Gedanken zur Zeit im Februar 2023: Brücken verbinden!

Brücke in Tartu, Estland, über den Fluss Emajõgi

In der letzten Woche bin ich in Estland über eine besondere Brücke gegangen: Sie führt in Tartu, dem alten Dorpat, über den Fluss Emajõgi zum Rathaus. Früher, so erzählte mir eine estnische Kollegin, war es bei Studierenden eine besondere Mutprobe, oben über den Brückenbogen zu gehen. Auch sie selbst hat es zweimal gemacht.

Brücken verbinden Orte. Brücken verbinden Menschen. Brücken sind immer wieder ein Zeichen für Partnerbeziehungen. Wir möchten Brücken bauen, wenn wir eine Partnerschaft mit Kirchen oder kirchlichen Organisationen eingehen: Brücken zwischen Menschen. Unserer Partnerkirche in Estland sind solche Brücken wichtig. So hat sie zu ihrer jährlichen Konferenz aller Pastor*innen im Januar auch je zwei Delegierte ihrer Partnerkirchen eingeladen. Wir durften mithören und erleben, welche Themen unsere Partner gerade besonders bewegen.

Die Brücke in Tartu ist wie viele Gebäude in Estland blau und gelb angestrahlt – sichtbares Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und damit eine Brücke zu dem Land, das weiterhin schrecklich unter dem kriegerischen Überfall des russischen Staates leidet. In diesem Monat ist bereits ein Jahr Krieg in der Ukraine. Noch immer ist kein Ende in Sicht. So viele Menschen sterben, so viele Brücken werden zerstört – ganz physisch, aber auch im übertragenen Sinne. So viele Projekte der Zusammenarbeit mit Russland sind unterbrochen, so viel Versöhnungsarbeit auf Jahre zurückgeworfen.

Brücken sind wichtig. Ich hoffe, dass wir auch weiterhin viele Brücken aus unserer Nordkirche, aus unserem Land zu Menschen in anderen Ländern und Kulturen bauen – auch nach Russland, wo unsere Kirche Partnerschaften nach St. Petersburg und Kaliningrad hat. Viele Brücken sind schon von anderen gebaut, wir müssen sie nur beschreiten. Doch manchmal erfordert der Schritt über eine Brücke viel Mut. Sie kann wackelig sein oder kein Geländer haben. Und gelegentlich müssen die Brücken überhaupt erst gebaut oder repariert werden. Da braucht es Brückenbauer*innen. Der Papst wird manchmal als Pontifex maximus, als größter Brückenbauer bezeichnet, ein Priester als Pontifex. Wir in der evangelischen Kirche vertreten das Priestertum aller Gläubigen. Das heißt, wir sind alle aufgefordert, Brücken zu bauen und zu überschreiten. Dazu schenke uns Gott Mut, Weisheit und das Vertrauen, dass Gott mit baut und mit uns über die Brücke geht. Denn Gott selbst ist der größte Brückenbauer und Jesus Christus die Brücke zwischen Gott und uns Menschen.

Der evangelische Pfarrer Kurt Rommel hat ein Gebet zum Brückenbauen verfasst:

Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen,
gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit.

Ich möchte gerne Brücken bauen,
wo alle tiefe Gräben sehn.
Ich möchte hinter Zäune schauen
und über hohe Mauern gehn.

Ich möchte gern dort Hände reichen,
wo jemand harte Fäuste ballt.
Ich suche unablässig Zeichen
des Friedens zwischen Jung und Alt.

Ich möchte nicht zum Mond gelangen,
jedoch zu meines Feindes Tür.
Ich möchte keinen Streit anfangen;
ob Friede wird, liegt auch an mir.

Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen,
gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit.


Christa Hunzinger, Europareferentin