Wachstum der Partnerkirche in Tansania – was können wir von ihr lernen?

Von links: Mr. Loata Laizer Mungaya, Afrika-Referentin Katharina Davis, Direktor Dr. Christian Wollmann, Bischof Dr. George Fihavango und Pastor Anicet Maganya

Vom 16. – 20. Juni 2023 besuchten drei Gäste aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT) die Nordkirche: Bischof Dr. George Mark Fihavango (Süd Diözese), Pastor Anicet Maganya (Koordinator des Büros des Leitenden Bischofs der ELCT) und Herr Loata Laizer Mungaya (Stellvertretender Generalsekretär der ELCT für Finanzen und Verwaltung).

In den Gesprächen mit den drei kirchenleitenden Personen aus Tansania ging es vor allem um die Frage, welche Faktoren für das Wachstum der ELCT wichtig sind und was die Kirche in Deutschland von der ELCT lernen kann. Während die EKD zwischen 2011 und 2021 16,5% ihrer Mitglieder verloren hat, ist das Wachstum der ELCT ungebremst. Mit ca. 7 Millionen Mitgliedern ist sie aktuell die zweitgrößte lutherische Kirche weltweit. Überall werden neue Gemeinden gegründet, 2022 wurde die 27. Diözese der ELCT eröffnet. In ihrem Strategieplan für 2022-2026 benennt die ELCT nachhaltiges Wachstum als erstes Ziel. Bis 2026 möchte sie eine Million neue Mitglieder gewinnen.

Wie wird mein Glaube für andere sichtbar?

Bischof Dr. George Fihavango betonte, dass die Kirche Antworten auf die aktuellen Fragen der Menschen geben sollte. „Jesus ist die Antwort – das ganze menschliche Leben ist die Frage“, so Dr. Fihavango. Darüber hinaus hält er es für sehr wichtig, dass die kirchlichen Leitungspersonen ein vorbildliches Leben als Christen führen. Sie müssen sich dessen bewusst sein, dass sie ihr Amt, ihre Position in der Kirche nicht wie eine Jacke ablegen können. Sie werden immer, auch in ihrer Freizeit, als Repräsentanten der Kirche wahrgenommen. Wenn ihr Leben der Botschaft des Evangeliums entspricht, wird dies ihrer Predigt und ihrem Wirken Kraft verleihen.

Für alle Christ*innen, so Bischof Fihavango, stellt sich die Frage: Wie werden mein Glaube und meine Frömmigkeit in meinem Leben sichtbar? Bei der Arbeit oder in der Familie ­– woran erkennt man, dass ich Christ bin? Bischof Fihavango hat beobachtet, dass Christen in Deutschland ihre Frömmigkeit oft sehr privat leben und kaum nach außen zeigen. Für andere Menschen ist es daher möglicherweise schwierig, die Attraktivität des christlichen Glaubens zu erkennen. Der leitende Bischof der ELCT, Dr. Fredrick Onael Shoo, habe einmal gesagt: „Solange du denkst, dass dein Glaube eine Privatangelegenheit ist, kannst du nicht erwarten, dass deine Kirche wächst.“ Bischof Fihavango und Pastor Maganya plädierten dafür, Mission und Evangelisation positiver zu betrachten, als dies vielfach in Deutschland der Fall ist. In Tansania haben sie erlebt, dass Menschen durch die Hinwendung zum Christentum von gefährlichen abergläubischen Vorstellungen befreit wurden. Die Deutschen sollten sich ihrer Meinung nach nicht schuldig dafür fühlen, dass deutsche Missionare in Tansania gewirkt haben.

Kirchliche Jugendarbeit ist ein wichtiger Faktor

Der stellvertretende Generalsekretär der ELCT, Herr Loata Laizer Mungaya, betonte insbesondere die Rolle der kirchlichen Jugendarbeit. Er hält es für entscheidend, dass die Jugendarbeit der Kirche auch junge Erwachsene bis 35 Jahre umfasst. Junge Erwachsene, die bereits im Beruf stehen oder eine Familie gegründet haben, können jüngere Jugendliche, die noch in der Ausbildung sind, besonders gut begleiten, anleiten und motivieren. Später wachsen die jüngeren Jugendlichen dann selbst in die Rolle der Anleitenden hinein und können ihr Wissen wiederum an die nachkommenden Jüngeren weitergeben. Für sehr wichtig hält es Loata Mungaya außerdem, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit haben, in der Kirche selbst Verantwortung zu übernehmen, Projekte durchzuführen und Entscheidungen zu fällen. Sie haben sehr viel Energie und gute Ideen und sollten nicht nur als Zielgruppe behandelt werden, für die etwas organisiert werden muss.  Loata Laizer berichtet, dass auch diakonische Projekte sowie die Gesundheits- und Bildungsarbeit der ELCT für das Wachstum der Kirche eine wichtige Rolle spielen. Wenn Menschen erleben, dass die Kirche ihnen und ihren Familien unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit hilft, entsteht Interesse und manchmal eine eigene Hinwendung zum Christentum. Zum Teil erlebt auch die ELCT Abwanderungsbewegungen, wenn lutherische Christen sich einer anderen Kirche – oft einer pfingstlichen Denomination – anschließen. Viele von ihnen kehren jedoch später zur ELCT zurück.

Aber das zahlenmäßige Wachstum stellt die ELCT aktuell auch vor Herausforderungen. Kirchengebäude müssen vergrößert werden, um all den Gläubigen Platz zu bieten. Neues Personal muss ausgebildet werden, um die Menschen pastoral zu begleiten. All das kostet Geld, insofern stellt das Wachstum die ELCT auch vor finanzielle Herausforderungen. Bei all dem, so der stellvertretende Generalsekretär, ist eine gute Leitung und ein gutes Konfliktmanagement für die Kirche von großer Bedeutung. Im Strategieplan der ELCT ist daher auch die Schulung von Leitungspersonen vorgesehen.


Katharina Davis, Afrikareferentin des ZMÖ