Grandios, heiß, sonnig, lustig, erfahrungsreich, genussvoll. All diese Worte beschreiben meinen ersten Kenia-Urlaub. Gemeinsam mit meiner Schwester Paula ging es an die Küste, wo uns ein Meer aus Licht und eine Welle an Moskitos erwartete. Wir sprangen in die Wellen und tauchten zusammen mit den Fischen und Krabben zwischen Algen und Korallen.

Obwohl es eine tolle Zeit war und ich die dortigen Momente als besondere Erinnerungen in mein Herz einschließen werde, war es ein eigenartig schönes Gefühl, als meine Schwester und ich uns auf den Rückweg nach Rongai machten, ich die bekannten Straßen wiedersah und wir schließlich am Tor zum PLCC standen.
Es war das Gefühl, nach Hause zu kommen. Schon die ersten Schritte auf dem Gelände und erst recht das Wiedersehen mit den Menschen des PLCC, das Umarmen und gemeinsame Lachen erfüllte mich mit Glück. Das PLCC scheint an manchen Tagen überquellen von diesem Glück. So geht es nicht nur den hier lebenden Menschen. Was sagte meine Schwester doch gleich, als sie das Gelände zum ersten Mal mit eigenen Augen sah? „Das ist hier ja ein richtiges Paradies!“ Doch im Grunde steckt noch so viel mehr dahinter.

Es begann in den 90er Jahren mit der Gabe von Brot und Milch an Straßenkinder. Nun bietet das PLCC einen Wohnort für vierzig bis fünfzig Mädchen in Ongata Rongai und ermöglicht ihnen den Schulbesuch. Das Pangani Lutheran Children Centre als Hilfsprojekt der Kenya Evangelical Church hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen aus den Slums und von den Straßen Nairobis einen Ort zu bieten, an dem sie sicher sind, Chance auf Bildung haben und sich zuhause fühlen können.
Auf dem Gelände selbst befindet sich eine Primary School, durch deren Sein und Wirken bereits das Ziel des PLCC erfüllt wird, die Mädchen in die Regelschullaufbahn zu integrieren und ihnen formelle Bildung zu ermöglichen. Direktor dieser Schule ist Teacher Bosiri. Zusammen mit Teacher Esther, Teacher Rose, Teacher Belinda und Teacher Jakob unterrichtet er an der Maalum Schule Kinder der Stufen eins bis sechs und im Kindergartenalter. Ebenso besuchen Kinder außerhalb des Geländes die Schule. Die Teacher lehren ein Basiswissen von Mathe über Agrarwirtschaft, Naturwissenschaften hinzu Englischunterricht und sind bemüht, eine Lesekultur aufzubauen, indem Kurzgeschichten und Bücher sowohl auf Englisch als auch auf Swahili in den Unterricht eingebaut werden. Bei den Kleinen stehen zwar die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen im Fokus, wenn gleich ebenso priorisiert wird, dass die Kinder genug Freiraum erhalten, um zu spielen, mit Händen und Füßen zu bauen und zu kneten und neue wie alte Lieder zu lernen. Kennt ihr „Simama kaa “? Ich kannte diesen Song bereits aus Deutschland, kommen tut er doch aus Tanzania und wird auf Swahili gesungen.
An dieser Stelle ist schon erkennbar, dass es auch um informelle Bildung geht; um Lernen, Erfahren, Ausprobieren, im Team arbeiten. Es mangelt den Mädchen absolut nicht an sozialer Kommunikation und Interaktion. In den Pausen wird Fußball gespielt, geschaukelt und gerutscht. Ich persönlich bin auch großer Fan des Spiels „Extender“ geworden, bei dem alle Mitspieler eine Spanne – durch Stöcker am Boden festgelegt – springend überqueren müssen, wobei nur der „Extender“ in der Lage ist, die Spanne in jeder Runde zu erweitern.
Die Mädchen sind kreativ und genau das wird neben Fertigkeiten, die sie abseits der Schule sich aneignen, wie Kleidung waschen, Essen kochen und Putzen, gefördert. Gerade in der Ferienzeit gaben wir im PLCC alles, um den Kids Raum und Zeit zu bieten, sich zu entfalten und auszuprobieren. Da wurde gespielt, gebastelt und getanzt. Backrezepte, die wir probierten, lernten die Kinder auswendig, um sie daheim ihren Familien zeigen zu können.
Ein anderes unserer Projekte war das Kreieren einer Wimpelkette: Ein Gemeinschaftsprojekt, zu dem jede ihren individuellen und eigenen Teil beigetragen hat. Viele Einzelteile führten zusammen zu einem wunderschönen Ganzem, das die Kirche in ein neues Licht stellte.
Dort in der Hall, wo auch die Gottesdienste stattfinden, kommt es hin und wieder zu kleinen bis größeren Vorstellungen der Mädchen. Zu Anlässen wie Feiertagen, wenn Gäste zu Besuch sind oder beispielsweise die Christmas-Party am Ende letzten Jahres, bevor die Kinder nach Hause zu ihren Familien gefahren sind, präsentieren sie Tänze, Poems oder singen vorm Publikum. Zu solcherlei Festtagen beteiligen sich auch stets die Hausmütter, sowohl bei der Unterstützung der Kinder als auch bei… quasi allem.
Ohne Purity, Tabitha, Patience und Rose wäre das PLCC nicht das PLCC. Die 37 Mädchen leben hier auf dem Gelände eine lange Zeit ohne ihre Familie oder haben keine Familie mehr. Die Hausmütter kümmern sich nicht nur darum, ihnen nahrhafte Mahlzeiten, Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung bereitzustellen, sie sind auch zu ihrem Schutz da, für ihre emotionale Stabilität.
Natürlich ist dahingehend die Arbeit der Sozialarbeiterinnen Beryl und Charity ebenso bedeutsam. Doch bezieht sich deren Arbeitsfeld eher auf das Büro, die Koordinierung von Besorgungen, die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Gesundheitszentren für die Sicherstellung der Gesundheit der Mädchen und die generelle Verwaltung. Bei konkreten Anliegen oder Problemen sind sie ideale Ansprechpartnerinnen für die Kinder und können eine neue Perspektive bieten und aus einer anderen Position heraus agieren.
rechts die Häuser, in denen die Mädchen wohnen
Geht es jedoch um den Alltag, um ein wenig Trost, die üblichen Streitigkeiten untereinander oder einfach nur darum, jemandem vom besten Erlebnis des Tages zu erzählen, dann sind es die Hausmütter, die zur Stelle sind. Eine kleine Wamboi, die am ersten Tag nach den Ferien erstmal unter einem umstürzenden Regal landet, braucht eine feste Umarmung gegen den Schock und ein Kühlpack gegen die Beule. Allein der Name erklärt ihre Rolle und Funktion im PLCC. Sie kochen, lesen vor und erzählen Geschichten, hören zu, kümmern sich, umarmen, sie lieben die Mädchen vom ganzen Herzen wie ihre eigenen Kinder. Dabei ist jede von ihnen für eines der vier Häuser zuständig, die in einem großen Gebäude auf dem Gelände koordiniert sind; Tabitha für das blaue Haus mit den kleinsten, Purity für das orangene und Patience für das grüne. Im gelben Haus wohnen die ältesten Mädchen, die vieles schon selbstständig organisieren. Mom Rose ist eine großartige, ältere Dame, die über viele Jahre diesen 24/7 Job ausgeführt hat, sich nun langsam zurückzieht und für die dieses Jahr auch das letzte im PLCC sein wird.
Nicht zu vergessen sind natürlich auch Stephen, der Hausmeister, unterstützt von Moses. Die beiden übernehmen Aufgaben, die ich aufgrund mangelnder Kenntnisse gar nicht so recht verstehe. Elektrizität, der Kampf gegen das immerzu wachsende Gras, die Pflege der Ziegen und des Gartens und so weiter und so weiter. Auch Joseline ist so eine Wächterin über das ganze Gelände. Hauptsächlich ist sie für das Putzen zuständig, aber niemand kann behaupten, dass ihre täglichen energiegeladenen Begrüßungen nicht gewaltig zur guten Laune der Menschen beitragen und sie nicht ebenso eine innige Beziehung zu den Kindern führt. So viele Persönlichkeiten bilden diesen besonderen Ort und diesen Geist.
Nichtsdestotrotz zieht es nicht wenige der Mädchen zu ihren Familien. Dementsprechend ist der Kontakt zu ihnen für sie wie für das PLCC von hoher Bedeutung. Solcherlei Angelegenheiten liegen auch im Verantwortungsbereich der Social worker und des Office. Zu den Zielen des Projekts zählt, die Gesamtsituation der Familien zu verändern und die Kinder mit ihren Familien zusammenzuführen. Was für ein unglaublicher Tag es war, als die Kinder von ihren Eltern abgeholt wurden, um mit ihnen, ihren Geschwistern, Tanten und Onkels, Großeltern, Cousinen und Cousins die Feiertage zu verbringen. So viele Tränen, Sorgen und Zweifel, ob alles glatt gehen wird und so viel Strahlen, als die Mutter zum Abholen erschien. Susan, eine weitere Sozialarbeiterin des PLCC, die jedoch nicht auf dem Gelände in Rongai arbeitet, legte sich an diesem Tag mächtig ins Zeug.
Das ist letztlich der Kern. Die Mädchen, ihr Glück und ihre Zukunft stehen im Zentrum des PLCC. Sie sind das Herz, die Idee, der Antrieb für all die Menschen hier. Bei der Christmas Party Ende letzten Jahres richteten ehemalige PLCC-Girls ein paar Worte an das Publikum. Da waren Lehrerinnen dabei, Sozialarbeiterinnen, Angestellte; mutige, selbstbewusste Frauen, die unabhängig auf zwei eigenen gesunden Beinen im Leben standen. Sie sind der lebendige Beweis für das, was das PLCC bewirken kann; dass es eine Chance auf ein besseres Leben bieten kann. Von wohl kaum einer anderen Person werden die Werte des Projekts mehr getragen als vom Kopf des PLCC: Mary Mshana. Sie strahlt die Überzeugung aus, dass jedes Mädchen ein einzigartiges Individuum mit grenzenlosem Potenzial ist, das es verdient hat, zu träumen, zu lernen, Talente zu entdecken und zu entwickeln. Genau dafür schafft sie eine Umgebung. Das PLCC verändert das Leben der Mädchen; die Mädchen verändern die Welt.