aufzeichnungen zusammengesetzt wurden.  

Man kann es sich ungefähr so vorstellen: 

Historische Dokumente aus den unterschiedlichen Dynastien, insbesonders aus der Qin- und Ming-Dynastie enthalten Karten, die die Länge und Ausdehnung der Mauer angeben und dokumentieren. 

Außerdem wurden die unterschiedlichen Bauphasen in den letzten Jahrhunderten systematisch kartiert. 

Desweiteren haben Archäologen mithilfe von modernen Technologien (Satellitenbildern, Luftaufnahmen und GPS), die genaue Lage und Ausdehnung besser erfassen können. 

Dies ermöglicht eben auch Mauerabschnitte in die Schätzung mit einzubeziehen, die schwer zugänglich oder nur teilweise dokumentiert sind. 

Somit setzt sich die Zahl aus vorhandenen, dokumentierten Mauerteilen und den historischen Bauphasen zusammen.

Es wird angenommen, dass in abgelegenen Gebieten, wie in der Wüste Gobi oder in Gebirgsketten, noch unentdeckte Fragmente existieren könnten, aber diese sind in die Gesamtschätzung der Länge bereits mit einbezogen, auch wenn sie nicht vollständig erfasst oder zugänglich sind.

Kurz vor meiner Abreise nach China habe ich eine Doku gesehen, die sich mit genau dieser Frage beschäftigt hat. 

Wie lang ist die Mauer und gibt es noch unerforschte Abschnitte? 

Die Frage hat vor allem ihren Fokus auf die Region Gansu und die Stadt Jiayuguan gelegt. 

Während der Feiertage im Mai hatte ich die Möglichkeit Jiayuguan zu besichtigen und mich tiefgründiger mit der chinesischen und lokalen Kultur und ihrer Geschichte auseinander zu setzten. 

Denn dieser Abschnitt der chinesischen Mauer (Jiayuguan) ist aus vielerlei Gründen spannend und auch interessant für uns Europäer. 

Was macht den Abschnitt in Jiayuguan so besonders von andern Knotenpunkten? 

Jiayuguan markiert den westlichsten „Endpunkt“ der chinesischen Mauer, was ihn zu einem wichtigen Wendepunkt in der Geschichte und gleichzeitig zu einem entscheidende Knotenpunkt für die Geschichte Asiens und Europas macht.  

Der Jiayuguan-Pass, welcher mit der Festungsanlage,  die später erwähnt wird, um das 13.  Jahrhundert erbaut wurde, war eine wichtige Grenzfestung und vor allem strategisch wichtiger Angelpunkt der Seidenstraße, da an der Stelle die Mauer in die Wüste Gobi übergeht und es somit den westlichsten Punkt Chinas darstellte. 

Es galt sogar als „Tor zur Seidenstraße“, denn wer in den Westen reisen wollte, musste durch Jiayuguan und dessen Tor, bzw. Tore.

Jiayuguan, bzw die Region war deshalb entscheidend für die Kontrolle des Zugangs zu Zentralasien und stellte somit die Grenze zwischen China und der westlichen Welt dar.

Das ist der Jiayugan-Pass mit den berühmten drei Toren

Es war „wie das Ende der Welt“, denn hatte man damals das Tor verlassen, stand man in den unendlichen Weiten der Wüste Gobi.

Ich kann mir nur vorstellen, dass man sich damals ziemlich alleine und hilflos gefühlt haben muss. 

(Als ich in Jiayuguan in der Wüste draußen war, gab es extreme Sandstürme.  

Davor hätte ich nie gedacht, wie gefährlich es ist und vor allem was für Kräfte diese Winde teilweise haben. Wir wurden regelrecht umgestoßen und sind auch öfters fast hingefallen. ) 

Wichtig zum Bild: Die Grünanlagen sind in den letzten paar Jahren aus unterschiedlichen Gründen angelegt worden. Davor war alles Sandwüste.

Außerdem sind nicht alle Abschnitte der chinesischen Mauer aus Stein! 

Im Gegenteil, sie wurde aus unterschiedlichen Materialien (Ziegel, Stein, Holz, Erde und sogar Stroh!) gebaut. 

(Es gibt sogar Abschnitte, die aus Bambus gebaut wurden.) 

In der Wüste, wie es der Fall in Jiayuguan ist,  verwendete die Bauleute meistens Lehmziegel und andere Materialien, da die Gegend so trocken und heiß war. (Siehe Bild) 

Ein anderer Wichtiger Punkt ist die Jiayugan-Festung, die heute eine der am besten erhaltenen und beeindruckendsten Festungsanlagen entlang der Mauer ist. 

Sie wurde damals im 14. Jahrhundert (während der Ming-Dynastie) erbaut und diente als. Schutz vor Invasionen. 

Die Festungsanlage mitten in der Wüste

Zur Chinesischen Mauer zählen auch Mauerabschnitte, die man im klassischen Sinne nicht als „Mauer“ definieren würde. 

So zum Beispiel zählen auch Festungsanlagen, Verteidigungsanlagen, wie Wachtürme, oder auch Gräber dazu. 

Die Great Hanging Wall

Die Great Hanging Wall (Jiayuguan Hanging Wall), gehört eben wie der Jiayuguan Pas zur Festung. 

Dieser Abschnitt der Chinesischen Mauer wurde speziell an einem schwierigen Gebirgsgelände errichtet, um den Zugang zum Reich der Ming-Dynastie zu sichern. 

Diese drei „Gebäude“, bzw Mauerabschnitte dienten als wichtige Verteidigungsstruktur gegen Nomadische Stämme. 

Jedoch hatte Jiayuguan nicht nur eine einen militärischen Zweck. 

Sie spielte eine Rolle bei der Kontrolle des Handels und der Migration. 

Besonders während der Ming-Dynastie wurden dort viele Zollstationen eingerichtet, die den Handel mit waren in Zentralasien regulieren und somit auch die Seidenstraße überwachten. 

Doch warum hat Jiayuguan noch heute so eine symbolische Bedeutung nicht nur für die Chinesen, sondern auch für uns Europäer und den Rest der Welt? 

Die geographische Lage machte Jiayuguan damals zu einem wichtigen Eingangstor in das Alte China, und war somit bedeutend für den Handel und die Verbindung unterschiedlicher Länder. 

Die Seidenstraße war ein Netzwerk von Handelswegen, das China mit Zentralasien,  dem Nahen Osten und Europa verband. 

Sie ermöglichte den Austausch von Waren, aber auch technologischen Ideen. 

(FunFact: Marco Polo ist auf seinen Reisen auch über die Seidenstraße, bzw der Handelsroute nach Asien gereist. ) 

Die „Route“ trug zum kulturellen Austausch und zur Entwicklung von Zivilisation bei und förderte die Verbreitung von Religionen wie dem Buddhismus und dem Islam. 

Doch die historische Seidenstraße hat nicht nur eine kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung, sondern eben auch eine ganz aktuelle Relevanz. 

Die „One Belt, one Road Initiative“ Chinas ist eine moderne Umsetzung des alten Handelsnetzwerkes, die darauf abzielt die Handelsbeziehungen zwischen Asien, Europa und Afrika zu stärken. 

Diese Initiative umfass Infrastrukturprojekte wie Häfen, Flughäfen, Straßen und Eisenbahnen, die umstritten sind. 

Heute hat die Seidenstraße eine neue Bedeutung.

Sie ist ein Symbol für den globalen Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit. 

Sie spielt eine Schlüsselrolle in vielen Diskussionen (geopolitisch und wirtschaftlich),  besonders im Bezug auf die wachsende Rolle Chinas.  

Eins ist klar, das Erbe der historischen Seidenstraße lebt noch heute weiter und Initiativen,  wie die „Belt and Road Initiative“ zeigen, wie sehr sie noch heute, im 21. Jahrhundert integriert sind. 

Zeitvertrauen

Braids sehen toll aus – strapazieren je nach der Art, wie sie eingeflochten und gepflegt werden, aber auch übermäßig stark die Haarwurzeln. Eine der vielen Lektionen, die ich mitnehmen durfte; jene Lektionen, die einem im Alltag ständig über den Weg laufen.

Schon sehr lange hatten die Kinder mich dazu aufgefordert, mir Braids in einem Friseursalon machen zu lassen. Dabei wird das Kopfhaar in viele kleine Zöpfe geflochten. Um längere Zöpfe zu erhalten, werden häufig Extensions verwendet. Die Resultate können je nach Stil und Größe der Zöpfe sehr individuell und unterschiedlich aussehen.

Der Ursprung dieser Flechtfrisur findet sich im afrikanischen Raum. Erste Hinweise dieser Technik lassen sich im alten Ägypten 3500 v.Chr. finden. Sie symbolisierten kulturelle Zugehörigkeit, Religion oder politische Standpunkte. Bis heute sind sie Teil der Kultur der People of Colour. Aus diesem Grund hatte ich auch lange Zeit nicht mit dem Gedanken gespielt, mir selbst Braids machen zu lassen. Ob es sich beim Tragen der Braids als weiße Person um kulturelle Aneignung handelt, darüber wird diskutiert. Fest steht aber, dass sie je nach Kontext, Region und geschichtlichem Hintergrund kulturelles Statussymbol und Zeichen Schwarzer Identität und Freiheit sind; sie haben eine tiefere Bedeutung für viele ihrer Träger*innen. Sie deswegen aus rein modischen Motiven zu tragen, ohne sich mit ihrer Geschichte und ihrem Wert auseinanderzusetzen, kann als respektlos aufgegriffen werden. Menschen können verletzt werden; sich in ihrer Identität ungesehen fühlen.

Mir ist es wichtig, diese Informationen aufzuführen und damit auch den Kontext, in dem ich mich zu dieser Frisur entschieden habe. Von den Kindern hatten wir uns bereits Frisuren zeigen lassen, geübt und ausprobiert – zum einen mit unseren und auch mit ihren eigenen Haaren. An den Strähnen zu tüfteln, sie zu kämmen und sie schließlich aufzustecken oder zu flechten, war eine gemeinsame Aktivität, die uns zusammengeschweißt hat, die Kontakt und Miteinander bedeutete, bei der wir voneinander lernen konnten. Eine Berührung, die Grenzen aufbricht und verschwimmen lässt. Seit einem Dreiviertel Jahr bin ich nun in Kenya. Unterschwellig lernte ich dabei mehr und mehr über die verschiedenen kulturellen Gruppen, die Sprache, die Lebensweise. Ich bin einer Vielfalt bunter Persönlichkeiten begegnet – alles Menschen. Wie ich selbst auch. Egal wie unterschiedlich unsere Leben sind, unsere Interessen, unsere Vergangenheit – was uns zusammenschweißt, ist die Menschlichkeit; tolerieren, respektieren und wertschätzen wir unsere Verschiedenheiten, können wir in einer wohlwollenden Gemeinschaft leben und in dieser teilen und schenken. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Kinder, die Hausmütter, die Lehrkräfte und die Sozialarbeiterinnen gefreut haben, als ich mit der neuen Frisur zur Morgenandacht kam. Für uns war mein Tragen dieser Frisur kein respektloses Nicht-Anerkennen – eher im Gegenteil; ein kleines Zeigen, dass wir ein Team sind und ich für diese Gemeinschaft dankbar bin.

Mit Purity, einer der Hausmütter, war ich am Tag zuvor zusammen in einem Salon. Zuerst wurden ihre Haare gemacht und schließlich meine. Drei Stunden Arbeit, die vielleicht vier Stunden gewesen wären, hätte Purity nicht bei den vielen Zöpfen mitangepackt. Dass es damit auch ihr Werk war, hat mich auf eine Weise berührt; schließlich ist sie eine mir sehr wichtige Bezugs- und Kontaktperson im Alltag und bei der Arbeit. Das Staunen und die Freude der Kinder hätte ich auf Video aufnehmen sollen. Sie wussten sehr viel besser als ich, wie die Zöpfe frisiert werden konnten und halfen mir bei der Pflege. Denn diese vernachlässigte ich dezent… Womöglich einer der Gründe, warum meine Haarwurzeln ungewöhnlich stark strapaziert wurden. Als wir an einem Sonntag morgen zusammen die Zöpfe entflochten, machte sich bemerkbar, wie stark meine Kopfhaut unter Spannung gesetzt worden war. Viele Haare waren abgebrochen und der Haarhaufen beim Kämmen wurde größer und größer. Die Konsequenz war simpel; ein Abend im Badezimmer. Eine Bastelschere. Ein Schnipp Schnapp.

Ein bisschen anders ist die Nora, die heute durch Nairobi streift, im Matatu Musik hört oder in Rongai die Abendsonne genießt. Sie ist etwas anders als die Nora vor einem Dreiviertel Jahr. In dieser Zeit habe ich Lektionen für mich mitgenommen; bin gelassener geworden und ein bisschen verrückter. Nicht nur daran ersichtlich, dass ich nicht vor einem neuen Haarschnitt zögere. Allein das Fußfassen in einem neuen Umfeld und meine tägliche Zeit mit den Mädchen bedeutete zugleich eine Erweiterung meines Wissens. Ich weiß nun mehr durch Erfahrung. Da gibt es die kleinen Dinge…

Ich weiß, wie ich auf Kiswahili bete und wie ich mich in dieser Sprache zumindest ein bisschen („kidogo“) verständigen kann.

Ich weiß, wie ich ein Armband flechte und kenne Matherechnungen, die ich in meiner Schulzeit nicht gelernt habe.

Ich weiß zumindest theoretisch, wie man Chapati macht (obwohl ohne Tabithas oder Puritys Anweisungen mein Resultat zwar eine Art Gebäck ist, aber definitiv kein Chapati).

Ich weiß, wie ich aus alten Plastikflaschen Blumen zaubern kann.

Ich weiß, dass ein strahlend blauer, sonniger Himmel nicht bedeutet, dass es nicht zwei Minuten später in Strömen regnen könnte.

Und ich weiß, dass Zeit vieles fügt.

Das ist eine meiner größten Erkenntnisse. Und sie umfasst so viele Bereiche meines Lebens.

Ganz am Anfang herrschte in mir Unsicherheit. Mein gesamtes Umfeld war unbekannt und fremd. Da war kein Vertrauen – weder in die Menschen noch in meinen Alltag. Wie ich was mit wem reden sollte, war jedesmal eine kleine Herausforderung; bei der Arbeit in der Schule wusste ich nicht, was ich machen kann, soll und darf; das Heimweh und die Sehnsucht nach der bekannten Welt eroberten ab und an meine Stimmung, verbunden mit der immerwährenden Angst, es könnte so bleiben; dass sich nichts ändern könnte, ich mich nie in diesem Neu zurechtfinden und das Begegnen mit den Menschen Tag für Tag eine kleine Überwindung darstellen würde. Doch mit der Zeit näherten wir uns einander an; kleine Gespräche, aus denen tiefere Bindungen erwuchsen. Je häufiger wir in Kontakt traten, uns austauschten und quatschten, desto mehr kam mir eine Erkenntnis: Dass es nichts gibt, vor was ich mich fürchten müsste. Es klingt banal, aber etwas in mir musste beruhigt werden und verstehen, dass mir niemand etwas Böses will. Und so öffneten wir einander die Türen und luden uns ein. Durch Ausprobieren, Nachfragen und Um-Hilfe-Bitten wuchsen die Sicherheit und die Gewohnheit.

Wieder aufs Neue überwältigten sie mich vor Beginn des Ferienprogramms, die Zweifel und Ängste: Kann ich das überhaupt? Werde ich mich mit den Kindern verstehen? Was, wenn etwas schiefgeht? Wenn es nicht nach Plan läuft?

Überraschung: Es lief nicht nach Plan. Das ein oder andere ging schief. Ja und? Deswegen ist die Welt nicht untergegangen. Vorbereitung hin oder her; vieles kam doch anders. Und „anders“ bedarf keiner Wertung. Anders ist anders. Es entstanden Komplikationen und genauso Momente, die ich mir nicht schöner hätte ausmalen können. All diese Situationen haben ihre Daseinsberechtigung; ein weinendes Kind, das Trost braucht, oder eine lustlose Stimmung, weil niemand sich für das Spiel interessiert; Stromausfall, der Filmschauen und Regen, der Kreidespiele schwierig macht; genauso wie ein Gejubel über eine Bastelidee und die Verlängerung von beliebten Programmpunkten.

Und wenngleich es holprig, gern spontan und nicht perfekt lief, so hatten wir es am Ende gemeinsam über die Bühne gebracht. Wir hatten kreiert, getobt und geschaffen. Wir haben uns näher kennengelernt; einander und uns selbst. Ich erlebte die Kinder, wie sie lachten, stritten und weinten, stolz ihre Basteleien präsentierten, jubelten wenn sie sich auf den Kuchen freuten oder einen Moment still dasaßen, Musik lauschten und zeichneten. Wie ich sie wahrnahm, lehrte mich eine nicht unbedeutende Lektion, die ich auf mich selbst bezogen nie glauben wollte. Dass das bloße Sein eines Menschen und der Wille, ein guter Mensch zu sein, wichtiger sind als Leistung und Fähigkeiten.

Aber auch das konnte nur wachsen dank der Zeit.

Vieles habe ich zum ersten Mal gemacht. Seien es bestimmte Mahlzeiten zu kochen, Bodaboda zu fahren oder Reisen planen und umzusetzen. Bis ich es tat, konnte ich nicht wissen, ob ich es kann. Mit der Zeit festigte sich mein Zeitvertrauen. Kriechen heute die Zweifel in meine Gedanken, dann spüre ich sie, höre ihnen zu und kann dann sagen: Lass etwas Zeit vergehen. Es wird sich fügen. Vielleicht kann Zeit nicht alles fixen, aber eine ganze Menge.

Und was schmerzhaft bleibt und nicht repariert werden kann, wird Zeit zu einer weichen Narbe verblassen lassen und vielleicht eine neue Lektion hinterlassen.

Manchmal sind die Veränderungen und das Wachstum so langsam, dass es kaum bemerkbar ist. Also trete ich einen Schritt zurück und sehe es an den Kleinigkeiten, an der Lockerheit, wie ich meine Haare abschneide und es mir gleich ist (denn sie wachsen mit Zeit).

Von einer außergewöhnlichen Frau…

Am 08. März 2025 verabredete ich mich mit Purity, einer der Hausmütter des PLCC. Wir nahmen uns beide ungestörte Zeit, setzten uns in den Schatten vor unserem Haus und ich bat sie, mir zu erzählen; von sich, von ihrer Arbeit, von ihrem Leben. Unser Gespräch zeichnete ich in ihrem Einverständnis auf und tippte es im Nachhinein ab. Ihre Erzählungen kürzte und übersetzte ich. Die Geschichten, die sie erzählt, ihre Gedanken und Ansichten sprechen für sich.

Wer bin ich und wie kam ich ins PLCC?

Mein Name ist Purity Mukami Abigael. Ich bin vierundvierzig Jahre alt und nun seit fast zwei Jahren im PLCC.

Wir hatten eine Bekanntgabe in unserer Kirche, dass dort eine Hausmutter gebraucht wird. (…) Wir wussten, dass es ein Ort ist, an dem unter anderem Waisenkinder und Kinder mit schwieriger Vergangenheit leben. Als ich also hörte, dass die Anzeige von dort kam, wusste ich: Das will ich tun. Denn vor einigen Jahren war ich eine alleinerziehende Mutter. Ich habe mich alleine um meine und die Kinder meiner Schwester gesorgt. Gott war immer da für mich. Ich fragte mich: „Was kann ich tun, um zu würdigen, was Gott für mich getan hat?“ (…) Zwar habe ich nicht viel Geld oder andere Gaben, die ich der Kirche geben kann, aber das kann ich tun, um Gott zu zeigen, dass ich dankbar bin. Referentin Agnes trug mir auf, einen Brief zu schreiben. Das war 2019. 2019 verging, 2020 verging, 2021 verging. Ich hatte den Brief schon vergessen. Doch im März 2023 erhielt ich einen Anruf von Referentin Agnes. Ich traf unsere Direktorin Mary Mchana in Nairobi. Wir besprachen alles Nötige und wann anzufangen sei. Einerseits war ich aufgeregt und voller Vorfreude: Ja, ich hatte es geschafft! Andererseits fragte ich mich, was mit meinen
Kindern geschehen würde. Mein Mädchen war in der ersten und mein Junge in der dritten Klasse. Wer würde sich um sie kümmern?

Ich suchte unsere Evangelistin auf und erzählte ihr von meinem Kummer; wer würde für meine Kinder da sein? Ich wäre weit fort von ihnen, wie würde das sein? Sie sprach zu mir: „Mach dir keine Sorgen. Ich bin hier. Ich werde ihre Mutter sein.“ Ich war so dankbar. Für wahr, Gott wollte, dass ich dies tue. Ich war glücklich.

Was sind meine Aufgaben und wie sieht mein Arbeitsalltag aus?

Das Wichtigste ist die Betreuung der Kinder und die Sorge um ihre Gefühle. Das ist die größte Aufgabe. Ich habe realisiert, dass das Verhalten einiger der Mädchen darin begründet liegt, wo sie herkommen und was sie durchgemacht haben. Also ist es meine Aufgabe, mich um ihre emotionale Sicherheit zu kümmern, indem ich sie verstehe und auf sie eingehe, sodass sie stabil werden. Natürlich sorge ich mich auch um sie, indem ich für sie koche und ihnen die Liebe einer Mutter gebe.

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die emotionale Stabilität auch mit der Förderung ihrer Begabungen verknüpft ist. Üben wir gemeinsam für eine Aufführung, hilft es ihnen. Sie vergessen ihre Vergangenheit. Sie konzentrieren sich. Dreißig Minuten sind genug und wir sind durch. Sie haben alles verstanden. Das macht mich so glücklich und ich fühle mich ermutigt. Jede Woche bereiten wir etwas vor. Wenn die Kinder in der Schule sind und ich die Hausarbeiten erledigt habe, muss ich für die Woche etwas Neues suchen; denn ich weiß, sie wollen etwas Neues lernen, was wir donnerstags in der Morgenandacht oder am Sonntag in der Kirche präsentieren können. Das motiviert mich.

Was liebe ich an meiner Arbeit? Was motiviert mich?

Was ich liebe und was mich am meisten erfüllt, ist, diese Mädchen zu sehen. Sie sind
glücklich, sie haben keinen Stress, sie fühlen sich wohl; das gibt mir ein Gefühl von: Ja, ich habe es geschafft! Ich habe es für meinen Gott getan. Und das ist mein Motto, das ist mein Thema, das ist mein Stolz; zu sehen, dass es ihnen gut geht, denn ich kann ihnen nichts anderes geben.

Wie fühlt es sich an, eine so lange Zeit so weit weg von der Familie zu sein?

Das ist eine sehr herausfordernde Frage. Manchmal vermisse ich sie sehr. Wie – wie jetzt. Ich habe sie seit dem 28. Dezember nicht mehr gesehen. Es ist manchmal so schwierig… so schwierig. Letzte Woche habe ich erfahren, dass mein Drittgeborener – er lebt in Nairobi und arbeitet mit seinem Bruder –, dass sie einen Streit hatten. Ich musste alles übers Telefon regeln. Ich musste sie beraten; alles übers Telefon. Und dann ging mein Guthaben leer und ich konnte nicht einmal mit ihnen reden. (…) Ich betete für sie.
Am nächsten Morgen erfuhr ich vom Erstgeborenen, dass sie das Problem gelöst hatten. Gott hat es für mich getan. Weil ich zu ihm gesprochen hatte: „Ich bin weit weg von ihnen. Ich sorge mich um diese Kinder. Bitte, Gott, tu es für mich.“

Über meine Kindheit…

Ich wurde in eine Familie mit sechs Kindern geboren. Ich bin die Zweitgeborene. Meine
Mutter verstarb 1998, als ich sechzehn Jahre alt war. Mein Vater ging zu seiner zweiten
Frau, als meine Mutter starb, und wir wurden zurückgelassen. Meine ältere Schwester
heiratete. Nun war ich die Erstgeborene für meine anderen Geschwister. Also habe ich mich um sie gekümmert. Meine jüngste Schwester war zwei, der eine Bruder vier, der
andere war in der sechsten und meine andere Schwester in der siebten Klasse. Ich hatte
eine sehr schwierige Zeit. Ich zog los, um nach etwas zu essen zu suchen, um irgendeine
Arbeit zu finden, damit wir einfach irgendwas bekommen.

Ich gab mein Bestes und Gott war da für mich. Denn nie kam eine Zeit, in der ich nicht
handeln konnte. Mein Vater zahlte die Schulgebühren für die Familie. Aber woher sollten die Bücher kommen? Die Kinder brauchten Radiergummis, Stifte und so weiter. Das lag alles an mir. Unsere Nachbarin sah, wie ich kämpfte, und wollte mir helfen. Sie ging zu
einer Organisation, die sich um Waisenkinder und Kinder in schwierigen Situationen kümmert.
Am ersten Tag kamen sie mit Essen, sie nahmen Informationen auf und versicherten
uns, sie würden sich um die Schule kümmern, um ein gutes Haus für uns, um alles, was
nötig sei. Doch am nächsten Tag – keine Ahnung, wie die Nachricht ihn erreicht hatte –
ging mein Vater ins Büro der Organisation und sagte ihnen: „Nein, ich bin am Leben. Niemand hat sich um meine Kinder zu kümmern, solange ich lebe.“ Als ich davon erfuhr, war mein höchstes Stresslevel erreicht. Und ich war wütend. Ich konfrontierte meinen Vater: „Wie konntest du uns das antun? Du ernährst uns nicht. Du tust nichts für uns. Und sobald wir jemanden finden, der uns helfen kann, zerstörst du alles. Vater, ich habe mein Bestes getan, aber bitte: Nimm dein Bündel.“ Schweren Herzens gab ich ihm meine Geschwister. Doch meine Stiefmutter sah nicht ein, warum sie sich um die Kinder einer anderen Frau kümmern sollte.

Was hätte ich tun sollen? Ich nahm sie wieder zu mir. Mein Gedanke war: „Jetzt werde ich sterben“ Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Unsere Evangelistin besuchte uns, um zu sehen, wie es uns erging. Ich erzählte ihr von unserer Geschichte. Sie sprach zu mir: „Du kannst nie wissen, warum Gott es so entschieden hat. Doch bist du jemals hungrig ins Bett gegangen?“ Ich sagte ihr: „Nein.“ „Weil Gott immer für uns da ist.“ Und dann sagte sie mir: „Gott wird immer für dich da sein. Mach dir keine Sorgen. Gott wird für dich da sein.“ Sie munterte mich auf, wir sprachen viel und sie versprach, für uns da zu sein. Meine Geschwister wuchsen heran und gingen weiter zur Schule. (…)

Über meine Ehe…

Als ich heiratete, ging ich in eine neue Hölle. Meine Schwiegermutter konnte mich nicht in Frieden lassen. Sie missbilligte mich sehr. Sobald mein Ehemann zu ihr kam, erzählte sie Schlechtes über mich und verbreitete Lügen. Ich hätte dieses und jenes getan, ich hätte dieses und jenes gesagt. Es war wie die Hölle. Eines Tages bat ich ihn: „Bitte, ich flehe dich an. Hör deiner Mutter zu, aber entscheide. Du selbst kannst überlegen und verstehen, wann sie die Wahrheit spricht und wann sie Falsches sagt. Wenn es ein Problem gibt, komm, lass uns zusammensetzen und selbst eine Lösung finden. “
In jener Nacht wurde ich geschlagen. Ich wurde von meinem Ehemann geschlagen. Ich würde seine Mutter nicht sehen wollen, ich würde weder ihm noch seiner Mutter zuhören, ich würde sie nicht respektieren. Er sagte so viel Schlechtes. Ich dachte: „Mein Gott, wenn es dein Wunsch ist, dass ich in dieser Ehe bleibe, bitte, lass diesen Menschen sich ändern.

Und bitte, wenn es nicht dein Wunsch ist, bitte, mein Gott, ebne mir einen Weg, dass ich aus diesem Gefängnis fliehen kann und nie wieder zurückkehre.“

Das war nicht das Ende. Bei jeder Kleinigkeit, die er fand, wurde ich geschlagen und geschlagen. Schließlich sagte mein Erstgeborener: „Mutter, lass uns gehen. Unser Vater schlägt dich jeden Tag, jede Zeit. Das finden wir nicht gut. Er wird dich umbringen und wenn du stirbst, wo bleiben wir dann?“ Zu diesem Zeitpunkt war er sieben Jahre alt.
Eines Abends kam mein Mann nach Hause und sprach zu mir: „Ich will dich aus meinem Haus, jetzt. “ Stell dir vor, ich fühlte kein bisschen Kummer. Ich sagte: „Danke Gott!“ Er würde mir nicht nachkommen, denn er war es, der sagte, ich solle meine Habseligkeiten nehmen und gehen. Ich fragte ihn, ob es wirklich sei, was er wolle. Er sagte: „Ja.“ Ich konnte kaum glauben, dass er es war, der sprach. Aber ich erinnerte ihn: „Niemals, niemals, niemals wage es, mir nachzukommen. Versuch es nicht!“ Ich nahm meine Sachen und meine Kinder. (…)

An dieser Stelle ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Puritys jüngster Sohn blieb zunächst bei seinem Vater und sie rang und kämpfte, um ihr Kind zu sich zu holen. Es war nicht nur der Wunsch einer Mutter, die ihr Kind über alles liebt, sondern auch ihr Wille und Ehrgeiz, ihrem Sohn Bildung zu ermöglichen; der Vater behauptete, er habe kein Geld, um den Jungen zur Schule zu schicken. Und obwohl Purity selbst nichts in den Taschen hatte, schaffte sie es mit Unterstützung lieber Mitmenschen; sie
behauptete sich im Rechtsstreit und bekam das Sorgerecht für ihren Sohn. Und allen Hindernissen zum Trotz ermöglichte sie ihm den Besuch der Schule.

Ich kämpfte. Und lass mir dir sagen, von da wurde ich nie gebrochen. Wenn ich an meine
Zukunft denke und mich daran erinnere, wie Gott für mich da war, fühle ich so viel Glück,
dass ich mich um diese Kinder hier kümmere. Denn das ist das Größte und Wichtigste, was ich für Gott tun kann. Denn von da an, obwohl es Höhen und Tiefen gab, war Gott immer und immer für mich da. Da war immer jemand, der mir geholfen hat. Natürlich machen die Kinder mal Sachen, die mich furchtbar fühlen lassen. Aber ich muss sie verstehen und mich an unsere Verbundenheit erinnern. Ich muss ihnen vergeben, damit wir weitermachen können. (…) Es gibt Einiges, was sie nie bekommen haben, als sie aufwuchsen. So bin ich wie ihre Mutter. Es ist meine Aufgabe, es ihnen zu geben. Ich
muss ihnen zeigen, was der nächste Schritt ist, was das richtige ist.

Nun realisiere ich, dass da etwas hinter dem, was Gott getan hat, steckte, als ich durch all das durchmusste. Ich wurde vorbereitet. Denn eines Tages sollte ich hier ankommen.
Und ich weiß: Nichts ist unmöglich. Nichts ist unmöglich unter Gottes Augen. Wenn die Kinder manchmal etwas falsch machen, setzen wir uns zusammen und reden. Und nach etwas Zeit realisieren sie, was sie getan haben, war falsch und sie kommen und sagen: „Mutter, es tut uns leid. Wir bitten um Vergebung und werden es nicht wieder tun.“ (…)
Wenn wir ein Problem haben, müssen wir nach der Ursache suchen. Denn wenn wir den Ursprung nicht ergründen, wird das Problem kein Ende finden. Also setzen wir uns zusammen und reden.

Über meine Ausbildung…

Ich betete, dass ich eines Tages meine Ausbildung wieder aufnehmen könnte; damals
konnte ich nicht atmen. Ich konnte nicht zur Schule gehen. Doch ich sagte immerzu, eines Tages, wenn meine Kinder mit der Schule fertig wären, würde ich wieder zur Schule gehen. 2021 gab es eine Mitteilung in unserer Kirche, dass die Regierung ein Bildungsprogramm starten würde. Ich schloss mich der Klasse an. (…) Wir bestanden unser Exam 2023, als ich hierher kam (…), wo ich auch eine psychologische Ausbildung begann.

Ich danke Gott, denn diese hat mir viel weitergeholfen. Sei es nur, mich zu beruhigen, und zu wissen, alles – so schlimm es auch sein mag – mit Fröhlichkeit anzunehmen, denn womöglich steckt etwas dahinter; ein Problem, von dem Gott möchte, dass wir es lösen. Nächstes Jahr möchte ich mit dem Kurs fortfahren, denn ich habe erkannt, wie wichtig diese psychologische Bildung ist – sogar für mich selbst.

Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblicke und darauf schaue, wo ich jetzt stehe, möchte ich gerne sagen…

Mein Fazit ist: In meiner Vergangenheit hatte ich nichts. Doch jeder Abschnitt, durch den ich gegangen bin, war Teil einer Vorbereitung. Nun bin ich etwas Präsentables. Ich kann andere ermutigen, ich kann Hoffnung spenden, ich kann meine Familie versorgen. Ich kann Menschen, die bedürftig sind, etwas geben. Meine Vergangenheit war eine Vorbereitung für meine Zukunft.

Purity erzählte noch bei weitem mehr; wie ihr so viele Menschen aus dem Dorf halfen, ihrem Sohn die Schulgebühren zu finanzieren und Kleidung für seine Schuluniform zu beschaffen; wie sie voller Energie und Freude in der Kirche sang und sich engagierte; wie sie den Sohn ihrer jüngeren Schwester als ihren eigenen aufnahm, als die Ehe dieser zerbrach.

Wenn man diese Frau so sieht, kann man kaum glauben, wie ihre Vergangenheit
ausgesehen haben muss. Selten trifft man Menschen mit solcher Liebe, Klugheit und Weisheit. Und trotz ihrer lebhaften Erzählungen fällt es mir persönlich mit einer solch anderen Lebensrealität schwer, mir auszumahlen, wie ihre Welt aussah. Menschen können Inspirationen sein; als sie selbst und mit ihren Geschichten umso mehr. Wir können viel von Purity lernen; über Vertrauen; wahre Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, wenn es am meisten darauf ankommt; und darüber, nicht zu verzweifeln und aufzugeben, sondern Lösungen zu suchen und zu handeln, selbst wenn die Welt unlösbar düster zu sein scheint.

„In China Essen alle doch Reis!“

Die Klischees und Unterschiede zwischen dem Norden und Süden Chinas 

Wenn wir über China reden, ist vielen Leuten gar nicht bewusst, wie groß und vielfältig das Land ist. 

In Gesprächen bringe ich gerne den Vergleich:

„China ist ähnlich groß wie Europa und allein die Provinz in der ich meine Einsatzstelle habe (Gansu) ist größer als Deutschland. (Die Provinzen könnte man im deutschen den Bundesländern gleichsetzen.) 

Insgesamt besteht China aus 23 Provinzen und fünf autonomen Regionen. 

Die Diversität und Vielfalt Chinas lässt sich unmöglich in einem Blogbeitrag festhalten. 

Dennoch möchte ich ein paar Klischees über China, und vor allem Klischees über den Norden und Süden Chinas aufgreifen und darüber sprechen was an ihnen dran ist und wie ich sie wahrgenommen beziehungsweise wahrnehme. 

Dabei möchte ich mich vor allem auf zwei Provinzen beziehen, nämlich Yunnan und Gansu. 

An diejenigen, die meinen letzten Beitrag gelesen haben, die wissen schon, dass meine Mama aus China, um genauer zu sein aus Yunnan, kommt.

 Aus diesem Grund konnte ich schon einige (tolle) Erfahrungen und Erinnerungen als Kind hier in Yunnan sammeln. 

Desweiteren, sind gerade Ferien, die ich hier in Yunnan verbringe. 

Als Vergleich zu Yunnan (Süd-China) möchte ich mich auf die Provinz Gansu beziehen, die ich als zweites zu Hause hier in China betrachte. 

Gansu liegt im Norden Chinas, zwischen der Wüste Gobi, dem tibetischen Hochplateau und Xinjiang. 

Sie ist vom Gelben Fluss geprägt und weite Teile der Provinz sind gekennzeichnet durch Wassermangel. 

Gansu ist ein zentrales Bindeglied der Seidenstraße, auch deshalb leben dort unterschiedlichste Ethnien und Minderheiten. 

Die meisten ethnischen Minderheiten in China leben jedoch in den westlichen und südwestlichen Regionen des Landes, insbesondere in den Provinzen Yunnan, Guangxi (Süden), Guizhou (Süden), Xinjiang (Norden), Tibet und der inneren Mongolei. 

(In diesen Provinzen ist die Bevölkerungsdichte der Minderheiten deutlich höher, als in den anderen Teilen Chinas.) 

Doch warum leben gerade insbesonders in Yunnan so viele Minderheiten? 

Yunnan ist geschichtlich betrachtet eine entscheidende Landbrücke gewesen, über die immer wieder verschiedene Gruppen (Völker) aus dem heutigen Südchina nach Süd-Ostasien migrierten/auswanderten. 

Yunnan war/ist ein unvermeidlicher Knotenpunkt der südlichen Seidenstraße, die Sichuan (China) mit Indien verbindet und somit eine wichtige politische, militärische und historische Rolle darstellt. 

Meine Familie gehört nicht nur zu Dai-Minderheit, sondern hat auch „Anteile“ von anderen Minderheiten wie Lisu, etc..

In Dehong sind die beiden größten Minderheiten Dai und Jingpo. 

Die Dai gehören zu den Thai-Völkern und sind während ihrer Wanderung nach Süd-Ostasien hier geblieben. 

Sie leben vor allem in den Ebenen und praktizieren Reis-Anbau. 

Die Jingpo kamen vom tibetischen Plateau und wohnten traditionell in den benachbarten Bergen. 

Ihr wichtigstes Fest ist das Munao Zongge Fest in Dehong, meiner Heimat in Yunnan Mangshi, welches 15 Tage nach dem chinesischen Neujahr jährlich gefeiert wird. 

Es ist eines der wichtigsten Feste in der Jingpo Kultur und wird auch von ein paar anderen Minderheiten gefeiert. 

Munao Zongge wird als ,,Tanz in Maß“, oder ,,Tanz ins Paradies“ übersetzt. Früher hat man es vor allem vor einem wichtigen Kampf , nach einem Sieg oder einer guten Ernte gefeiert. 
Ich liebe dieses Fest und habe auch schon als Kind zweimal mitgetanzt.

Ähnlich wie in vielen anderen Ländern, gibt es auch viele Vorurteile und Klischees was den Norden und Süden Chinas betrifft.

 Doch was ist an den Klischees dran? Und was genau unterscheidet die ,,Südchinesen“ von den ,,Nordchinesen“? 

Als erstes muss man erwähnen, dass es keine klare geographische Grenze gibt, die den Norden vom Süden abgrenzt. Oft nimmt man die Einzugsgebiete zwischen Yangtze (Süd-China) und Gelber Fluss (Nord-China) als Grenze. 

(Alles was über dem Fluss ,,liegt“ zählt somit zu Nordchina und alles was ,,drunter liegt“ zu Südchina. 

Aufgrund der großen Ausdehnung von Nord nach Süd, von West nach Ost und der großen Höhenunterschiede kommen in China fast alle Klimate vor. 

In den nördlichen Teilen Chinas sind die Winter oft lang, kalt, trocken und oft unter dem Gefrierpunkt. 

An meiner Einsatzstelle beträgt die Temperatur im Winter oft um die -20 Grad sogar tagsüber. 

Der Sommer ist auch lang, heiß und trocken,  aber dafür sind die Übergangszeiten sehr kurz. 

In den südlichen Regionen, insbesonders in Yunnan, herrschen subtropische Klimabedingungen.

 In meiner Heimatstadt, Manghsi, liegt die Temperatur im Winter bei durchschnittlich 15/20 Grad. Aber Yunnan ist besonders im Sommer vom Monsum mit seinen vielen Starkregen geprägt. 

Gerade die unterschiedlichen Klimate lassen sich unter anderem in der Architektur widerspiegeln. 

Im Norden, wo das Klima rauer, kälter und trockener ist, wird die Architektur vor allem durch Baumaterialien wie Stein und Ziegel geprägt. 

Diese bieten nämlich mehr Schutz vor der Kälte und dem Schnee. 

Im Süden hingegen setzt man eher auf Materialien wie Holz und Bambus. Diese kommen nicht nur reichlich in der Natur vor, sondern ermöglichen gleichzeitig auch eine authentische Anpassung and die Umgebung. 

(Früher, denn heutzutage setzt man wie in vielen anderen Ländern auf Beton und einen moderneren Baustil.) 


Ein weiterer Unterschied der nicht nur zwischen Nord- und Südchina, sondern in allen Teilen erkennbar ist, ist die Sprache

Die allgemeine Amtssprache in China ist Mandarin. Die Realität ist aber, dass in den verschiedenen Provinzen unterschiedliche Dialekte gesprochen werden, die sich sehr stark vom Hochchinesisch unterscheiden. 

Ich vergleiche dies gern mit den Unterschieden zwischen Deutsch und Schweizerdeutsch, bzw. Dänisch. 

Allein in den Provinzen Yunnan und Gansu gibt es eine Vielzahl an Dialekten. 

In meiner Einsatzstelle habe ich mich mit ein paar Lehrer*innen über die Dialekte unterhalten. Sie alle sind in der Provinz Gansu aufgewachsen und meinten, dass selbst sie enorme Probleme haben den Dialekt („Hezhenghua“ im deutschen Hezhengsprache zu verstehen, der in meiner Stadt Hezheng gesprochen wird, da sie selbst mit anderen Dialekten aufgewachsen sind. 

Doch es ist nicht nur die Vielfalt der Sprache, der Kultur, des Klimas, der Architektur und noch vieles mehr, welches China so vielfältig und einzigartig macht, sondern auch das Aussehen der Menschen. 

Eigentlich schon paradox, dass ich diesen Punkt ansprechen muss. Aber nicht nur in meiner Kindheit, sondern auch jetzt noch höre ich leider sehr oft das Klischee: „In China sehen alle Menschen gleich aus“. 

Nein! Das tuen sie nicht! 

Ironischerweise finden auch viele Chinesen, dass wir „Europäer alle gleich aussehen“, welches wir wahrscheinlich überhaupt nicht bestätigen würden. 

Es gibt aber leider ein paar Vorurteile, die sich anscheinend nur schwer aus der Welt zu schaffen lassen. 

Ein weiteres Vorurteil über das Aussehen, welches man immer wieder hört, ist die Aussage, dass die Menschen im Norden größer sein sollen? 

An dem Klischee ist aber was dran. Tatsächlich ist die Durchschnittsgröße sowohl von Männern, als auch Frauen im Norden höher, als im Süden Chinas. 

Ein letzter großer Punkt auf den ich noch eingehen möchte ist das Essen, denn bekanntlich geht die ,,Liebe ja durch den Magen“. 

Doch essen alle in China nur Reis? 

In China herrschen eine Vielzahl an unterschiedlichen Küchen. Offiziell gibt es 8 traditionelle Küchen, die sich nicht nur am Kochstil, sondern auch in den Zutaten unterscheiden. 

In Gansu im Norden essen viele Leute sehr gerne Weizen oder Nudelgerichte. Im Süden hingegen setzt man viel mehr auf Reis. 

Doch warum ist das so? 

Das liegt vor allem am Klima und der damit möglichen Agrarwirtschaft. Ein damit verbundenes ,,Klischee“ ist, dass sich die unterschiedlichen Anbauweisen auf die Mentalität der Menschen ausgewirkt haben soll. 

Kurzgefasst sagt man, dass man früher zum Bewässern von Reisfeldern eine Vielzahl an Menschen benötigt habe, beziehungsweise ein ganzes Dorf. 

Das heißt die Menschen waren auf die Hilfe von anderen angewiesen, was dazu führte, dass die Südchinesen tendenziell im Kollektiv denken mussten. 

Im Norden hingegen konnte man aufgrund des Klimas nur auf den Weizenanbau zurückgreifen.     Die Ernte von Weizen schafft ein Bauer auch „alleine“, was dazu führte, dass die Menschen im Norden dazu tendieren individuell zu denken. 

Was ich auf jeden Fall dazu sagen kann ist, dass die Menschen in Gansu noch jetzt trotz der Globalisierung noch sehr gerne Nudeln und Weizen essen. 

Meine Freunde in Hezheng sagen immer zu mir: „Ich könnte 3-Mal am Tag Nudeln essen, aber niemals 3-Mal am Tag Reis“.

 (Allein in der Schulkantine meiner Schule, kann man neben dem Reis jeden Tag zwischen fünf unterschiedlichen Nudelgerichten wählen. ) 

Zum Schluss möchte ich nochmals erwähnen, dass mir bewusst ist, dass es noch viel mehr Unterschiede und Klischees gibt auf die man eingehen könnte, wie zum Beispiel die Kultur, die Religion, das Aussehen und vieles mehr…. 

Leider ist es aber nicht möglich diese in einem so kleinen Rahmen zu erläutern, da es dem Thema und den Menschen nicht gerecht werden würde. 

Ich bin aber sehr dankbar einen so tollen Einblick in die zwei Provinzen zu bekommen und allein diese Vielfalt der zwei Provinzen so hautnah mitzuerleben. 

Ich möchte mich von euch damit verabschieden indem ich das Eingangsklischee,  („In China essen alle doch Reis“) aufgreife, um es als Metapher weiter zu nutzen. 

„Nein, nicht alle Chinesen essen Reis“. 

Das PLCC – ein Zuhause für viele Menschen

Grandios, heiß, sonnig, lustig, erfahrungsreich, genussvoll. All diese Worte beschreiben meinen ersten Kenia-Urlaub. Gemeinsam mit meiner Schwester Paula ging es an die Küste, wo uns ein Meer aus Licht und eine Welle an Moskitos erwartete. Wir sprangen in die Wellen und tauchten zusammen mit den Fischen und Krabben zwischen Algen und Korallen.

Meine Schwester Paula und ich in einem Mangobaum-Kanu auf dem Kongoriver

Obwohl es eine tolle Zeit war und ich die dortigen Momente als besondere Erinnerungen in mein Herz einschließen werde, war es ein eigenartig schönes Gefühl, als meine Schwester und ich uns auf den Rückweg nach Rongai machten, ich die bekannten Straßen wiedersah und wir schließlich am Tor zum PLCC standen.

Es war das Gefühl, nach Hause zu kommen. Schon die ersten Schritte auf dem Gelände und erst recht das Wiedersehen mit den Menschen des PLCC, das Umarmen und gemeinsame Lachen erfüllte mich mit Glück. Das PLCC scheint an manchen Tagen überquellen von diesem Glück. So geht es nicht nur den hier lebenden Menschen. Was sagte meine Schwester doch gleich, als sie das Gelände zum ersten Mal mit eigenen Augen sah? „Das ist hier ja ein richtiges Paradies!“ Doch im Grunde steckt noch so viel mehr dahinter.

Blick auf das PLCC von unserem Balkon aus

Es begann in den 90er Jahren mit der Gabe von Brot und Milch an Straßenkinder. Nun bietet das PLCC einen Wohnort für vierzig bis fünfzig Mädchen in Ongata Rongai und ermöglicht ihnen den Schulbesuch. Das Pangani Lutheran Children Centre als Hilfsprojekt der Kenya Evangelical Church hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen aus den Slums und von den Straßen Nairobis einen Ort zu bieten, an dem sie sicher sind, Chance auf Bildung haben und sich zuhause fühlen können.

Auf dem Gelände selbst befindet sich eine Primary School, durch deren Sein und Wirken bereits das Ziel des PLCC erfüllt wird, die Mädchen in die Regelschullaufbahn zu integrieren und ihnen formelle Bildung zu ermöglichen. Direktor dieser Schule ist Teacher Bosiri. Zusammen mit Teacher Esther, Teacher Rose, Teacher Belinda und Teacher Jakob unterrichtet er an der Maalum Schule Kinder der Stufen eins bis sechs und im Kindergartenalter. Ebenso besuchen Kinder außerhalb des Geländes die Schule. Die Teacher lehren ein Basiswissen von Mathe über Agrarwirtschaft, Naturwissenschaften hinzu Englischunterricht und sind bemüht, eine Lesekultur aufzubauen, indem Kurzgeschichten und Bücher sowohl auf Englisch als auch auf Swahili in den Unterricht eingebaut werden. Bei den Kleinen stehen zwar die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen im Fokus, wenn gleich ebenso priorisiert wird, dass die Kinder genug Freiraum erhalten, um zu spielen, mit Händen und Füßen zu bauen und zu kneten und neue wie alte Lieder zu lernen. Kennt ihr „Simama kaa “? Ich kannte diesen Song bereits aus Deutschland, kommen tut er doch aus Tanzania und wird auf Swahili gesungen.

An dieser Stelle ist schon erkennbar, dass es auch um informelle Bildung geht; um Lernen, Erfahren, Ausprobieren, im Team arbeiten. Es mangelt den Mädchen absolut nicht an sozialer Kommunikation und Interaktion. In den Pausen wird Fußball gespielt, geschaukelt und gerutscht. Ich persönlich bin auch großer Fan des Spiels „Extender“ geworden, bei dem alle Mitspieler eine Spanne – durch Stöcker am Boden festgelegt – springend überqueren müssen, wobei nur der „Extender“ in der Lage ist, die Spanne in jeder Runde zu erweitern.

Die Mädchen sind kreativ und genau das wird neben Fertigkeiten, die sie abseits der Schule sich aneignen, wie Kleidung waschen, Essen kochen und Putzen, gefördert. Gerade in der Ferienzeit gaben wir im PLCC alles, um den Kids Raum und Zeit zu bieten, sich zu entfalten und auszuprobieren. Da wurde gespielt, gebastelt und getanzt. Backrezepte, die wir probierten, lernten die Kinder auswendig, um sie daheim ihren Familien zeigen zu können.

Ein anderes unserer Projekte war das Kreieren einer Wimpelkette: Ein Gemeinschaftsprojekt, zu dem jede ihren individuellen und eigenen Teil beigetragen hat. Viele Einzelteile führten zusammen zu einem wunderschönen Ganzem, das die Kirche in ein neues Licht stellte.

Dort in der Hall, wo auch die Gottesdienste stattfinden, kommt es hin und wieder zu kleinen bis größeren Vorstellungen der Mädchen. Zu Anlässen wie Feiertagen, wenn Gäste zu Besuch sind oder beispielsweise die Christmas-Party am Ende letzten Jahres, bevor die Kinder nach Hause zu ihren Familien gefahren sind, präsentieren sie Tänze, Poems oder singen vorm Publikum. Zu solcherlei Festtagen beteiligen sich auch stets die Hausmütter, sowohl bei der Unterstützung der Kinder als auch bei… quasi allem.

Ohne Purity, Tabitha, Patience und Rose wäre das PLCC nicht das PLCC. Die 37 Mädchen leben hier auf dem Gelände eine lange Zeit ohne ihre Familie oder haben keine Familie mehr. Die Hausmütter kümmern sich nicht nur darum, ihnen nahrhafte Mahlzeiten, Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung bereitzustellen, sie sind auch zu ihrem Schutz da, für ihre emotionale Stabilität.

Natürlich ist dahingehend die Arbeit der Sozialarbeiterinnen Beryl und Charity ebenso bedeutsam. Doch bezieht sich deren Arbeitsfeld eher auf das Büro, die Koordinierung von Besorgungen, die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Gesundheitszentren für die Sicherstellung der Gesundheit der Mädchen und die generelle Verwaltung. Bei konkreten Anliegen oder Problemen sind sie ideale Ansprechpartnerinnen für die Kinder und können eine neue Perspektive bieten und aus einer anderen Position heraus agieren.

Geht es jedoch um den Alltag, um ein wenig Trost, die üblichen Streitigkeiten untereinander oder einfach nur darum, jemandem vom besten Erlebnis des Tages zu erzählen, dann sind es die Hausmütter, die zur Stelle sind. Eine kleine Wamboi, die am ersten Tag nach den Ferien erstmal unter einem umstürzenden Regal landet, braucht eine feste Umarmung gegen den Schock und ein Kühlpack gegen die Beule. Allein der Name erklärt ihre Rolle und Funktion im PLCC. Sie kochen, lesen vor und erzählen Geschichten, hören zu, kümmern sich, umarmen, sie lieben die Mädchen vom ganzen Herzen wie ihre eigenen Kinder. Dabei ist jede von ihnen für eines der vier Häuser zuständig, die in einem großen Gebäude auf dem Gelände koordiniert sind; Tabitha für das blaue Haus mit den kleinsten, Purity für das orangene und Patience für das grüne. Im gelben Haus wohnen die ältesten Mädchen, die vieles schon selbstständig organisieren. Mom Rose ist eine großartige, ältere Dame, die über viele Jahre diesen 24/7 Job ausgeführt hat, sich nun langsam zurückzieht und für die dieses Jahr auch das letzte im PLCC sein wird.

Nicht zu vergessen sind natürlich auch Stephen, der Hausmeister, unterstützt von Moses. Die beiden übernehmen Aufgaben, die ich aufgrund mangelnder Kenntnisse gar nicht so recht verstehe. Elektrizität, der Kampf gegen das immerzu wachsende Gras, die Pflege der Ziegen und des Gartens und so weiter und so weiter. Auch Joseline ist so eine Wächterin über das ganze Gelände. Hauptsächlich ist sie für das Putzen zuständig, aber niemand kann behaupten, dass ihre täglichen energiegeladenen Begrüßungen nicht gewaltig zur guten Laune der Menschen beitragen und sie nicht ebenso eine innige Beziehung zu den Kindern führt. So viele Persönlichkeiten bilden diesen besonderen Ort und diesen Geist.

Nichtsdestotrotz zieht es nicht wenige der Mädchen zu ihren Familien. Dementsprechend ist der Kontakt zu ihnen für sie wie für das PLCC von hoher Bedeutung. Solcherlei Angelegenheiten liegen auch im Verantwortungsbereich der Social worker und des Office. Zu den Zielen des Projekts zählt, die Gesamtsituation der Familien zu verändern und die Kinder mit ihren Familien zusammenzuführen. Was für ein unglaublicher Tag es war, als die Kinder von ihren Eltern abgeholt wurden, um mit ihnen, ihren Geschwistern, Tanten und Onkels, Großeltern, Cousinen und Cousins die Feiertage zu verbringen. So viele Tränen, Sorgen und Zweifel, ob alles glatt gehen wird und so viel Strahlen, als die Mutter zum Abholen erschien. Susan, eine weitere Sozialarbeiterin des PLCC, die jedoch nicht auf dem Gelände in Rongai arbeitet, legte sich an diesem Tag mächtig ins Zeug.

Das ist letztlich der Kern. Die Mädchen, ihr Glück und ihre Zukunft stehen im Zentrum des PLCC. Sie sind das Herz, die Idee, der Antrieb für all die Menschen hier. Bei der Christmas Party Ende letzten Jahres richteten ehemalige PLCC-Girls ein paar Worte an das Publikum. Da waren Lehrerinnen dabei, Sozialarbeiterinnen, Angestellte; mutige, selbstbewusste Frauen, die unabhängig auf zwei eigenen gesunden Beinen im Leben standen. Sie sind der lebendige Beweis für das, was das PLCC bewirken kann; dass es eine Chance auf ein besseres Leben bieten kann. Von wohl kaum einer anderen Person werden die Werte des Projekts mehr getragen als vom Kopf des PLCC: Mary Mshana. Sie strahlt die Überzeugung aus, dass jedes Mädchen ein einzigartiges Individuum mit grenzenlosem Potenzial ist, das es verdient hat, zu träumen, zu lernen, Talente zu entdecken und zu entwickeln. Genau dafür schafft sie eine Umgebung. Das PLCC verändert das Leben der Mädchen; die Mädchen verändern die Welt.

Lust auf einen Spaziergang?

Um zu verstehen, wie ein Mensch lebt, reicht es nicht, Momentaufnahmen zu betrachten. Es reicht nicht, die Orte, Plätze und Situationen unter die Lupe zu nehmen, die wie Zeitinseln den Alltag markieren. Das Dazwischen, die Wege, sind ebenso entscheidend. Wie komme ich von einer Insel zur nächsten, von einer Situation in die andere?

Ein Vorhaben in Nairobi ist allein schon deshalb ein Abenteuer, weil mir auf meiner Reise dorthin so vieles vor die Nase kommt. Das geht schon los, bevor ich überhaupt das Gelände des PLCC (Pangani Lutheran Childrens Centre) verlasse. Denn trete ich aus der Haustür und schlendere an den Häusern der Mädchen, der Schule und der Hall vorbei, ist es fast unmöglich, den Mädels nicht zu begegnen und sich wilde Umarmungen abzuholen.

Blick vom Balkon unserer Wohnung auf das PLCC- Gelände
Blick auf den Nationalpark und Nairobi

Kaum habe ich das Tor passiert, erwartet mich ein überragender Anblick; der Nationalpark erstreckt sich über die Weite und in der Ferne ist deutlich die Skyline Nairobis zu entdecken. Geht man hier, am Rande des Nationalparks, spazieren, geschieht es nicht selten, dass die Grenzen zwischen den Menschen und der Wildnis verschwimmen; Antilopen, Zebras und Giraffen kreuzen einem den Weg. Was einerseits einem Wunder gleichkommt, birgt andererseits ebenso Schattenseiten. Dass die Großstadt Nairobi und die Wildnis des Nationalparks lediglich durch einen Zaun getrennt werden, führt zuweilen zu Konflikten zwischen den Menschen und den Tieren. Besonders die Wanderrouten der Huftierherden sind gefährdet. Und nicht nur das bedroht die wilde Seite Kenias. Klimawandel, die Verschlechterung der Lebensräume, die Abholzung der Wälder, die Volatilität des Tourismusmarktes, veränderte Landnutzungen, Wildtierkriminalität und und und und und. So vieles gefährdet die Wildtiere und die Artenvielfalt in Kenia und auf der ganzen Welt. Umso mehr erscheint ein Ort wie der Nationalpark Nairobis hoffnungsspendend. Löwen, Leoparden, Geparden, Strauße, Flusspferde, Gazellen, Gnus, Büffel… Nur einige der rund 80 Säugetier- und ganzen 500 Vogelarten. Nicht erwähnt hier die Spitzmaulnashörner. Für diese ist der Nationalpark eines der erfolgreichsten Schutzgebiete in Kenia und einer der seltenen Orte, an denen sie in natürlicher Umgebung anzutreffen sind (Ich selbst hatte das Glück).

Nashörner
Aufnahmen vom 15.09.2024

Vor Jahrzehnten war die Art in Zentral-Kenia durch Wilderer ausgerottet und in ganz Kenia stark bedroht. Mitte der 80er Jahre waren von ursprünglich 20.000 nur noch 350 Nashörner übrig. Zum Zeichen gegen Wilderei ließ 1989 Präsident Daniel Aral Moi öffentlich im Nationalpark Elfenbein im Wert von 760.000 US-Dollar verbrennen. Seither haben sich die Bestände ein wenig durch intensive Schutzmaßnahmen erholt. Die Gefahr des Aussterbens ist jedoch noch nicht gebannt. Ziel ist es, die aktuelle Anzahl von 1.000 Spitzmaulnashörnern innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu verdoppeln, was laut Wildhütern einer Populationsgröße entsprechen würde, die vor dem Aussterben bewahrt werden könnte.

Masai Lodge Road

Auf der fortführenden Strecke blühen Büsche und Blumen am Straßenrand. Ich kann mich darauf gefasst machen, entweder in Staubwolken zu geraten, wenn vorbeifahrende Autos oder Bodabodas den Dust des Weges aufwirbeln, oder nasse Füße zu bekommen, wenn in der zuvorigen Nacht mal wieder der Himmel aufgebrochen ist und Regenstürze auf die Erde fallengelassen hat.

Doch ab der Schranke der Masai Lodge Road ist zu merken, dass man dem Innenleben Ongata Rongais näherrückt. Die Straße ist asphaltiert, lokale Supermärkte und Marktstände tauchen am Straßenrand auf und zahlreiche Tuctucs,  Autos, Bodabodas und Schleppesel ziehen die Hügel hinauf und hinunter.

Tuctucs an der Kreuzung Masai Lodge und Magadi Road

Je weiter ich wandere, desto lebendiger wird dieses Treiben. Es ist ebenso der Weg zu unserem Lieblings-Marktstand bei Nancy. Hier kaufen wir stets unser Obst, Gemüse und – nicht zu vergessen – eine ungeheure Anzahl an Eiern ein. Auch wenn der Weg zum Einkaufen recht weit ist (man braucht etwa 30-40 Minuten zu Fuß bis zu Nancys Stand), ist es immerzu ein schönes Gefühl, einer bekannten Person zu begegnen und warmherzig begrüßt zu werden. Ein Stückchen weiter stehen schon die Matatus an der Magadi Road, die nach Nairobi fahren. Wann welches Matatu abfährt? Nun, das weiß niemand so recht. Wenn der Bus voll ist, geht es los. So viel steht fest. Also ein Päckchen Geduld und Gelassenheit einpacken – was ebenso für die Fahrt selbst gilt. Denn abhängig vom Verkehr ist die Fahrtzeit in die Innenstadt mal 40, mal 90 Minuten lang. Universitäten wie die Multimedia-University, Malls sowie Gärten und Parks fliegen an mir vorbei. Ziegen und Baboons streunen zwischen den Palmen am Straßenrand hindurch. Schließlich ist da Nairobi; mit seinen Hochhäusern, seiner Weite und den Slums.

„Kibera“ bedeutet Dschungel. Es ist der größte Slum Nairobis; die Anzahl der Menschen kann nicht so recht erfasst werden, doch Schätzungen gehen von etwa 700.000 bis 800.000 Menschen aus. Auf zwei Hektar leben damit etwa 71.000 Menschen. Der enge Raum, kombiniert mit der Verschmutzung durch Abfälle, Abwässer und Fäkalien, treibt die Krankheitsrate in die Höhe. Armut, Gewalt und Kriminalität prägen die Region.

Diese Informationen konnte ich im Internet zu diesem Gebiet zusammentragen. Besonders faszinierend war auch zu lesen, dass die Menschen in „Wellblechhütten“ hausen würden. Was assoziierst du mit einer solchen Beschreibung? Wirst du in deinem Weltbild bestätigt?

Der Einfluss unserer Sprache auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist enorm. Wir hören „Wellblechhütte“ und denken an einen armseligen Ort, an hungernde Kinder und düstere Lebensumstände. Bilder in unserem Kopf, die wieder und wieder aufgegriffen und reproduziert werden, sodass unsere Lebenswirklichkeit wieder und wieder bestätigt wird. Dabei ist es nie so klar und einfach. Solche Sprachbilder sind Konstrukte mit Ursprung in der Zeit europäischer Eroberung und Kolonialisierung. Sie gründen sich auf eine Gesellschaft, in der eine rassistische Ideologie und Hierarchie bestand. Noch heute ist diese in unserer Sprache verankert und damit auch unbewusst in unserer Wahrnehmung. Die Realität ist jedoch bei weitem komplexer.

Es wird von der Armut, dem Leid und der Kriminalität berichtet, aber nicht von den ganz normalen, liebenswürdigen Menschen, die dort kochen, arbeiten, lachen, in der Sonne dösen, leben. Vor kurzem fand in Kibera die sogenannte Kibera Arts Parade statt. Wir waren etwas spät dran, aber es war ein schöner, sonniger Tag und die Leute konnten uns den Weg zur Veranstaltung weisen. Dort angekommen führten verschiedene Künstler*innen, Kinder- und Jugendgruppen vorbereitete Präsentationen auf. Die Veranstaltung war voller Leben, Kreativität und Wohlwollen füreinander. Die Gruppen turnten und tanzten Afrobeats wie verrückt, andere sangen oder trugen Poetry vor wie das dreizehnjähriges Mädchen Wamboi, das ihr Herz in einem Gedicht zu gender-based violence ausschüttete. Eine Gruppe junger Mädchen und Frauen bot eine Modenschau dar. Die Kleidungsstücke hatten sie aus Resten und Zeitschriften selbst angefertigt und etwas völlig Neues kreiert. Der Nachmittag zeigte mir eine der vielen Seiten der Slums wie ich sie noch nie gehört oder gesehen hatte; Gemeinschaft, Spaß, Stärke, Intelligenz, Selbstvertrauen, Ehrgeiz und ein Miteinander.

Turngruppe Kibera Arts Parade

Dann ist da noch der Weg durch die Zeit. Ein Weg, der so lang ist und sich doch als fix zu wandern herausstellt. In den letzten sieben Wochen durften Chrissy und ich das Ferienprogramm für die Mädchen erarbeiten. Für diesen Pfad durch die Zeit bin ich schlicht und einfach dankbar. Ein bisschen wehmütig blicke auf die letzten Wochen zurück; wünsche mir fast, dass dieser Weg noch ein Stückchen länger gegangen wäre. Es war sicherlich auch steinig an nicht wenigen Stellen. Bei 37 Mädels ist es kaum zu verhindern, dass keine Konflikte entstehen. Aber gleichzeitig bargen all jene Herausforderungen so viel Wachstum für die Kinder und nicht zuletzt für uns und führten dazu, dass wir und die Mädels uns einen riesigen Schritt aufeinander zubewegt haben. Natürlich war das Programm selbst ein großer Spaß; wir werkelten und tüftelten, backten und spielten.

Sammeln von Blumen und Blättern für ein Naturmobile

Aber auch hier ist der Weg, das Dazwischen das Ziel. Wie kam es nur dazu, dass – ganz entgegen unserer eigentlichen Planung – am Halloween-Mottotag uns auf einmal bunte, wilde Fratzen begegneten? Die Mädchen hatten eigenständig angefangen, sich zu bemalen und sogar ihre Haare mit Farbe zu verzieren.

Es war nicht das einzige Mal, dass sie auf ihre erstaunliche und einzigartige Weise bewiesen, wie kreativ und fantasiereich sie doch sind. Es war nicht das einzige Mal, dass sie uns nur durch ihr Sein belehrten. All die Momente im Dazwischen, die kleinen Spielereien, die Gespräche und Konfliktlösungen knüpften ein Band zwischen uns und den Mädchen.

.Nun ist ein Drittel des Weges bereits vorüber. Auf die weiteren zwei Drittel blicke ich voller Hoffnung und Zuversicht. Geht man aufmerksam seinen Pfad, entdeckt man so vieles am Wegesrand. Lektionen über das Land, das man besucht; Inspirationen, sich selbst neu zu entdecken, wenn nicht gar zu erfinden. Man geht nicht mehr einfach einen Weg. Man beginnt, die Umgebung zu beobachten und lernt, sie zu verstehen.

Kiribati 2024-25 ^^Wad ne Ankunft :P

Gehen im Wasser = Watscheln

Die Zeit ist gekommen, die letzten Monate Revue passieren zu lassen. Bei dieser Aufgabe habe ich gemerkt wie schwierig es ist die Moment zu bewerten. So fällt es mir schwer zu entscheiden, welche Momente mir geholfen haben, welche Herausforderungen zu groß für mich waren, welche Aufgaben ich bewältigen konnte und welchen Gefahren ich aus dem Weg gegangen bin. So war bereits die Anreise ein Abenteuer wie kein Anderes. Eine meiner längsten Reisen, die ich je hatte. Über verschiedene Kontinente an einen Ort, von dem ich vor der Bewerbung bei der Nordkirche noch nichts gehört hatte. Das ganze Abenteuer fing an, als wir in Frankfurt gegen 21:50 Uhr unsere Familien verabschiedeten.

Aussicht aus dem Flugzeug

Ungewiss, wo die Reise uns hinführt und trotzdem voller Vorfreude, dass es ein Abenteuer wird. Worauf wir uns eingelassen hatten, wussten wir nicht und trotzdem hatten wir eine klare Vorstellung davon, was uns erwartet.

Auf der langen Reise von Frankfurt über Abu Dhabi, über Sydney, nach Fidschi, bis schließlich Kiribati erreicht wurde, wurde uns immer deutlicher, dass wir keine Idee hatten worauf wir uns eingelassen hatten.

Doch die wirkliche Einsicht kam erst, als wir in Kiribati landeten. Als wir aus dem Flugzeug ausgestiegen sind, hatte uns erstmal die Hitze erwischt. Die drückende, Super heiße, tägliche Hitze von Süd Tarawa. Jonathan und ich waren Erschöpft in den ersten paar Minuten des Ankommens.

Unsere besten Freunde

Nachdem wir die Visums und Passkontrolle und die Gepäckkontrolle erfolgreich überlisten konnten, holte uns ein Mitarbeiter der KUC in einem luxuriösen Auto ab. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass diese Person später zu einem unserer besten Freunde auf dieser Insel wird. Nachdem ich die ersten Etappen beschrieben habe, möchte ich über die Gedanken und Gefühle reden, die mich seit der Ankunft begleiten.

Selbsterklärend

Was mich wieder und wieder beschäftigt, ist die isolierte Lage des Atolls. Das ist wirklich erstaunlich und immer wieder beängstigend, dass man mitten im Pazifik auf einem Atoll lebt. Zusätzlich ist Betio einer der bevölkerungsdichten Orte der Welt. Trotz einer so hohen Bevölkerungsdichte gibt es wenig zu machen für die persönliche Freizeitbeschäftigung. Dadurch kommt viel Langeweile und Einsamkeit auf. Anfangs war die Einsamkeit am stärksten, weil ich kaum Kontakt zu den Menschen vor Ort hatte. Glücklicherweise besteht eine gute Verbindung zum Internet. Diese ermöglicht es uns, sehr leicht mit den Verwandten und den Geliebten in der Heimat zu kommunizieren, wodurch die Einsamkeit schnell bei Telefonaten vergeht. Der Umgang mit der Langeweile stellt für mich immernoch eine der größten Herausforderungen dar. Es ist eine Art der Unterforderung in Verbindung mit einer Alternativlosigkeit, welcher ich in meiner Heimat noch nie begegnet bin. Sehr eindrucksvoll und erschöpfend.

te Kollege

Eine weitere Herausforderung stellt die Versorgungslage dar. Weil die Insel aus Koral Sand besteht und kaum nährstoffreichen Boden hat, werden die allermeisten Produkte importiert. Diese importierten Produkte beschränken sich jedoch meistens auf Konserven, Süßigkeiten und Haushaltsgegenständen in einer sehr beschränkten Auswahl. Auf der Suche nach frischen Lebensmitteln bleibt man bei Äpfeln, Orangen, Bananen, Mais, Aubergine, Paprika und PakChoi häng. Was eine zusätzliche Herausforderung darstellt ist die Größe der kulturellen Unterschiede. So können wir kaum die Sprache und es gibt keine mobilen Übersetzungsmöglichkeiten. Manche Verständnisse der Kultur entstehen durch Fehlschritte.

Was macht diesen Ort aber so besonders und warum bin ich immer noch davon überzeugt, dass ich hier bin? Die Menschen! Jedes einzelne Lächeln mit jedem einzelnen Menschen auf der Straße wird erwidert. Jede Freude im Leben wird mit Allen geteilt. Viele Menschen hier nehmen sich selber nicht so ernst, und haben den Mut, über sich selber zu lachen. Quasi eine Selbstverständlichkeit in Kiribati. Erst durch diese große Offenheit entsteht eine so tiefe Verbindung zu dem Menschen vor Ort, wenn man die Zeit mit den Menschen teilt.

Das Lehrerkollegium

Die Menschen aus Kiribati haben mit das größte Herz welches ich je erleben durfte. Sie sind bereit, alles zu geben, was Sie besitzen, um anderen Menschen zu helfen. Was ich sogar glaube ist, dass sie manchmal bereit sind, mehr zu geben als sie besitzen, um anderen Menschen zu helfen. Auch wenn der erste Eindruck erstmal distanziert scheint, sind die allermeisten einfach nur interessiert und neugierig, haben jedoch manchmal Probleme sich auf Englisch auszudrücken. Und sobald man auch nur einmal um Hilfe fragt, kommt direkt ein vielfaches von dem was man braucht.

Lehrer-Tag Feier mit den guten Bre’s

Viele Menschen aus Kiribati Leben in extremer Armut, haben wenig Möglichkeiten an ihre Zukunft zu denken, wenig Möglichkeiten ihre Zukunft zu planen und kaum Möglichkeiten, sich etwas aufzubauen. Alle sind aber bereit zu teilen. Und alle sind immer bereit zu geben. Selbst Menschen, die ich nur einmal treffen durfte, die ich wahrscheinlich niemals wieder sehen würde, haben mich herum gefahren, mir versucht zu helfen und haben versucht mir den Weg zu weisen. Das ist es, was ich hier wieder und wieder erlebe. Die Großzügigkeit aller Menschen, Freude zu teilen, ihr Hab und Gut zu teilen und den Gästen die Zeit so erfüllt wie möglich zu machen. Ich glaube nicht, dass sie wirklich wissen wie es uns geht, aber wahrscheinlich verstehen sie uns doch besser als wir am Anfang geglaubt hatte.  

Kam Rabwa

Zwei Monate, zwei Länder, und viele Eindrücke

Meine Reise hat nun vor 2 Monaten begonnen. Je nach Tagesstimmung frage ich mich, wie diese zwei Monate so schnell vergehen konnten und gleichzeitig, wie ich so vieles in nur zwei Monaten erleben konnte. Unter anderem habe ich mehr als nur ein Ankommen an einem neuen Ort erlebt.

Erstes Ankommen – Argentinien

Mein erstes Ankommen war nicht direkt in Uruguay, sondern zunächst in Buenos Aires. Dort nahm ich gemeinsam mit anderen Freiwilligen aus den Einsatzländern Argentinien und Paraguay an einem zweiwöchigen Einführungsseminar der IERP (Iglesia Evangélica del Río de la Plata), unserer Partnerorganisation, teil. Neben einem Spanischkurs wurden wir in diesem Seminar auf die uns bevorstehende Zeit vorbereitet. Zusätzlich hatten wir die Möglichkeit, einige schöne Orte und Märkte in Argentinien zu entdecken, und sind natürlich direkt in den Genuss von Mate und Empanadas gekommen. Während dieser Zeit wohnte ich mit elf weiteren Freiwilligen in einer WG im Zentrum von Buenos Aires.


Obwohl ich von vielen anderen Freiwilligen umgeben war, die sich in derselben Situation wie ich befanden, fiel mir das Ankommen dort nicht leicht. Die neue Sprache, die fremden Orte, die vielen neuen Eindrücke und das ständige Zusammensein mit anderen – kombiniert mit dem Vermissen meines vertrauten Alltags – waren anfangs eine große Herausforderung für mich. Emotionen, die ich so von mir nicht kannte und auch nicht erwartet hatte, da ich noch nie wirklich Heimweh verspürt habe. Doch am anderen Ende der Welt fühlt sich plötzlich alles etwas anders an.

Dennoch sind die zwei Wochen voller Neuheiten schnell vergangen, und ehe ich mich versah, saß ich mit meinen Mitfreiwilligen aus Uruguay im Bus von Buenos Aires nach Montevideo.

Zweites Ankommen – Uruguay

Um 6 Uhr morgens in Montevideo angekommen, wurden wir am Busbahnhof von unserem deutschsprachigen Ansprechpartner vor Ort in Empfang genommen. Bevor wir unser neues Zuhause beziehen konnten, mussten wir uns aber noch ein wenig gedulden. Bei einem gemeinsamen Frühstück in der Kirche haben wir unsere argentinische Mitbewohnerin kennengelernt und gönnten uns, völlig erschöpft, ein kurzes Nickerchen auf den Kirchenbänken.

Für das kommende Jahr werde ich mit vier anderen Freiwilligen aus Deutschland, einer Freiwilligen aus Argentinien und einer aus den USA in einer WG leben. Unser Haus liegt nur fünf Minuten vom Strand entfernt, was unglaublich angenehm ist. Nach einem anstrengenden Tag gehe ich gerne am Strand spazieren, telefoniere dort mit Familie und Freunden oder wir sitzen gemeinsam bei Sonnenuntergang im Sand zum Karten spielen. 

Drittes Ankommen – Hogar Amanecer

In diesem Jahr arbeite ich gemeinsam mit zwei Mitfreiwilligen im Hogar Amanecer, einem Heim für Kinder im Alter von 5 bis 18 Jahren. Unser erster Arbeitstag folgte kurz nach unserer Ankunft in Montevideo. Wir wurden morgens von einer Arbeitskollegin mit ihrem Auto abgeholt. Völlig gespannt und aufgeregt saß ich auf der Rückbank – immer mal wieder abgelenkt von dem rasanten Straßenverkehr in Uruguay. Ich war froh darüber, dass immerhin das Auto einige Geräusche von sich gab, denn auf die Fragen unserer zukünftigen Arbeitskollegin konnten wir aufgrund unseres gebrochenen Spanisches – wenn überhaupt – nur kurz antworten. Im Kinderheim angekommen haben wir einige Mitarbeiter, den Koch, sogar die Hündin und den Kater kennengelernt. Nur kein Kind war zu sehen, was mich vorerst verwirrte. Es lag jedoch daran, dass die Kinder in der Schule waren. Nach und nach kamen sie wieder und haben uns voller Freude begrüßt. Man wurde direkt zum Malen, Haare flechten oder UNO spielen aufgenommen. 


Die Tage sind zwar oft anstrengend – das dauerhafte Nachdenken über die Sprache und das neue Arbeitsleben zieht viel Kraft – aber wir leben uns allmählich ein, finden unsere Aufgaben und ein Tag vergeht wie der nächste. Einmal die Woche haben wir uns vorgenommen, mit den Kindern zu backen – ein kleines Ritual, das uns allen Freude bereitet. 

Brezeln

Ankommen im Alltag

Nach sechs Wochen leben in Montevideo, konnte ich dank bekannten Hobbys, alten Essgewohnheiten (Haferflocken zum Frühstück = guter Start in den Tag) und einem täglichen Arbeitsablauf langsam in meiner Routine ankommen.

An einem typischen Wochentag verlasse ich gegen 9 Uhr das Haus Richtung Bushaltestelle, da mein Arbeitstag um 10 Uhr beginnt. Vormittags, wenn wenige bis keine Kinder da sind, sortieren wir oft Kleiderschränke der Kinder, räumen Zimmer auf oder fegen und wischen den Boden. Den übrigen Morgen nutzen wir häufig, um Aktivitäten zu planen oder auch weiter Spanisch zu lernen. Gegen Mittag holen wir die ersten Kinder von der Schule ab und der Nachmittag gestaltet sich mit den verschiedensten Aktivitäten wie Fußball spielen, Basketball spielen, Malen, Basteln, Backen, usw…

Um 18 Uhr endet der Arbeitstag, und etwa eineinhalb Stunden später bin ich wieder zu Hause. Wenn ich noch genügend Energie habe, gehe ich spazieren oder ins Fitnessstudio. Ansonsten gibt es Abendbrot und dann ab ins Bett.


In den letzten 2 Monaten habe ich nun schon so viel erleben dürfen und doch habe ich das Gefühl, dass das Abenteuer gerade erst begonnen hat. Ich bin gespannt auf die kommenden Monate und freue mich darauf, Euch davon zu berichten.

Moin Kapstadt

Am 16. August bin ich in Kapstadt angekommen. Es ging vom deutschen Sommer in den windigen südafrikanischen Winter trotzdem konnte ich mich mittlerweile einigermaßen einleben. Obwohl es einige Startschwierigkeiten wie Bettwanzen in der WG und einem frühen Kratzer im Auto vom Einparken gab, fühle ich mich in Kapstadt immer wohler.

Meine Arbeitsstelle

Meine Arbeitsstelle, die New World Foundation, hat zwei wichtige Standorte, in denen ich eingesetzt werde: zum einen den Center wo die Arbeit mit Kindern stattfindet, und zum zweiten die Farm, wo ein Agrar-Kurs angeboten wird. Im Moment bin ich immer abwechseld einen Tag im Center und einen Tag auf der Farm.

Im Center arbeite ich den Vormittag immer in der ECD (Early Childhood Development), das ist der Kindergarten. Dort spiele ich mit den Kindern oder helfe ihnen beim Basteln. Die Kinder bereiten sich im Moment auch auf eine Show vor, die im November stattfinden soll. Dafür lernen sie alle einen Tanz. Und ich bringe meiner Kindergartengruppe auch „alle meine Entchen“ bei, dass sollen Kinder dann bei ihrem Auftritt versuchen zu singen. Da der Tag immer recht durchgetaktet ist, ist es mir am Anfang relativ schwergefallen, mich einzubringen. Außerdem ist es schwierig, die Kinder zu verstehen, weil sie oft eine Mischung aus Afrikaans und Englisch sprechen. Leider haben sich meine Afrikaans-Kenntnisse noch nicht deutlich gebessert, seit ich hier bin. Das plane ich aber noch zu ändern. Am Nachmittag im Center nehmen wir manchmal am „Year beyond“-Programm teil. Dies beinhaltet 25 junge lokale Freiwillige, die Schulkinder unterstützen, die versetzungsgefährdet sind. Die Freiwilligen bringen die Kinder zur Schule, machen Hausbesuche bei den Eltern und geben ihnen Nachhilfe. Außerdem werden die Kinder über Themen wie Drogen oder Umgang mit Notfällen von den Freiwilligen aufgeklärt. Dabei gehe ich mit in die Schulen für die Hausaufgabenhilfe oder einfach für die Bespaßung der Kinder. Manchmal bieten wir auch einfach Unterhaltungsprogramme außerhalb der Schule an für die Kinder, die nicht mehr in die Schule gehen. Außerdem muss ich seit neustem auch einen Computerkurs leiten, der jungen Menschen den Umgang mit Word, Excel oder PowerPoint näherbringen soll. Damit starte ich ab nächster Woche.

Auf der Farm nehmen wir an einem Agrar-Kurs Teil. Dieser bringt Leuten aus der Umgebung den Umgang mit Anbauen, Ernten und Verkauf von Gemüse bei und ist auch mit einer Zertifizierung verbunden. Der Kurs hat mit relativ viel Theorie begonnen, ist aber nun auch praktisch und die ersten Setzlinge wurden eingepflanzt. Der Kurs soll drei Monate lang dauern und dabei neben landwirtschaftlichen Fähigkeiten auch den Umgang mit Computern und wirtschaftliches Denken fördern. 

Die Gewalt

Was mich wirklich in den ersten Monaten nach meiner Ankunft beschäftigt hat, ist die Gewalt hier. Es ist erschreckend, wie viel Gewalt man hier miterlebt, oder vor allem, wie normal es hier für die meisten Anwohner geworden ist. An das Geräusch von Schüssen zum Beispiel hat man sich schon langsam gewöhnt. Aber vor allem welche Geschichten man hier hört, ist erschreckend – besonders, mit welcher Leichtigkeit diese erwähnt werden. So wird zum Beispiel im Nebensatz berichtet, dass vor ein paar Tagen eine Frau erschossen wurde, die nichts mit Kriminalität zu tun hatte, sondern von den Angreifern verwechselt wurde. Vor allem hat mich die Geschichte einer Arbeitskollegin entsetzt, die kaum älter ist als ich. Sie erzählte, dass sie vor ein paar Jahren gesehen hat, wie eine komplette Familie vor ihr erschossen wurden. Sie schilderte auch, dass die Kinder sehr viel Angst hatten. Was mich noch mehr geschockt hat als die Geschichte an sich, war mit welcher Kühle sie dieses so schreckliche Erlebnis erzählte. Es ist erschreckend sich vorzustellen, was eine Person hier schon alles an Gewalt erlebt haben muss, damit eine solches Erlebnis gar nicht mehr nahe geht.

Aber der Höhepunkt für mich war, als wir einmal im Rahmen des „Year beyond“-Programm unterwegs waren. Wir sind in die Community gegangen, um eines der Spaßprogramme für die Kinder anzubieten, die nicht mehr in die Schule gehen. Als wir dann dort auf einem Parkplatz saßen und mit ein paar Kindern spielten, kamen mehrere Personen über die Straße gelaufen. Plötzlich warnte uns einer der lokalen Freiwilligen, unser Handy wegzutun, und dann hieß es, wir sollen rennen und alle liefen weg. Später wurde uns erklärt, dass diese Leute so gelaufen seien, als würden sie Waffen tragen, und wahrscheinlich nach jemanden gesucht hätten. Zum Glück kam es aber nicht dazu, dass geschossen wurde. Und wieder fand ich es besonders befremdlich, mit welcher Leichtigkeit alle reagiert haben: Die lokalen Freiwilligen rannten zwar weg, fingen aber dabei an zu lachen, weil einer ihrer Freunde dabei ausgerutscht war. Beim Rückblick am Ende der Woche wurde bei den Highlights, die die lokalen Freiwilligen jede Woche sammeln das Ereignis als „the amazing race Ben & Lou“ benannt.