Ein neues Kapitel

Es geht los! Ich bin am Flughafen, verabschiede mich von meiner Familie und endlich geht es nach Brasilien. Ich habe so lange gewartet und jetzt ist der Traum Realität geworden. Richtig fassen kann ich es immer noch nicht, dass ich 11 Monate in Brasilien sein werde, einem fremden Land, fast 10.000 km entfernt von der Heimat. Trotzdem habe ich mich auf das, was mich erwartet, gefreut. Auf dem Weg nach Brasilien, schon das erste Dilemma, wir kriegen unseren Anschlussflug von Sao Paolo nach Porto Alegre nicht, da wir zu lange auf unser Gepäck warten mussten und es sehr voll war, dass es zeitlich einfach nicht funktionierte und wir einen späteren Flug nehmen mussten. 

Zusammen auf dem Weg nach Brasilien

Das Vorbereitungsseminar

In Porto Alegre bin ich trotzdem angekommen, jedoch mit ein bisschen mehr Stress, als nötig. Dort hatte ich mit Moritz, Jonathan, Julia und anderen Freiwilligen eine Woche lang Vorbereitungsseminar und wir wurden sehr herzlich aufgenommen. Wir hatten täglich einen portugiesisch Crash – Kurs und haben uns viel von Porto Alegre angeschaut. Zum Beispiel sind wir mit dem Auto eine Rundtour gefahren und haben uns berühmte Orte angeguckt. Danach sind wir an der Promenade langgegangen. Wir haben uns auch zwei Projekte angeguckt, damit wir einen kleinen Einblick bekommen, wie unsere Arbeit aussehen könnte, haben Acai gegessen – sehr lecker und empfehlenswert – und wir haben an einem Gottesdienst teilgenommen und ein Chorlied aufgeführt. Abends, wenn der Tagesablauf vorbei war haben Moritz Jonathan, Julia und ich viel zusammen gemacht, wie Karten gespielt oder Filme geguckt. Morgens vor dem Frühstück bin ich jeden Tag joggen gegangen manchmal mit denen, manchmal ohne. Moritz war immer dabei und wir haben uns gegenseitig ans Limit gepusht und ich vermisse das gemeinsame joggen gehen.

Erste Eindrücke

Die Woche ging sehr schnell um und dann hieß es wieder Abschied nehmen, weil Jonathan und Moritz zwar auch in Brasilien bleiben, jedoch woanders ihren Freiwilligendienst absolvieren. Ich habe die Zeit als Gruppe sehr genossen und vermissen tu ich die beiden. Im Projekt angekommen, kann der wirkliche Freiwilligendienst beginnen. Die erste Nacht im Haus war sehr kalt und zudem wurde es uns hier teils dreckig überlassen. Unsere Mitarbeiter haben uns direkt geholfen, die uns Decken, Lebensmittel, Schwämme und weitere Küchenutensilien besorgt haben, damit wir uns wie zuhause fühlen. Padilha ist ein Dorf, es leben 300 Menschen hier, wenn überhaupt und jeder kennt jeden und jeder ist gefühlt auch mit jedem verwandt. Im Supermarkt wurde ich zum Beispiel von einem Mitarbeiter darauf angesprochen, dass ich mit seinem Onkel bei einem Fußballspiel war, der im Projekt arbeitet. Es gibt in Padilha ein Bistro und der, dem es gehört, ist mit einer Mitarbeiterin, auch vom Projekt, verheiratet. Diese Überkreuzungen finde ich lustig, sind aber auch klar bei einem Dorf mit dieser Größe.

Projekt LAR Padilha

Im Projekt gibt es drei Häuser, einmal das Jungenhaus, das Mädchenhaus, ein Jungs – und Mädchenhaus bis etwa 10 Jahre und eine Krippe. Die Kinder haben immer viel zu erzählen und haben uns auf Anhieb akzeptiert. In meinen ersten Wochen dort, wurde ich von den Jungs gefragt, ob ich Lust hätte mit denen auf einer Farm zu übernachten. Wir haben zusammen abends gegessen, haben Billiard und Tischkicker gespielt, Musik gehört und manche Jungs haben auch Videospiele gespielt. Als es dunkel wurde, sind wir rausgegangen um Mikrone in der Natur zu spielen. Es gibt einen Punkt, wo ich, als sich versteckender hinlaufen muss, damit ich frei bin. Der Suchende versucht mich zu finden, um dann zum Punkt zu laufen und meinen Namen zu rufen. Manche der Jungs haben auch zeitgleich am Feuer gesessen und sich gewärmt.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich schon so früh begonnen habe portugiesisch zu lernen, da ich recht viel zu Beginn verstanden habe und auch ohne Hilfe viel ausdrücken konnte. Es ist für mich auch schön zusehen, wie sehr ich mich schon verbessert habe. Anfangs observierten wir erstmal das Projekt und schnupperten überall ein bisschen rein, um zu sehen, was uns gefällt und wo wir unsere Stärken unterbringen könnten. Ich gebe im Projekt Englischstunden, weil viele Kinder das lernen möchten, sowie Deutschunterricht für die Arbeitenden vor Ort und ich helfe bei „bem viver“ mit. Zudem biete ich jeden Freitag noch Fußball an. Das sind Workshops, wo immer eine Hand voll von Kindern teilnehmen. Bem viver  –  besseres Leben – ist ein Workshop, wo die Sensibilität zum Umgang mit der Natur den Kindern nähergebracht wird. Es wird recycelt, Müll getrennt und es wird auch in der Natur mit den Kindern zusammengearbeitet. Sei es ein Spaziergang, ein Picknick oder auch, dass wir Gemüse in einem Beet anpflanzen.

Karotten anpflanzen
Ein Spaziergang in der Natur

Freizeit

Ich spiele gerne mit den Jugendlichen Fußball. Es gibt einen Sandplatz, wo wenn gutes Wetter ist, oftmals schon welche spielen und ich einfach nur Fragen muss, ob ich mitspielen darf. Eines meiner Ziele ist es gewesen, in das Stadion zu gehen, um mir ein Fußballspiel anzugucken und es hat funktioniert. Wir sind mit unserem Chef dort hingefahren, insgesamt mehr als fünf Stunden Hin- und Rückfahrt, aber den Aufwand war es Wert. Es waren relativ viele Plätze unbesetzt, aber die Stimmung war phänomenal. Die Mitarbeiter im Projekt sind sehr hilfsbereit, freundlich und offen. Zwar gibt es keine in meinem Alter, das hat mich jedoch nicht davon abgehalten Freunde von der Arbeit zu uns nach Hause einzuladen, selber Pizza zu machen, Musik zu hören und Karten zu spielen.

Freundschaften knüpfen

Volmir, ein Mitarbeiter von mir, hatte mich in der Vergangenheit gefragt, ob ich Lust hätte mit ihm Futsal spielen zu gehen, was er nicht hätte machen müssen. Ich gehe jetzt dank dieser Einladung jeden Freitag mit ihm, seiner Familie und Freunden Futsal spielen. Ein Freund von ihm hat mich sogar zu seinem 50. Geburtstag eingeladen und es war ein echt schönes Erlebnis. Julia und ich waren die einzigen, die nicht zur Familie gehörten und trotzdem waren wir dort willkommen. Bei ihm haben wir Chimarrao getrunken, Fußball geguckt, zusammen gegessen und gefeiert. Als sein Team verloren hat war die Stimmung von ihm im Keller, amüsiert haben wir uns trotzdem.

Abgesehen davon ist es sehr interessant, dass hier viele Menschen Deutsche Großeltern, beziehungsweise Urgroßeltern haben, da zwischen dem Ende des 19. und Mitte 20. Jahrhunderts durch die deutschen Kolonien viele Deutsche nach Brasilien ausgewandert sind. Heute sind knapp 40 Prozent der Bevölkerung in Rio Grande do Sul Deutschbrasilianer; das macht sich bemerkbar. Hier wird kein Hochdeutsch, sondern eine Art Bayerisch gesprochen, was es manchmal schwierig macht es zu verstehen. Abschließend möchte ich noch sagen, dass Julia und ich eine Katze bei uns haben. Ich füttere sie, manchmal darf sie zu uns ins Haus und abends kuschelt sie sich gerne an einen ran. Auch wenn ich eher ein Hundemensch bin, haben Katzen den Vorteil, dass sie pflegeleichter sind.

Unsere Katze

Ich freue mich auf die kommenden Tage, Wochen, Monate und ich werde Ihnen darüber berichten.

Jonathan Schwennicke

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