Hamburg: Seeleute aus Kiribati brauchen Unterstützung

Hamburger Hafen by hansiline, pixabay.com

Die Pandemie hat den Pazifikstaat Kiribati zur Schließung seiner Grenzen veranlasst. Für kiribatische Bürger*innen, die sich zum Zeitpunkt der Grenzschließung im Ausland befunden haben, bedeutet dies, dass sie bis auf weiteres nicht in ihr Land zurückkehren können. Unter den Betroffenen stellen Seeleute die mit Abstand größte Gruppe dar. In Hamburg sind in den vergangenen Wochen mehr als zwanzig kiribatische Seeleute gestrandet. Wahrscheinlich wird sich ihre Anzahl noch erheblich vergrößern, denn allein bei in Hamburg ansässigen Reedereien sind rund 550 kiribatische Seeleute unter Vertrag. Nach monatelangen Seefahrten ohne Landgang trifft die Seeleute der unfreiwillige Aufenthalt in einer fremden Stadt und ohne Perspektive auf eine baldige Heimreise besonders hart.

Die seelische Belastung für die gestrandeten Seeleute ist sehr hoch. Die lange Trennung von ihren Familien, ihrem Freundes- und Bekanntenkreis macht ihnen schwer zu schaffen. Die Not wird noch verstärkt durch die Schwierigkeiten, die ein unfreiwilliger und vor allem unerwarteter Aufenthalt in einer fremden, von Corona-Einschränkungen geprägten Umgebung mit anderer Kultur, anderer Sprache, anderem Essen und einem ganz anderen Alltag als zuhause in Kiribati oder an Bord eines Schiffes mit sich bringt.

Warum die Seeleute für Kiribati so wichtig sind

Wer in Kiribati die Seefahrt zum Beruf macht, darf sich einer besonderen Wertschätzung gewiss sein. Kiribatis Nachbar Fidschi ist rund dreitausendfünfhundert Kilometer entfernt. Kiribatis schnellste Transportverbindung mit dem Rest der Welt besteht aus zwei Flügen in der Woche von Fidschi und zurück. Schon deswegen hat die Seefahrt eine enorme Bedeutung für den pazifischen Inselstaat.

Hinzu kommt, dass die kiribatische Landwirtschaft nur Kopra- bzw. Kokosnüsse hervorbringt, die weder zur Ernährung der über 110.000 Einwohner*innen noch zu deren wirtschaftlichem Auskommen beitragen können. Kiribati ist auf den Import von Lebensmitteln einschließlich Trinkwasser und allen anderen Produkten des täglichen Bedarfs angewiesen. Die abgelegene Lage des Landes macht die importierten Waren sehr teuer. Kiribati, das 1979 unmittelbar, nachdem seine reichen Phosphatvorkommen restlos ausgebeutet worden waren, seine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erlangte, gehört unter finanziellen Gesichtspunkten zu den ärmsten Ländern der Erde.

Kiribati, Martin Haasler

Der defizitäre Jahreshaushalt des hoch verschuldeten Landes beläuft sich auf rund 60 Millionen USD und hängt wesentlich von Einnahmen aus internationaler Finanzhilfe sowie der Vergabe von Fischereilizenzen ab. Die schwache Wirtschaft ermöglicht nur wenigen Menschen in Kiribati, ihren Lebensunterhalt durch bezahlte Arbeit zu verdienen. Neben dem durch den Klimawandel bewirkten fortschreitenden Anstieg des Meeresspiegels und damit dem Verlust von Land- bzw. Siedlungsfläche sind die fehlenden Arbeitsplätze für viele Menschen ein Grund, ihr Glück im Ausland zu suchen.

Dabei unterstützt sie das 1967 von deutschen Reedereien gegründete Marine Training Center (MTC). Das MTC ist eine Seemannschule, deren Ausbildungsgänge etwa 100 Personen im Jahr erfolgreich absolvieren. Rund eintausend kiribatische Seeleute üben derzeit ihren Beruf aus. Über die Hälfte davon ist bei Hamburger Reedereien unter Vertrag. Die kiribatischen Seeleute verdienen auf dem internationalen Arbeitsmarkt mehr, als ihnen dies in ihrem Heimatland möglich wäre. Zur Unterstützung ihrer Familien überweisen die kiribatischen Seeleute zusammen eine Geldsumme, die rund zehn Prozent des kiribatischen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Dies und das Wissen um die harten Arbeitsbedingungen der Seeleute, die oft viele Monate von ihren Familien getrennt sind, sorgen für den guten Ruf, den Kiribatis Seeleute nicht nur im eigenen Land genießen.