Und schon wieder einmal sind schneller als man sich versieht zwei Monate um und damit diesmal die letzten beiden angebrochen.
Schon seit fast drei Monaten lebe ich jetzt hier in Porto Alegre und eine Sache, die mir zwar immer wieder gesagt, die ich aber nicht ernst genug genommen habe, ist, dass es unfassbar viel leichter ist, irgendwo anzukommen, wenn man die Sprache spricht.
Wenn ich mich an die ersten Monate zurückerinnere und wie schwierig die einfachsten Dinge für mich waren, weil ich nicht genug Sprachkenntnisse besaß muss ich mir eigentlich immer wieder selbst eine kleine Ohrfeige geben, dass ich nicht genug Portugiesisch gelernt habe, bevor ich nach Brasilien kam. Und das obwohl mir das alle in der Organisation und meine Vorfreiwilligen dringlichst geraten haben.
Jetzt in meinen beiden neuen Projekten ging die Eingewöhnung deutlich schneller, weil ich mich von Anfang an mit allen unterhalten konnte. Auch war es mir dadurch möglich, sofort Aufgaben zu übernehmen und eine richtige Unterstützung zu sein.
Seit ein paar Wochen leite ich in dem Projekt „Ação Encontro“ beispielsweise teils alleine einen Turnworkshop. Etwas dass ich in Padilha zwar auch schon immer gerne machen wollte, unter anderem wegen meiner schwachen Portugiesischkenntnisse aber nie anleiten konnte.
Zwar ist es auch immer noch wieder herausfordernd weil ich gerade Turnvokabular vorher eigentlich nie gebraucht und dadurch nicht gelernt habe aber es macht sehr viel Spaß, diese Begriffe, dann von den Kindern zu lernen und sie gleichzeitig von mir, wie man die Übungen ausführt.
Zusammen mit dem Professor für Zirkus, in dessen Workshopzeit ich freundlicherweise den Turnunterricht geben darf, wollen wir auch noch eine Choreografie zusammenstellen und den Eltern präsentieren, bevor ich zurück nach Deutschland gehe.
Erschreckenderweise sind es allerdings nur doch sechs Arbeitswochen für mich und in der letzten Zeit habe ich krankheitsbedingt leider auch viel gefehlt. Also heißt es jetzt ranhalten und gesund bleiben, wobei das bei den Temperaturen hier gar nicht so einfach ist.
Mit einem Mal war dann der Winter da und auch wenn die Temperaturen auf dem Thermometer immer noch nicht ganz an die Kälte eines deutschen Winters rankommen, sorgt die Luftfeuchtigkeit, die hier nie unter 70% sinkt dafür, dass es sich deutlich kälter anfühlt. Weiterhin ist die Außentemperatur die gleiche wie die Temperatur in den Gebäuden, denn nur die wenigsten haben Heizungen.

Bei allem unter zehn Grad läuft man also auch Zuhause immer mit Decken oder Winterjacke rum und schlafen tue ich mittlerweile unter stolzen fünf Decken.
Da in dem Saal von meiner Babygruppe in dem Kindergarten keine Schuhe getragen werden dürfen, habe ich mir dafür jetzt auch dicke Kuschelsocken besorgt.
In unserer Fünfer- WG ist es seitdem es so kalt ist zu einer kleinen Wäschekrise gekommen, da die Wäsche auch nach drei Tagen einfach nicht trocken wird aber wir versuchen uns mit unserem Heizstrahler zu helfen.
Abgesehen davon führt das graue und kalte Wetter bei mir aber absolut zu Weihnachtsstimmung. Eigentlich warte ich nur darauf endlich Weihnachtsfilme zu gucken, zu dekorieren und Adventskalender zu basteln. Dass hier momentan Mandarinenzeit ist, an jedem Stand Glühwein verkauft wird und es überall so schön danach duftet, hilft nicht gerade dabei, mir einzureden, dass es Juni und nicht ansatzweise Zeit für Weihnachten ist.
Meine Kolleginnen, die Weihnachten mit Sommer und Hitze und Party in Verbindung bringen lachen immer darüber, wenn ich in dicker Jacke in das graue Nieselregen- Wetter hinausgucke und sage wie toll es doch wäre, wenn jetzt Weihnachten wäre.
Hier wird im Juni stattdessen immer das „Festa do São João“ gefeiert, was häufig aber auch einfach als Junifest bezeichnet wird, weil es keinen festen Tag dafür gibt und es den ganzen Monat über Feste gibt. In meinem Projekt wird deswegen am 25. Juni ein großes Fest mit vielen Spielen und ganz viel Popcorn und Punsch gemacht. Seit ein paar Wochen basteln wir dafür schon reichlich Dekorationen.


Gedanklich beginnt jetzt aber auch schon langsam die Vorbereitung für die Rückkehr nach Deutschland. Momentan geht es vor allem viel darum wie es dann weitergeht und speziell um die Bewerbungen für die Unis. Da wir in meiner WG alle den Plan haben, im Oktober ein Studium anzufangen, gehen wir uns beim Abendessen gerne gegenseitig auf die Nerven, indem irgendwer von Bewerbungen spricht und damit alle anderen in Stress geraten.
Immer häufiger wird nun auch schon übers Packen geredet und diskutiert, wie viele Pullover und Hosen man im Flugzeug wohl übereinander ziehen kann. Ob es tatsächlich die von meiner Mitbewohnerin gewetteten fünf sind, wird sich dann im August zeigen.
Gleichzeitig überlege ich auch die ganze Zeit, was ich für die Leute hier zum Abschied machen soll und was ich meiner Familie und meinen Freunden und auch mir selbst aus Brasilien noch alles mitnehmen möchte.
Als ich hier ankam waren es so viele neue Eindrücke und die Unterschiede zu Deutschland waren so klar aber jetzt hab ich wirklich Schwierigkeiten mit dem Finger auf die Dinge zu zeigen, die hier anders sind und ich in Deutschland nicht mehr haben werde.
Irgendwann war es einfach alles Alltag und normal. Ich bin sehr gespannt auf den Kulturschock, wenn ich wieder zurück bin. Es wird auf jeden Fall viel geben, was ich vermisse.



Ich versuche die letzten Wochen hier noch in vollen Zügen zu genießen und jedes Museum, jeden Spaziergang an der Orla, jeden Spieleabend mit meiner WG noch mitzunehmen und generell noch so viel zu erleben wie möglich. Denn sieben Wochen – diese Zeit wird so unfassbar schnell vorbei sein. Ich freue mich auf alles, was ich noch erleben darf.
