Geste der Versöhnung von Lutherischer Kirche in Brasilien

Hamburg/Sao Paolo (ce) – Vor 200 Jahren haben deutsche Auswanderer die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) gegründet. Das Jubiläum wurde 2024 gefeiert. Es ist eine kleine Kirche in dem mehrheitlich katholischen Land geblieben, Pfingstgemeinden und Freikirchen erleben aktuell einen großen Zulauf.  

Stolz und Selbstkritik im Jubiläumsjahr 

Dennoch blickt die lutherische Kirche mit Stolz und Dankbarkeit auf das, was sie in den beiden Jahrhunderten aufgebaut hat – besonders in der diakonischen Arbeit. In einem offenen Brief an „das brasilianische Volk“ räumte die Kirche zum Ende des Jubiläumsjahres allerdings auch ein, im Laufe ihrer Geschichte Rassismus und Diskriminierung geduldet und mit diktatorischen Regimen sympathisiert zu haben.  

Mitglieder der IECLB feiern ihr 200-jähriges Bestehen, Foto: IECLB

Ebenfalls waren die Beziehungen von Gemeindemitgliedern zu Indigenen gestört und die Kirche war für die bereits im Land lebenden Menschen verschlossen. „Wo es Versäumnisse gab, entschuldigen wir uns“, heißt es in dem Schreiben. 

Kirche für alle Menschen werden 

Von links nach rechts: Pastor Marcos Bechert,  Generalsekretär der IECLB, Direktor Dr. Christian Wollmann, Ökumenewerk der Nordkirche, Pastora Sílvia Beatrice Genz, Präsidentin der IECLB und Claudia Hug, Lateinamerikareferentin des Ökumenewerks.

„Vor vielen Jahrzehnten hat die Kirche angefangen, sich zu verändern und zu öffnen“, erläutert Claudia Hug, Lateinamerikareferentin im Ökumenewerk der Nordkirche. Sie ist für die Koordination und Gestaltung der Beziehungen zu Kirchen und Organisationen in der Region zuständig und war auch zu den Jubiläumsfeierlichkeiten eingeladen. Die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses sieht für sich insbesondere dann eine Zukunft, wenn sie es schafft, eine Kirche für alle Menschen in Brasilien zu sein. 

Mittlerweile hat die Kirche ein starkes diakonisches Profil entwickelt: Sie unterstützt landwirtschaftliche Projekte, die für Ernährungssicherheit und Anpassung an die Folgen der Klimakrise sorgen, fördert Bildungschancen für Jugendliche vor allem in ländlichen Regionen und bekämpft Armut und Ungerechtigkeit.  

Gesellschaftliche Herausforderungen gemeinsames Thema 

„Mich fasziniert“, sagt der Direktor des Ökumenewerks, Christian Wollmann, „wie viele Themen uns dies- und jenseits des Atlantiks als Kirchen gemeinsam bewegen und herausfordern“. Dazu zähle es, hauptamtlichen Nachwuchs zu gewinnen, eine attraktive Kirche im urbanen und im ländlichen Raum zu sein und die eigene Verantwortung in der Klimakrise zu übernehmen.  

Weiter sagt er rückblickend auf das Jubiläum: „Nicht zuletzt müssen unsere Kirchen zu Kirchen für alle werden. Das heißt auch, sich dem eigenen Rassismus zu stellen. Ich freue mich sehr auf das gemeinsame Lernen mit unseren brasilianischen Partnern.“ 

Deutsche sind vor 200 Jahren angeworben worden 

Brasilien. Die deutsche Sprache spielt immer noch eine große Rolle.

„Die ersten Einwanderer landeten vor 200 Jahren im Süden des Landes. Dort bekamen sie von dem ehemals herrschenden portugiesischen König, der 1822 Brasilien für unabhängig erklärt hatte, Land geschenkt, das sie bewirtschaften konnten. Deswegen ist die Kirche vor allem in ländlichen Regionen präsent, viele Mitglieder sind Landwirte“, erklärt Claudia Hug.  

Die Deutschen seien gezielt als Verbündete der nun brasilianischen Krone angeworben worden, hätten Privilegien erhalten, als in dem Land die Sklaverei noch existierte. In dem offenen Brief wird kritisch gesehen, dass Menschen anderer ethnischer Herkunft als Bedrohung gesehen wurden und das Unrecht, das unter anderem die Indigenen dadurch erlitten hätten, anerkannt. 

Deutsche Traditionen wurden lange exklusiv bewahrt 

Katharina von Bora in Brasilien. Deutsche Traditionen werden in der IECLB bewahrt.

Die Bewahrung deutscher Traditionen und der deutschen Sprache war den Einwanderern damals wichtig. „Noch heute sind diese Wurzeln überall zu erkennen: In Ortsnamen wie Nova Friburgo oder vielen Familiennamen, obwohl heute viele kein Deutsch mehr sprechen“, beobachtet Claudia Hug. Auch die lutherische Kirche galt den Einwanderern als exklusiver Teil der deutschen Kultur.  

Diakonisches Profil für alle entwickelt 

Als 1949 eine theologische Hochschule gegründet wurde, die später auch Studierende anderer Konfessionen aufnahm, wurde das Profil der Kirche weiterentwickelt. „Die Kirche hat sich früh für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt und sie auch in leitende Positionen gewählt. Gesellschaftspolitische Themen wie die Klimakrise, Armut, Ungerechtigkeit und Menschenrechte hat die Kirche für sich als Aufgabe erkannt“, sagt die Lateinamerikareferentin.  

Das ist im Gegensatz zur Lehre insbesondere vieler evangelikaler Gemeinden ein attraktives Angebot für die Menschen in diesem tief gespaltenen Land, das politisch und wirtschaftlich aktuell schwierige Zeiten durchlebt.