Gedanken zur Zeit im Juni 2023: Geh‘ aus mein Herz und suche Freud

Geh‘ aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit an deines Gottes Gaben.
Schau an der schönen Gärtenzier und siehe wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben,“

so summt es durch meinen Kopf, wenn nun das Wetter sonniger und wärmer wird in Hamburg. Endlich Juni, endlich Sommer! Wow, das tut so gut nach nach einem langen und grauen Winterhalbjahr.

Der 21. Juni, der kalendarische Beginn des Sommers, ist der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres. Licht, Helligkeit, blauer Himmel. Und am 24. Juni feiern wir den „Johannistag“, das ist der Geburtstag von Johannes dem Täufer, ein halbes Jahr vor Jesus. In meiner süddeutschen Heimat werden dann Feuer angezündet, die dem Volksglauben nach unter anderem Dämonen vertreiben und vor Hagelschäden schützen sollen. Und da sind sie auf einmal, dunkle Wolken und Bedrohungen, die für mich auch zum Juni gehören: Dämonen und Hagelschäden, vielleicht auch andere Katastrophen durch menschengemachte Umwelteinflüsse fallen mir ein. Kann ich da überhaupt noch längere Sonnen- und damit Trockenzeiten unbeschwert genießen, wo es doch in Südfrankreich, Spanien oder im Westen Kanadas so sehr an Wasser mangelt und schon jetzt Wandbrände wüten?!

Ein weiteres zentrales Datum in diesem Sinne ist der 20. Juni: An diesem Tag begehen wir den „Weltflüchtlingstag“. Er wurde von der UNO 2001 festgelegt, um daran zu erinnern, dass Millionen von Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) veröffentlicht dann den jährlichen Bericht „Global Trends“, der die weltweit dramatische Situation in nüchterne Zahlen fasst. Aktuell sind mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht – dies ist die größte Zahl an Vertriebenen, die je registriert wurde!

Es ist Sommer und Menschen fliehen auch jetzt. Die Sonne scheint strahlend vom Himmel und Bomben in den weltweiten Kriegen töten weiter. Ich freue mich auf den Urlaub und die EU-Regierungen wollen den Flüchtlingsschutz jenseits der EU-Grenzen auslagern. Da bleibt mir das Singen manches Mal im Halse stecken.

Und dann erinnere ich mich an Paul Gerhardt (1607-1676), den Lieddichter der obigen Zeilen, und an sein von schweren Schicksalsschlägen geprägtes Leben. Er, der den 30-jährigen Krieg erlebte und viele seiner Kinder zu früh verlor, hätte allen Grund zur Verzweiflung gehabt. Und dennoch dichtete er diese zuversichtlichen Zeilen. Dennoch glaubte er an eine höhere Gerechtigkeit. Von seinem „Dennoch“ haben sich wiederum unzählige Christ*innen trösten und ermutigen lassen. Auch ich will meine Hände nicht in den Schoß legen und verzweifeln, sondern bete und setze mich weiter aktiv für Menschenrechte und Flüchtlingsschutz ein und freue mich dennoch an Gottes guter Schöpfung und helfe sie bewahren. Inspirieren lasse ich mich dabei auch von einem zeitgenössischen Dichter, Hanns Dieter Hüsch, der folgende Psalmverse schrieb:

So lange in meinem Herzen und in meinem Kopf
der Gesang von Liebe und Zuversicht wohnt
das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu spüren ist
Freundschaft und Friede mit allen Kreaturen im meinen Augen sitzen
solange wird es auch diese Erde geben
mit all ihren Menschen, die guten Willens sind,
die über sich hinauswachsen
und es eines Tages doch noch schaffen
den Halsabschneidern und Blutsaugern
Kindermördern und Frauenschändern
und ihren feigen Handlangern im Hintergrund
das Handwerk zu legen
solange unsere Herzen dafür schlagen
dass sich die Utopie erfülle
auf dass die Erde Heimat wird für alle Welt
im Kleinen wie im Ganzen
solange wir leben und wachsen
solange gibt es sie auch..“


Dietrich Gerstner, Referent für Menschenrechte und Migration