In Beziehungen Momente von Frieden erleben

Vom 29. Februar bis 3. März 2024 fand in Klaipeda, Litauen, eine europäische Friedenskonferenz statt mit dem Titel „Living with fragile identity: How we live together well in wounded societies?“ Rund 100 Menschen aus 33 Nationalitäten nahmen daran teil, darunter auch 5 Pastor*innen der Nordkirche. Auch mehrere Partnerkirchen der Nordkirche waren vertreten: aus Estland, Lettland, Litauen und Rumänien. Der Fokus lag auf den Erfahrungen aus dem Baltikum und aus Post-Jugoslawien, sowie Nordirland und Simbabwe.

Unsere Europareferentin Zanda Ohff hat die Friedenskonferenz mitorganisiert und berichtet hier von ihren Eindrücken und Erfahrungen vor Ort.

Wie entstand die Idee zu der Konferenz?

Aus der LCC Internationalen Universität in Klaipeda, an der viele junge Menschen unter anderem aus der Ukraine, aus Weißrussland, Russland, Georgien, Armenien, Afghanistan und Serbien studieren, kam der Impuls, die Gesellschaften, in denen wir leben, unter die Lupe zu nehmen und nach den Wunden, aber auch dem Potenzial der Friedensbildung zu suchen.

Der Krieg in der Ukraine hat das Selbstbild und die Narrative vieler Gesellschaften auf den Prüfstand gestellt, in vielen Gesellschaften die Erinnerungen an die eigene Gewalterfahrung wachgerufen sowie viele Menschen mit Angst und Aggression gefüllt. Dabei spielt die Darstellung der Opfer und Täter eine wesentliche Rolle. Wir haben uns gefragt, wie es möglich ist, über die Gewalterfahrung einer Gesellschaft zu reden, ohne die Gewalttaten zu leugnen und zu verharmlosen oder die Menschen zu voreilig in Opfer und Täter zu sortieren. Wie ist es möglich für Opfer und Täter und derer Nachkommen gemeinsam ein friedliches – und nicht nur mehr oder weniger gewaltfreies – Miteinander zu gestallten.

Was hat Dich am meisten beeindruckt?

Erfahrungsberichte aus den unterschiedlichen Regionen waren wichtig, aber vor allem die intensiven Gespräche haben den Unterschied gemacht. Am ersten Tag der Konferenz wurden wir immer wieder aufgefordert, von uns selbst und unserer Herkunft zu erzählen. Das gegenseitige Erzählen ermöglichte eine neue, intensive Form von Begegnungen und schuf eine Atmosphäre des Annehmens und der Verbundenheit.

Bei den Gesprächen wurde deutlich, dass alle, egal aus welchem Land, Erfahrungen und Erinnerungen an Krieg und Gewalt in sich tragen. Und bei allen Konflikten geht es um die Verteidigung der eigenen Identität gegen die anderen. Es war großartig, sich gemeinsam mit den vielen unterschiedlichen Menschen von der Geschichte berühren zu lassen und an Erkenntnis und Sensibilität zu wachsen.

Was nimmst Du für Dich mit von der Konferenz?

Die wichtigste Erkenntnis, die ich mitnehme: Es ist unmöglich Frieden zu schaffen oder Frieden zu machen. Das Einzige, was wir tun können, ist, zusammen zu leben, uns gegenseitig unsere Geschichte zu erzählen und zu versuchen, uns gegenseitig zu verstehen. Wenn wir so miteinander unterwegs sind, kann es Momente geben, in denen wir Frieden erleben. Frieden entsteht in den Beziehungen und wird erlebbar durch die Beziehungen. Wir können einander fragen: Was ist deine Vision von der Zukunft und wo ist mein Platz darin? Und wir können ins Gespräch darüber kommen, warum du mit dem Platz nicht glücklich bist, den ich dir zugedacht habe.

„Baum der Erkenntnisse“

Mit den Erfahrungen der Konferenz – was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Damit Frieden entstehen kann, brauchen wir sichere Räume, wo beide Seiten ihre Geschichte erzählen können, ohne dass die andere Erfahrung sofort ausgeschlossen wird. Außerdem brauchen wir den Willen, die andere Geschichte zu verstehen, und die Bereitschaft, durch die Geschichte des anderen die eigene in einem neuen Licht zu entdecken. Der Frieden entsteht nicht nach einem Gespräch – es ist ein Weg, der ein Teil von unserem Alltag werden muss.

In der Kirche und in unserer Arbeit als Ökumenewerk haben wir Möglichkeiten, die Menschen zusammen zu bringen und ihnen sichere Räume der Begegnung zu bieten. Ich wünsche mir, einen anderen Blick auf unsere Partner zu gewinnen – vielleicht durch ähnliche Veranstaltungen –, der über die institutionelle Ebene hinausgeht, danach fragt, was die Menschen in unseren Partnerkirche ausmacht und versucht ihr Anderssein zu verstehen, statt nur zu beschreiben.

Wenn Du die Konferenz mit einem Wort zusammenfassen würdest – welches wäre das?

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