Fernab von Glühwein und Schneeflocken

Gerade sitze ich mit einem Tee an einem der Tische des Restaurants, das sich auf dem Kirchengelände befindet und werfe einen Blick auf die vergangen vier Monate. Es ist echt unglaublich, dass nun ein Drittel meines Freiwilligendienstes vorbei ist. Ich merke, das ich in dieser Zeit bereits viel erleben, sehen und neue Perspektiven gewinnen konnte. Und trotzdem prasseln immer wieder neue Eindrücke auf mich ein. Von Anfang an habe ich mich gefragt, wie schwierig es für mich sein wird, mir in einem so fremden Umfeld eine gewisse Alltagsroutine aufzubauen. Jetzt kann ich sagen, dass es mir mittlerweile ganz gut gelungen ist.

Wenn ich morgens nicht von dem krähenden Hahn oder den Stimmen aus dem „Morning Glory“ – Gottesdienst geweckt werde, ist es mein Wecker, der mich aus dem Bett reißt. Nachdem ich mich für den Tag fertig gemacht habe, gehe ich in meine kleine Küche, wo ich mir meistens einen Bananen Porridge zubereite. Wenn ich noch ausreichend Zutaten habe, versuche ich mir morgens auch noch etwas zu kochen, was ich zur später Mittagszeit essen kann. Bevor ich mich anschließend auf den Weg zur Arbeit mache, treffe ich auch um diese Zeit oft schon Menschen auf dem Kirchengelände. Sei es die Pastorenfrau, der Koch von dem Restaurant oder andere Gemeindemitglieder, mit denen ich gleich in Gespräche verfalle.
Da die Martin Luther Pre and Primary School aufgrund der Schulferien bis Anfang Januar geschlossen ist, arbeite ich zurzeit jeden Tag zusammen mit Selina bei Upendo. Dabei handelt es sich um ein interreligiöses Frauen-Nähprojekt, welches sich in Stonetown befindet.

Weil der Shop erst um 9.00 Uhr öffnet, kann ich zurzeit, im Vergleich zu den Schultagen, immer etwas länger schlafen. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht mehr den Luxus habe, dass mich der Schulbus (um ca. 7.10/7.30 Uhr) zu meiner Arbeitsstelle fährt und mich nach der Schule (um ca. 13.30/14.00 Uhr) wieder bei der Kirche absetzt.
Im diesem Monat ist das anders. Um ungefähr 8.20 Uhr verlasse ich das Gelände und gehe zu der Daladala Bushaltestelle, wo ich warte bis ein bunter Minibus der Linie 507 vorbeikommt. Richtige Buszeiten wie in Hamburg gibt es hier nämlich nicht. Manchmal hat man Glück. Andere Male steht man länger an der Straße. Geduldig sein muss man auf jeden Fall.
Die Busse bieten Platz für etwa 15 Personen – zumindest theoretisch. In der Realität quetscht man sich manchmal so sehr zusammen, dass die Bewegungsfreiheit zur Seltenheit wird. Das liegt daran, dass versucht wird, so viele Fahrgäste wie möglich mitzunehmen.

ein Daladala in Stonetown

Nach ungefähr 20 Minuten Fahrt, steige ich dann bei der Bushaltestelle Toba la Pili aus. Von dort aus mache ich mich zu Fuß durch die bunten Gassen der Stadt auf den Weg zu Upendo, wo ich nach ungefähr 10 Minuten ankomme. Nachdem ich die Frauen im Nähworkshop begrüßt habe, werden die verschiedensten Türen aufgeschlossen und der tägliche Ladenputz beginnt. Gemeinsam fegen und wischen Selina und ich den Boden und räumen alles auf. Unter anderem muss der Weihnachtsbaum, der zurzeit im Laden steht, rausgestellt werden. Der weitere Arbeitstag besteht oft aus der Beratung von Kunden oder Buchhaltung. Diese Woche haben wir zudem gelernt, wie man kleine Weihnachtssterne aus Kanga machen kann. Kanga ist ein leichter, mit farbigen Mustern bedruckter ostafrikanischer Baumwollstoff, dem ich hier schon oft begegnet bin – sei es als Rock, Kopfbedeckung, Tragetuch, Handtuch oder als Geschenk für besondere Anlässe.
Es kommt jedoch auch vor, dass wir an manchen Tagen wenig bis keine Kunden haben. Solche „Leerläufe“ eignen sich dann gut zum Tagebuchschreiben oder dem Üben unserer Smalltalk-Skills mit den Näherinnen.
Um ca. 16.00 Uhr verlassen Selina und ich dann den Shop. Oft gehen wir noch gemeinsam auf den Markt, erledigen Besorgungen oder laufen einfach noch etwas durch die Gegend. Wenn ich nicht noch länger in Stonetown bleibe, um z.B. andere Freunde zu treffen, am Strand Sport zu machen, o.ä. geht es mit dem Daladala, welches um diese Uhrzeit wesentlich voller ist, wieder zurück nach Hause.


B

B

Nach Hause? Ja, mittlerweile kann ich sagen, dass ich mich wirklich richtig wohl auf dem Kirchengelände fühle. Das letzte Wochenende habe ich in Dar es Salaam verbracht. Als es dann am Sonntag wieder nach Mwanakwerekwe ging, habe ich mich schon richtig auf die ganzen Gemeindemitglieder, denen ich dort täglich begegne, gefreut. Natürlich ist es im Vergleich zu Deutschland ganz anders und ich glaube auch, dass dieser ständige Kontakt zu anderen Menschen nicht für jede oder jeden etwas ist. Für mich persönlich ist es jedoch genau das Richtige. Ich merke, wie gut es mir tut unter den Menschen zu sein. Auch wenn ich nicht allen Gesprächen immer folgen kann, bedeutet es mir so viel einfach mit dabei zu sein. Zu sehen, wie die Menschen hier miteinander leben, lachen und weinen. Mitzuerleben, was sie in ihrem Alltag machen, was sie beschäftigt und was ihre Lebenswelt prägt.

Und trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen ich an meine Liebsten in Deutschland denke und sie vermisse. Was sie wohl gerade machen, wie es ihnen geht und wie sie sich auf Weihnachten vorbereiten.
Vor allem wenn ich Fotos von Schnee, selbstgebackenen Keksen, Schlittschuhlaufen, Weihnachtsmärkten und den hübsch geschmückten Straßen zugeschickt bekomme, denke ich an Deutschland.

Es ist komisch, aber eigentlich auch nicht ganz verwunderlich, dass ich dieses Jahr kaum in Weihnachtsstimmung gekommen bin. Trotz des Dekorierens eines Lebkuchenhauses, vereinzelten künstlichen Weihnachtsbäumen, Weihnachtsmusik, Adventskalendern, die ich zugeschickt bekommen habe, des Basteln von Weihnachtsternen und des Keksebackens zusammen mit Gemeindemitgliedern, fühlt es sich nicht so an, als stände Weihnachten direkt vor der Tür. Im Gegenteil. Insbesondere die aktuellen Temperaturen rufen in mir statt Weihnachts- eher Sommergefühle hervor.
Trotz dieser anderen Umstände, will ich mich nicht beschweren.
Während meine Familie und Freunde sich unter dicken Schals und Mützen verstecken, genieße ich hier auf Sansibar die Weihnachtszeit in leichter Kleidung. Es ist schon seltsam, wie sich die festliche Armosphäre anders anfühlt, wenn Sommer- und Strandwetter ist, statt Schnee liegt. Doch genau solche Unterschiede machen dieses Weihnachten zu einer einzigartigen Erfahrung, für die ich dankbar bin, sie miterleben zu dürfen und ein Teil davon zu sein.
Außerdem merke ich, dass es nicht immer unbedingt um die bekannten Traditionen geht, sondern vielmehr um die Freude und Gemeinschaft, die ein solches Fest begleiten. Mir wird klar, dass Weihnachten nicht nur durch Schnee und Kälte definiert wird, sondern durch die Wärme der Herzen und die Freude am Miteinander.
Ich bin gespannt, wie ich dieses Fest an einem neuen Ort erleben werde und freue mich auf die kommenden Tage, die wahrscheinlich ganz anders, aber keinesfalls weniger spektakulär sein werden.

Und damit frohe Weihnachten und eine Zeit voller Liebe und Glück, egal, wo auf der Welt ihr seid! 🌟🎄
Eure Frida

(Danke an Julius für das Uploaden dieses Posts)

Leave a Comment: