Eine Überschwemmung an Eindrücken

Der Flughafen in Zürich

Ein bisschen mehr als zwei Monate sind schon vergangen. Ich hatte damit gerechnet, dass die Zeit schnell vorbei gehen wird, aber dass sie so rast, überrascht mich doch sehr. Ich kann jetzt schon sagen, ich wurde überflutet von neuen Eindrücken, Menschen, Essen und natürlich von der Sprache.

Fangen wir beim Abschied nehmen und dem Flug an. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber es war ganz anders. Ich dachte, ich werde in Tränen ausbrechen am Flughafen, wenn ich mich von meiner Familie verabschieden muss, aber ich habe tatsächlich keine einzige Träne vergossen. Ich glaube, es war das Gefühlgemisch, das in mir brodelte. Es war Aufregung, Vorfreude, Angst, dass alles klappt und die Abschiedsgefühle. Das alles war sehr viel und ließ mich nach außen einfach nur lächeln. Ich bin aber sehr dankbar, dass der Abschied mir nicht so schwerfiel, weil mich die Emotionen sonst 19 Stunden Reisezeit überflutet und gefangen genommen hätten.

Man merkt von Anfang an, wie wichtig die Sprache ist. Gleich auf dem Hinflug haben wir zum Beispiel unseren Anschlussflug in São Paulo nicht bekommen. Zum einen, weil die Schlangen so lang waren und weil wir unser Gepäck holen mussten und damit durch den Zoll gehen und dann wieder einchecken mussten. Es war so schwierig, das richtige Gate zu finden, weil dieser Flughafen wirklich ein Labyrinth ist und dazu die meisten Leute kein Englisch können. Zum Glück konnte Joni etwas weiterhelfen, weil er schon ganz gut Portugiesisch spricht. Wir sind jedoch trotzdem, auch wenn etwas später, in Porto Alegre gut angekommen. Am Flughafen in Porto Alegre wurden wir erstmal von der lieben Simone abgeholt, die mit uns das Seminar dort gemacht hat. Unsere Unterkunft war sehr gut. Wir wurden reichlich über die Seminarwoche von den Schwestern in der christlichen Unterkunft bekümmert. Das Essen hier ist echt sehr lecker, wobei ich sagen muss, ich vermisse jetzt schon das Grüne im Essen.

Die anderen Freiwilligen, die ich bei dem Seminar kennenlernen durfte, waren alle super nett und ich habe mich mit ihnen gut verstanden. Insbesondere zu den Jungs ist eine voll gute Freundschaft entstanden. Wir haben häufig abends noch zusammen gespielt und haben viel zusammen gelacht. Dadurch, dass wir uns so gut verstanden haben, fiel mir das Ankommen und der Start hier viel leichter. Zudem war es sehr schön, dass wir als eine größere Gruppe, inklusive anderer Freiwilliger, häufiger Laufen gewesen, was die Gemeinschaft meiner Meinung nach nochmal um einiges gestärkt hat. Auf dem Seminar hatten wir auch einen Sprachkurs. Dort habe ich einiges Neues gelernt, wobei ich auch sagen muss, dass ich auch vieles schon wusste durch „Doulingo“. Sonst haben wir viel in Porto Alegre angeschaut und die Stadt etwas erkundet. Wir waren in einem Gottesdienst und haben zwei Einsatzstellen gezeigt bekommen (in die Zwei andere gegangen sind). Es war alles sehr beeindruckend und das Seminar ging schnell vorbei. Nach dem Seminar ging es dann endlich in die Projekte.

Wir wurden gleich willkommen geheißen von den Kollegen und von den Kindern in Lar Padilha. Es war und ist auch immer noch ein echt schönes Gefühl hier zu sein. Die Menschen in Brasilien sind viel offener als in Deutschland. Insbesondere mit den Kleinen habe ich mich gleich gut verstanden, wahrscheinlich weil da auch von deren Seite kein Schamgefühl vorhanden ist. Joni hatte gleich schon einen guten Zugang zu den größeren Jungs. Die Mädchen sind bei mir noch zurückhaltender, wobei es immer besser wird und auch nicht alle Mädchen sind distanzierter. Nach zwei „Schnupper-Wochen“ haben wir auch direkt einen festen Wochenplan bekommen, der unseren Einsatz strukturiert. Mit Joni gebe ich zusammen den Größeren Englisch- und unseren Kollegen Deutschunterricht. Zudem helfen wir noch bei dem Workshop „Bem-Viver“ mit, bei dem die Kinder über die Umwelt und Natur neue Sachen lernen und ihn diese auch bewusst gemacht werden, wie man z.B. Gemüse anpflanzt wird. Oder man geht in der Natur spazieren und sammelt währenddessen Müll. Ich unterstütze noch bei einem Bastel-Workshop. Eigentlich sollte ich auch einen Zeichenkurs anbieten mit einem Kollegen, der mir bei der Übersetzung geholfen hätte, aber leider arbeitet er nicht mehr in der Einsatzstelle und jetzt muss ich noch ein bisschen warten, bis ich etwas besser Portugiesisch sprechen kann. Der Kollege hatte mir am Anfang sehr geholfen mit seiner Übersetzung Englisch – Portugiesisch und Brücken ermöglicht. Zudem war auch eine ehemalige Freiwillige zu Besuch. Sie hat mich auch sehr unterstützt und mir den Ort gezeigt.

Mein größtes Problem bisher ist tatsächlich die Sprache, wobei ich erwähnen muss, dass ich bis ich die Zusage für Brasilien bekommen hatte, nicht dachte, dass ich noch eine neue Sprache lernen werde. Das erste Problem ist, dass ich die Sprache noch nicht komplett beherrsche, wobei ich immer mehr verstehe. Das andere Problem ist, dass ich mich noch nicht traue, viel zu sprechen, was echt ein Verhängnis ist. Mir ist bewusst, dass ich sprechen muss, um auch die Sprache besser zu lernen, aber es ist einfach nicht so leicht für mich. In kleinen Schritten bessert es sich. Z.B. Gehe ich mit einer Kollegin manchmal spazieren und da muss ich sprechen, was ein gutes Training ist. Aber es gibt mal solche und solche Tage. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, ich verstehe voll viel und an anderen Tagen verstehe ich kaum etwas. Man braucht viel Geduld mit sich, was mir häufiger nicht sehr leicht fällt, weil ich gerne zu hohe Erwartungen an mich selber habe, da ich auch manchmal dazu tendiere, mich mit anderen zu vergleichen z.B. mit Vorfreiwilligen oder mit Joni. Das ist offensichtlich nicht sehr hilfreich. Allgemein muss ich auch sagen, dass es ganz schön anstrengend ist, eine neue Sprache zu lernen. Ich merke jeden Tag, wenn ich in der Einsatzstelle dem Portugiesischen ausgesetzt war, dass ich am Abend super erschöpft bin und einfach nur noch schlafen möchte. Es spielen für mich mehrere Faktoren eine Rolle beim Sprechen und Verstehen des Portugiesischen. Zum Einen fällt es mir leichter, etwas zu verstehen, wenn ich einem Gespräch zuhören muss, als wenn eine Person mich anspricht, weil ich dann gefühlt alle Wörter vergesse und nichts mehr verstehe. Über das Sprechen müssen wir erst gar nicht reden, da ist einfach nur reines Chaos in meinem Kopf. Außerdem habe ich gemerkt, dass wenn ich müde bin, ich fast gar nichts mehr verstehe.
Es ist tatsächlich aber sehr interessant, da sehr viele hier in Rio Grande de Sul deutsche Vorfahren haben und dadurch einen sehr deutschen Nachnamen haben und zum Teil sprechen sie auch Deutsch, was aber dann nicht so leicht zu verstehen ist. Z.B. waren wir das eine Mal netter Weise auf einem Geburtstag eingeladen und die Oma konnte Deutsch, aber ich konnte trotzdem nicht sehr viel verstehen. Danach habe ich mich ein bisschen schlecht gefühlt, dass ich jetzt auch noch nicht mal meine Muttersprache verstehe.

Ruhe in Padilha bekommt man ganz gut. Hier fahren nicht so viele Autos wie in der Stadt, auch wenn manchmal dann doch ein Motorrad die Straße entlang brettert. Ich mag auch die Menschen sehr gerne im Dorf, da die jeden immer nett grüßen und manche auch gerne mit anderen Personen ins Gespräch kommen. Z.B. hat uns eine ältere Dame stolz ihre Pendeluhr gezeigt.

Man kommt auch nicht zu kurz, was die Natur angeht. Wir leben hier in einer grünen Wüste. In die nächste Stadt braucht man ungefähr mit dem Auto eine halbe Stunde und davon fährt man 20 Minuten keine befestigte Straße. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir zumindest einen Arzt im Dorf haben, von dem ich auch schon Gebrauch machen musste. Das war auf jeden Fall eine Erfahrung wert, da ich gefragt wurde, ob ich eine Spritze bekommen möchte oder über sieben Tage Tabletten nehmen möchte. Und wenn ich mich richtig erinnere, bekommt man in Deutschland nicht so schnell Spritzen. Kurz zur Erklärung: Ich hatte eine Woche lang Fieber und hatte dazu noch eine Halsentzündung bekommen. Die Spritze hat auf jeden Fall gewirkt.
Das ist das einzige Nervige, dass man hier nicht so leicht weg kommt. Der Bus fährt nur zweimal pro Tag in die Stadt und er fährt nicht, wenn es zu stark regnet und das tut es gerade echt viel. Den einen Tag konnte ich auch nicht in meiner Mittagspause nach Hause, weil die Straße überschwemmt war, da der Fluss übergelaufen ist. Ich hatte daraufhin mal gefragt, ob es immer so sei, dass es so stark regnet und es wurde gesagt, dass es erst seit 2-3 Jahren Probleme mit dem Regen gibt und es höchstwahrscheinlich auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Ich finde es beängstigend, wenn man das selber mal so erlebt.

Das Haus der 6-11 Jährigen

Nun zum Projekt: „Lar Padilha“ ist in vier Gruppen unterteilt. Es gibt ein Mädchen- und ein Jungenhaus, ein Haus für alle 6-11 jährige und eine Krippe. Die Kinder gehen in einer Vormittags- und in einer Nachmittagsgruppe zur Schule, währenddessen werden über den Tag die Workshops angeboten. Auch unsere Mitarbeiter sind sehr freundlich und offen. Viele von ihnen wohnen auch hier in Padilha.

In der Zeit hier hatte ich bereits schon Geburtstag. Anfangs dachte ich, dass ich an dem Tag nur zu Hause vermissen werde und alleine nur mit Joni feiern werde, aber es ist genau das Gegenteil passiert. Es war total schön, als ich in die Einsatzstelle kam, habe ich erstmal super viele Glückwünsche bekommen und dann haben alle auch noch vor dem Mittagessen für mich gesungen. Dazu waren wir abends dann mit Kollegen etwas Essen und Trinken, wo wir viel Billard gespielt, ein bisschen getanzt haben und viel Spaß hatten. Es war ein echt toller Abend und letztendlich habe ich mein zu Hause nicht wirklich vermisst. Ich habe von allen ein Grémio-Trikot bekommen (einer der Hauptfußballmannschaften hier). Den Tag davor waren wir tatsächlich auch bei einem Spiel von der Mannschaft. Es was super interessant, da ich vorher noch nie in einem Stadion gewesen bin. Das merkte man auch schnell daran, dass ich eine Trinkflasche dabei hatte, die mir gleich am Eingang abgenommen wurde, weil man keine Wasserflaschen mit hineinnehmen durfte. Zudem musste ich dann auch noch mein Deo und meine kleine Mini-Haarbürste abgeben, wo ich nicht mehr ganz so viel Verständnis für hatte. Das Spiel an sich war voll gut, da auch Grémio gewonnen hat.

Ich bin gespannt wie die nächsten Monate hier werden und wie sich mein Portugiesisch entwickeln wird. Ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden 🙂

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