Gedanken zur Zeit im Mai 2023: Königliche Demut

Es war ein besonderer Moment der Krönung von König Charles III. in der Westminster Abbey: Livrierte stellen drei Paravents auf, um den kommenden König von den Blicken und Kameras abzuschirmen, die sonst jeden Winkel der Kathedrale ins Bild brachten. „Dies ist ein Moment der Intimität und Demut in diesem Gottesdienst!“ raunt der Kommentator.

Ob es wirklich Intimität gibt in einer Kathedrale, die mit über 2.000 Gästen gefüllt ist und in der ein großer Chor eine Krönungshymne von Georg Friedrich Händel – ‚Zadok the priest‘ – schmettert, mag dahingestellt sein. Aber im Kern war es der feierlichste Moment der Krönung, die Salbung mit Heiligem Öl auf Brust, Händen und Scheitel. Dem in einer Albe gekleideten König wird göttlicher Segen zuteil und damit die Macht übertragen. Bei Charles III., dem tiefe Religiosität zugeschrieben wird, hat es aber offensichtlich noch eine andere Dimension, es ist ein Zeichen der Demut. Er weiß, dass er die übernommene Aufgabe nur mit göttlichem Beistand leisten kann. Das wird in einem Teil der Krönungszeremonie erkennbar, die erstmals eingeführt wurde. Geistliche verschiedener Konfessionen und Religionen segnen den neuen König. Er will der König aller Menschen im Reich sein und weiß, dass er das nicht allein aus eigener Kraft schaffen kann.

Demut ist eine Haltung, die aus unserem Leben vielleicht nicht verschwunden ist, aber über die wenig geredet wird und die daher selten empfunden und reflektiert wird. Machbarkeit, Macht und Einfluss prägen eher unseren Alltag. Politik und Wissenschaft geben vor, genau zu wissen, was getan werden muss und es wird als Zeichen der Schwäche empfunden, wenn man sagen muss „Das weiß ich nicht!“ oder „Darüber muss ich erst noch einmal nachdenken!“.

Ich kann mich aber auch innerhalb und außerhalb der Kirche kaum an Stellen und Momente erinnern, wo mir deutlich signalisiert wird, dass ich nicht alles machen und schaffen kann. „Dein Wille geschehe“, diese Worte kommen selten vor und gehen uns schwer über die Lippen. Vielleicht wäre es gut, sich öfter daran zu erinnern, dass wir in unserem Leben auf Gottes Beistand angewiesen sind, auch wenn es nicht um eine Krönung geht.


Jörn Möller, Leiter des Bereichs Ökumenische Beziehungen