Indisch-Deutsche Konsultation in Breklum: Mission postkolonial

Indisch-Deutsche Konsultation in Breklum

Ein erster Versuch und in dieser Form bisher wohl ohne Beispiel, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte der Breklumer Mission im indischen Kontext geht: indische und deutsche Theolog*innen schauen im Rahmen einer einwöchigen Konsultation gemeinsam auf das Wirken der Missionsgesellschaften und ihrer Vertreter*innen in Indien, was jedoch nicht ohne weiteres zu gemeinsamen Sichtweisen führte. Vielmehr war es auch ein Ringen um einen historisch angemessenen und zugleich kritischen Blick auf die Geschichte der Mission, insbesondere auf das Wirken der Breklumer Missionare in und um Jeypore, die die Gespräche auf der Konsultation prägten.

Welcome – Namaste

Auf Einladung und Initiative von Pastorin Anupama Hial, Ökumenische Mitarbeiterin am Christian Jensen Kolleg in Breklum, kamen vom 4.-7. September 2023 Theolog*innen und Interessierte zusammen, um in den Dialog über die missionarische Vergangenheit des ZMÖ und der protestantischen Missionen in Indien nachzudenken. Hauptanliegen der Tagung war nicht nur ein postkolonialer Blick auf die Missionsgeschichte in Indien, sondern auch die Frage nach Ansätzen zu einer Dekolonialisierung bisheriger Sichtweisen und Interpretationen dieser Geschichte. Dabei wurde deutlich, dass ein angemessener und postkolonialer Blick nur im Dialog mit den vormaligen „Empfänger*innen“ der Mission möglich ist.

Um diesem Anliegen gerecht zu werden, gab es Fachbeiträge und sog. „Responses“ aus jeweils deutscher bzw. indischer Perspektive. Den Auftakt machte Dr. Peniel Rajkumar, Pastor und Principal der anglikanischen Missionsgesellschaft USPG in London mit einem Beitrag zu „Post-Colonialism and Re-Stor(y)ing Mission“.  Darin unterstrich er die Notwendigkeit einer Neuerzählung der Missionsgeschichte aus einer postkolonialen Perspektive heraus, die die vermeintlich passiven Empfänger*innen des Evangeliums als aktive Gestalter*innen dieser Konversionsgeschichte versteht. Postkolonialismus interpretiert Rajkumar nicht nur als Methode, die Ungerechtigkeiten der kolonialen Vergangenheit in einem ökumenischen Horizont zu analysieren, sondern auch als transformatives Instrument, um diese zu überwinden. Die Theologin Katja Zornig ging darauf mit Ausführungen zum Einfluss von Machtverhältnissen in heutigen Partnerschaftsbeziehungen ein, die meist verborgen bleiben eine gleichberechtigte Begegnung von Partnern unmöglich machen.

Am zweiten Tag war es der vormalige Direktor des ZMÖ, Dr. Joachim Wietzke, der unter dem Titel „Breklum Mission from a Postcolonial Perspective“ den Versuch einer historisch akkuraten und zugleich selbstkritischen Aufarbeitung der Breklumer Mission in Indien unternahm. Wichtig war ihm bei aller Kritik auch, der Geschichte gerecht zu werden und z. B. Missionare aufgrund der unterschiedlichen Hintergründe und Einbettungen in den indischen Kontext nicht pauschal mit Kolonisatoren gleichzusetzen. In ihrer Response ging Pastorin Joy Hoppe, ökumenische Arbeitsstelle des Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, darauf jedoch sehr kritisch ein und interpretierte das Wirken der früheren Mission aus ihrer ganz persönlichen Erfahrungsgeschichte als Angehörige der Dalit heraus. Mission sei ohne ihre koloniale Verwobenheit nicht denkbar gewesen.

Dinesh Suna und Katharina Davis

Dinesh Suna, Gründer und Leiter des Ökumenischen Wasser-Netzwerkes des ÖRK in Genf, analysierte die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen der heutigen Klimakrise und den kolonialen Verstrickungen des Westens. Darin wirkten, so Suna, koloniale Kontinuitäten nach, die maßgeblich zur Verarmung des globalen Südens und der weltweiten ökologischen Krise beitrugen. Suna bezeichnete den Kolonialismus des Westens ausdrücklich als „ökologische Sünde“ und rief zur Umkehr auf. Bemerkenswert war der Response von Katharina Davis, Afrika-Referentin des ZMÖ. Sie ging in besonderer Weise auf Sunas Rede von der „ökologischen Sünde des Kolonialismus“ ein, indem sie ein sehr persönliches Bekenntnis formulierte, das die Schuld des Globalen Nordens gegenüber dem globalen Süden zur Sprache brachte und in der christlichen Bitte um Vergebung mündete. Dieses Bekenntnis stieß auf große Aufmerksamkeit und Zustimmung v. a. auf Seiten der indischen Teilnehmer*innen und löste eine emotionale Debatte aus, ob nicht ein solches Bekenntnis auch durch die Kirche(n) des Nordens formuliert werden sollte und könnte.

Aus Griechenland zugeschaltet führte Dr. Ulrike Schröder, Professorin für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Universität Rostock, Ihre Sicht auf die Notwendigkeit und Bedingungen für eine interkulturelle Theologie aus. Diese sollte nach Möglichkeit fester Bestandteil des akademischen Curriculums an den theologischen Fakultäten werden, um zukünftige Theolog*innen für die Herausforderungen einer sich zunehmend diversifizierenden Gesellschaft sprachfähig zu machen.

Eine Exkursion nach Schleswig bot schließlich neben dem sehr akademischen Austausch die Gelegenheit, sich bei einer Führung durch ausgewählte Räume und Exponate des Landesmuseums mit der gegenwärtigen Deutsch-Dänischen Erinnerungskultur sowie den kolonialen Verflechtungen einiger vormals prominenter Familienunternehmen in Schleswig-Holstein auseinanderzusetzen. Auch ein Besuch des Schleswiger Bibelzentrums und des Domes standen auf dem Programm.

Die Breklumer Konsultation war ein gelungener Auftakt zu einem Diskurs über die Dekolonisierung unserer Erinnerungskultur und einer Neubewertung nicht nur der Breklumer, sondern aller protestantischen Missionsgesellschaften in Indien. Bei allen Teilnehmer*innen klang im Feedback der Wunsch durch, diesen Dialog in Zukunft fortzusetzen.


Jörg Ostermann-Ohno, Indienreferent