Sommer, Sonne, Sonnenschein

Das ist vermutlich die erste Assoziation der meisten Menschen mit Brasilien. Dazu kommen noch traumhafte Strände und Megacitys und der Mythos ist komplett. Ich möchte gar nicht behaupten, dass es dieses Brasilien nicht gibt, allerdings waren meine ersten Eindrücke in diesem Land etwas anders.  Es schien mir schon fast so, als wolle dieses Land zunächst mit allen Klischees aufräumen, bevor ich mich hier richtig einleben kann.

Aber bevor ich erkläre, was ich damit meine, müssen wir einen kleinen Schritt zurück an den Anfang machen.

Wir schreiben den 18. August 2023. Knapp einen Monat vorher habe ich noch mein letztes Zeugnis in die Hand gedrückt bekommen und heute stehe ich mit meinen beiden Mitfreiwilligen Julia und Jonathan in Terminal 2 im Hamburger Flughafen und verabschiede mich von meinen Eltern. Was es tatsächlich bedeutet in ein fremdes Land zu reisen, mit der Intention dort auch fast ein Jahr zu bleiben, ist mir zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht klar. Hinter der Sicherheitskontrolle geht es dann zu dritt weiter. Nach einem letzten Kaffee in Deutschland sitzen wir auch schon im Flugzeug. Noch ein letzter Zwischenstopp in Zürich, dabei einen weiteren Brasilienfreiwilligen vom ZMÖ (Moritz) eingesammelt und ein paar Stunden später hetzen wir schon durch den Flughafen von Sao Paulo.  Trotz aller Anstrengungen und drei Stunden Umsteigezeit schaffen wir es nicht rechtzeitig zu unserem Anschlussflug. Nach weiteren fünf Stunden gelingt es uns dann unseren Flug umzubuchen und wir steigen erneut ins Flugzeug. Mit ein paar Stunden Verspätung im Gepäck und ein bisschen erschöpft von der Reise kommen wir dann in Porto Alegre an. Wir werden freundlich von Simone empfangen, unserer Ansprechpartnerin vor Ort, und bekommen in der Unterkunft der ersten Woche, zunächst etwas zu Essen. Selbstverständlich gibt es Reis mit Bohnen.

Jonathan(rechts), Julia(links) und Ich am Hamburger Flughafen

Das Programm beginnt morgens mit Portugiesisch-Unterricht und nachmittags werden verschiedene Themen in weiteren Seminaren behandelt. Neben Besonderheiten wie dem Essen und empfehlenswerten Urlaubszielen muss jedoch auch erneut über das Thema Gewalt und Kriminalität gesprochen werden. Vieles davon haben wir auch auf den Seminaren in Deutschland schon gehört und auch die Tipps bleiben weitestgehend die gleichen. Bleibt wachsam, hört auf euer Bauchgefühl und macht erst recht nichts, was ihr in Deutschland auch nicht machen würdet. Nach nun fast zwei Monaten kann ich auch behaupten noch keine Probleme bekommen zu haben und das, obwohl ich in der Anfangszeit viel alleine in der Stadt unterwegs war.   

Doch nach einer Woche in Porto Alegre geht es dann los. Sehr früh morgens mache ich mich erneut auf den Weg zum Flughafen. Nur wenig später komme ich in Curitiba an, hole mein Gepäck ab und verlasse das Flughafengebäude. Kurz darauf stelle ich dann auch fest, warum ich der Einzige bin, der lediglich einen dünnen Pullover und keine dicke Jacke trägt. Ich bin zwar gewarnt worden, dass es in Curitiba etwas kälter sein kann, aber 8° C kommen mir dann doch ein bisschen sehr wenig vor. Ich ziehe mir also ebenfalls eine Jacke an und warte auf Darcle. Sie leitet das „Projeto Dorcas“  und ist somit auch meine Ansprechpartnerin in der Einsatzstelle. Wir verstehen uns auf Anhieb, was vermutlich nicht zuletzt daran liegt, dass sie gut deutsch spricht. Wir laden mein Gepäck im Studentenwohnheim der FATEV  – meinem neuen Zuhause – ab, meinem neuen Zuhause. Zu meinem Bedauern ich muss feststellen, dass es im Haus nicht viel wärmer ist als draußen. Ich werde also zunächst mit mehreren Decken ausgestattet. Danach gehen wir uns -ebenfalls gemeinsam- im nahegelegenen Supermarkt aufwärmen und kaufen nebenbei noch alles Nötige für die ersten Tage ein. Nachdem wir alles Nötige besorgt haben, geht es für mich zurück in die Unterkunft und plötzlich bin ich das erste Mal allein. Freunde und Familie sind am anderen Ende der Welt und auch meine Mitfreiwilligen sind hunderte Kilometer entfernt im ganzen Land verstreut. Doch ich fühle mich nicht einsam. Vielmehr freue ich mich darauf, diesen Ort zu meiner neuen Heimat zu machen und neue Leute kennenzulernen. Also gehe ich eher mit einem Gefühl von Vorfreude ins Bett.

Straße in Porto Alegre

Am nächsten Tag geht es dann auch schon ins Projekt. Darcle nimmt mich morgens mit und nach einer kurzen Autofahrt sind wir dann auch schon da. Freundlich werde ich von meinen neuen Kollegen empfangen und auch die Kinder scheinen meine Ankunft bereits erwartet zu haben. Bei der morgendlichen Andacht darf ich mich dann auch offiziell vorstellen. Ich gebe also meine neu erworbenen Sprachfähigkeiten zum Besten und werde mit einem gemeinschaftlichem „Bom Dia!“  von den Kindern willkommen geheißen. In den ersten paar Tagen darf ich danach vor allem die Frage beantworten, ob ich Pelle (meinen Vorfreiwilligen) kenne und ob ich sein Bruder bin. Außerdem schaue ich mir in der ersten Woche vor allem die Abläufe an. Dienstags und donnerstags steht vor allem Lesen, Schreiben und Mathe auf dem Plan. Dabei werden die Inhalte meistens mit spielerischen oder kreativen Elementen verbunden. Mittwochs und freitags ist der Schwerpunkt dann vor allem auf Musik gelegt. Neben Trompeten- und Posaunenunterricht wird auch noch Flöte unterrichtet und es gibt einen Chor, sowie eine Band. Als besondere Highlights stehen zudem Robotik und Capoeira auf dem Stundenplan. Samstags treffen sich die Pfadfinder und machen neben dem üblichen Knotenlernen und Teamübungen auch regelmäßig Ausflüge in die Berge oder veranstalten Lager. Es ist cool zu sehen, mit wie viel Freude die Kinder all diese Aktivitäten angehen und sich einbringen.  In den Pausen wird sich die Zeit mit Fußball, Tischkicker, Tischtennis oder Volleyball vertrieben. Nach der ersten Woche bin ich fest in den Ablauf integriert worden und helfe, wo ich kann. Trotzdem die Sprachbarrieren immer kleiner werden, stellt mich die Verständigung immer wieder vor Herausforderungen, doch die Kommunikation mit Händen und Füßen oder einem Englisch-Portugiesisch-Mix lässt einen ganz gut durch den Alltag kommen.

Lehrer Celso mit der ARCO ÍRIS (Regenbogen) Gruppe

Nach der Arbeit oder am Wochenende habe ich mir zunächst mit Kollegen und später auch allein die Stadt angeschaut. Beispielsweise wurde ich relativ schnell von Kollegen in die Oper eingeladen, da sie ein Ticket übrig hatten. Außerdem wurde ich gefragt, ob ich am Wochenende mit in eine Karaoke Bar kommen wolle. Doch auch grüne Flecken hat Curitiba (bei 1,96 Millionen Einwohnern) zu bieten. Von meinem neuen Zuhause aus sind mehrere Parks gut zu Fuß erreichbar und so ein kleiner Ausflug ins Grüne ist doch immer wieder eine willkommene Abwechslung von der Großstadt.

Parque Tanguá in Curitiba

Aber nun zur Überschrift. Wie ich bereits geschildert habe, war von Sonne und Sonnenschein in meiner Anfangsphase hier in Brasilien nicht viel zu sehen. Nachdem ich die erste Woche in Curitiba also frieren musste, entschied sich das Wetter in der zweiten Woche jedoch mehrfach die 30°C Marke zu knacken. Auf die Frage ob solche extremen Schwankungen normal seien, bekam ich eine eher weniger überraschende Antwort: Nein. Es sollte zu dieser Jahreszeit wohl weder so warm noch so kalt sein. Die letzten Wochen haben sich die Temperaturen dann bei 20 bis 25° C eingependelt. Dafür regnet es jetzt, und zwar viel, also sehr viel. Und mit Regen ist auch häufig Gewitter verbunden. So viel Regen ist zu dieser Jahreszeit wohl auch eher unüblich. Man sagt hier oft, an einem Tag in Curitiba erlebt man alle Jahreszeiten einmal. Falls ihr euch jetzt fragt, wie man sich dann morgens richtig für den Tag anzieht, dann habe ich absolut keine Antwort für euch. Morgens habe ich das Gefühl ich hätte doch lieber zwei Pullover anziehen sollen und mittags ist ein einfaches T-Shirt gefühlt schon zu viel.

Beschreibt das Wetter ganz gut

Das Wetter hier hält also, entgegen dem was man normalerweise so erwartet allerhand Überraschungen bereit. Doch eine Sache, die ich im Voraus sehr häufig gehört habe, könnte zutreffender nicht sein: Die Leute hier sind einfach nett. Ob es mein Uber-Fahrer ist, der mich in ein Gespräch auf Englisch verwickelt, die Dame an der Kasse im Supermarkt, die mir erzählt, dass sie ebenfalls Verwandte in Deutschland hat oder meine Kollegen, die mich von Anfang an freundlich empfangen und zu allem mit eingeladen haben. Ich bin diesen Menschen sehr dankbar. Sie alle haben den Anfang hier sehr viel einfacher für mich gemacht, als ich es erwartet hatte.

Ich freue mich sehr auf die Zeit, die noch vor mir liegt und halte euch selbstverständlich regelmäßig auf dem Laufenden.

Soweit von mir… euch alles Gute und bis zum nächsten Mal

Euer Jonathan

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