Die Welt ist im Ausnahmezustand, diese Information ist niemandem fremd. Dieser Ausnahmezustand sorgte nun zuletzt auch für den Abbruch unser aller Freiwilligendienste. Als vorzeitige Widerkehrer*innen sitzen wir nun zuhause und überlegen, was mit uns anzufangen, in dieser Zeit der Extreme.
Denn irgendwie ist alles gleichzeitig laut und leise.
Die Nachrichten sind laut, jeden Tag dieselben Schlagzeilen neu aufgewärmt. Ausgangssperre, Mindestabstand, überlastete Gesundheitssysteme. Dass Deutschland auf Rang zwei der sichersten Länder in Zeiten der Krise steht, tröstet zumindest ein wenig von der verfrühten Rückkehr.
Die Straßen sind leise. Weniger Betrieb als gewohnt. Man trifft nur sehr selten Leute die man kennt, keine rasche Umarmung und Smalltalk.
Zu Anfang waren die Supermärkte laut. Regale wurden leergefegt wie man es sonst nur aus Apokalypsen-Filmen kennt. Verbale Handgemenge darum, wer die letzte Tüte Nudeln, das letzte Säckchen Mehl, die letzte Packung Toilettenpapier an sich nehmen darf.
Jetzt sind auch die Supermärkte wieder leise.
Einige Regale sind
regelmäßig komplett leergeräumt. Begrenzte Personenzahlen, ein
Einkaufszettel auf dem akribisch genau steht was in welchen Mengen
gebraucht wird. Sortiert nach Kategorie, je nach Regal, damit der
Einkauf schnell und zielstrebig hinter sich gebracht werden kann, um
schnurstracks wieder in die sichere Umgebung der eigenen vier Wände
zurückkehren zu können.
Das Zusammenleben mit der Familie ist laut. Eine Permanente Nähe,
welche manchmal wahrlich nur schwer zu händeln ist. Lagerkoller.
Streits. Überforderte Elternteile, die ihre eigenen Kinder zuhause
unterrichten müssen und die Lehrkräfte in der Schule plötzlich feiern
wie Held*innen.
Selbst in diesem Laut-Sein innerhalb des
Familienlebens gibt es einen Kontrast: Gesellschaftwissenschaftler*innen
gehen davon aus, dass nach Corona sowohl Scheidungsraten als auch (mit 9
Monaten Abstand) Geburtsraten steigen.
Für Menschen, die alleine leben, ist es mucksmäuschenstill. Keine
Freund*innen werden eingeladen, keine Partys werden geschmissen.
Selbstkonfrontation mit sich selbst und nur sich selbst. Das kann als Chance oder als Last gesehen werden. Oder auch als beides.
In
den zwei Monaten in Isolation vor meiner Rückreise nach Deutschland war
es oft sehr laut in meiner Wohnung. Der Bluetooth-Lautsprecher auf
100%, die Stimmbänder auf 120%.
In den Parks ist es laut wie nie. Rauskommen, Frischluft atmen. Mit einer anderen Person spazieren gehen, immer den Mindestabstand einhaltend natürlich. Die Natur erholt sich von so vielem, was ihr in den letzten Jahren angetan wurde, auch sie ist metaphorisch laut.
Kulturangebote sind fast gänzlich verstummt. Und das in einigen Fällen vielleicht für immer. Theaterhäuser sind geschlossen, Großveranstaltungen aller Art sind abgesagt. Ein drastischer Einschnitt für alle die, deren Existenzen daran hängen.
Während auf der einen Seite Menschen um ihre Existenz bangen müssen,
fühlt es sich auf der anderen Seite geradezu heuchlerisch an, wenn
Hollywoodstars in Sozialen Medien darauf beharren, dass es nun wichtig
ist, weiterhin zusammen- und durchzuhalten.
“Wir alle sitzen im
selben Boot”, heißt es gerne mal. Dass es sich bei diesem Boot um die
Titanic handelt, in der die erste Klasse zuerst evakuiert, während die
Holzklasse sich selbst überlassen wurde, das wird gerne vergessen.
Aber sie meinen es ja auch nur gut und wollen Trost spenden.
Die Welt steht Kopf. Durch diesen Virus, den gerade wir in China von Anfang an miterlebten und wachsen sahen.
In
Jahrzehnten, Jahrhunderten wird in den Geschichtsbüchern (oder mit
welchen Medien auch immer Informationen dann weitergetragen werden) von
der Pandemie die Rede sein, dessen Eindämmungsversuche die Luft wieder
reiner machte und die Natur heilen lies.
Wir alle wurden darauf vorbereitet, dass wir uns weiterentwickelt
haben, wenn wir aus unseren Gastländern wiederkehren. Und das haben wir
auch alle, ohne jeden Zweifel. Wir alle werden Situationen gehabt haben,
an denen wir gezweifelt haben, und späterhin trotzdem gewachsen sind.
Aber
auch die Welt hat sich verändert, ganz aprupt aus einer Notsituation
heraus. Und wenn diese anhaltende Krise überwunden wurde, dann wird sich
auch die Welt verändert haben.
Dass wir als andere Menschen wiederkommen, das war uns also sehr wohl bewusst. Aber wer hätte uns beim besten Willen sagen können, dass die Welt auch eine andere sein wird?