Montevideo

Hola, ¿Cómo Estás?

Nun lebe ich schon seit fast drei Monaten in Montevideo in Uruguay und möchte in diesem Bericht von meinen ersten Eindrücken meines Freiwilligendienst erzählen. Dieser begann mit einem zwei-wöchigen Vorbereitungsseminar der IERP in Buenos Aires, Argentinien. Die IERP steht für „Iglesía Evangélica del Río de la Plata” (Evangelische Kirche am Rio de la Plata) und ist ein Zusammenschluss der evangelischen Kirchen in Argentinien, Paraguay und Uruguay. In diesem Seminar haben wir (insgesamt 58 Freiwillige die ihren Freiwilligendienst in Argentinien, Paraguay und Uruguay absolvieren) neben ein paar Touristen- Ausflügen und einem Spanischkurs, sehr viele verschiedene Thematiken behandelt und ich habe einiges gelernt.

Nach diesen zwei sehr informativen und aber auch anstrengenden Wochen, ging es dann nun endlich mit dem Schiff nach Montevideo, Uruguay. Dort wurden wir von sieben lieben Menschen der dortigen (methodistischen) Kirche empfangen, die oft mit uns in Kontakt treten, sich sehr um uns kümmern und uns immer helfen, wenn es nötig ist. Das ist für uns ein großes Geschenk und wir sind dafür sehr dankbar.

Ich lebe in einem Haus im Stadtteil Buceo, welches zu einer kleinen methodistischen Kirche gehört, die direkt daneben ist. Das Haus ist relativ geräumig und sehr schön, es gibt einen kleinen Garten und eine Terrasse. Hier lebe ich zusammen mit fünf anderen Freiwilligen. Drei Freiwillige kommen aus Deutschland, ein Freiwilliger aus Mexico und eine Freiwillige aus Honduras. Wir verstehen uns zum Glück alle gut und können deshalb problemlos zusammenwohnen. Dennoch war/ist es für mich noch etwas ungewohnt, mir ein Zimmer zu dritt mit Kira und der anderen deutschen Freiwilligen, Mathilda, zu teilen. Für uns unfassbar ist es, dass an jedem Samstag eine Reinigungskraft zu uns ins Haus kommt, die die Gemeinschaftszimmer reinigt. Was für ein Luxus!

Mein Highlight hier ist die Lage des Hauses, welches nämlich nur 5 Minuten zu Fuß vom Strand des Río de la Plata entfernt liegt. Das genieße ich schon jetzt sehr und freue mich besonders auf den Sommer. Der Stadtteil Buceo ist ein „besserer“ Stadtteil, besonders dicht am Wasser stehen auch einige schickere Häuser. Das ist ganz anders als der Stadtteil, in dem ich arbeite.

Meine Arbeit im Kinderheim „Hogar Amanecer“

https://hogaramanecer.uy

Das Kinderheim Hogar Amanecer“ liegt mit dem Bus eine Stunde entfernt von meinem Zuhause und es wirkt, als wäre man in einer ganz anderen Welt. Viele Menschen leben dort in winzigen Häuschen, teilweise mit Wellblech-Dächern, es laufen viele Straßenhunde und auch ein paar Wildpferde auf den Straßen umher, und einige Menschen halten sich Pferde in ihren Gärten, welche sie als Fortbewegungsmittel nutzen. Außerdem wirkt die Atmosphäre insgesamt relativ angespannt. Es ist für mich beeindruckend und zugleich auch bedrückend, diese beiden „Welten“, mein Zuhause und meine Arbeitsstelle, in diesem wahnsinnigen Kontrast zu erleben.

In dem „Hogar Amanecer“ leben Kinder und Jugendliche, die meist aufgrund von furchtbaren Lebensumständen und Gewalt nicht mehr zuhause leben dürfen. Das Heim wird vom Staat mitfinanziert und der gibt einige Richtlinien vor, die die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen oft erschwert. Zum Beispiel dürfen nur Kinder ab 5 Jahren aufgenommen werden und dort leben, bis sie maximal 18 Jahre alt sind. Während die Kinder und Jugendlichen im Kinderheim leben, wird parallel auch mit deren Familien gearbeitet und versucht, diesen dabei zu helfen, ein besseres Leben aufzubauen. In der Theorie sollen die Kinder und Jugendlichen dann nach ein bis maximal zwei Jahren im Kinderheim wieder in ihre Familien zurück gehen, in nun deutlich bessere Lebensumstände. Allerdings ist das in der Realität leider ganz und gar nicht der Fall. Rund 50% bleiben im Heim bis sie 18 Jahre alt sind und können nie in ihre Familien zurück, 45% werden von einer Adoptivfamilie aufgenommen und nur 5% können nach gewisser Zeit wieder in ihre richtigen Familien zurückkehren. Zudem haben Familien grundsätzlich in Uruguay sehr viele Rechte, weshalb die Ursprungsfamilien einmal in der Woche ins Heim kommen dürfen, um ihre Kinder zu sehen (sofern die Kinder das auch wollen, was in der Regel der Fall ist). Das erschwert die Arbeit mit den Kindern oft sehr. Im Heim sollen sie lernen, sich auf ein neues, anderes Leben zu konzentrieren als jenes, welches sie zuhause gelernt haben. Einmal in der Woche werden sie dann wieder in ihr altes Leben zurückgeworfen, sehen ihre Familienmitglieder, die sie trotz allem lieben und denen gegenüber sie sich loyal fühlen.

Die Kinder und Jugendlichen sind sehr lieb und süß, und gerade die kleineren Kinder sind extrem anhänglich. Leider verstehe ich nicht immer alles von dem, was sie sagen. Deshalb versuchen die Kinder, uns Dinge auf anderem Wege zu erklären, zu umschreiben oder zu zeigen, das ist rührend zu erleben. Vor allem aber ist es sehr schön, dass die Kinder und Jugendlichen im Heim meistens fröhlich und glücklich wirken. Außerdem macht mir die Arbeit im Hogar Amanecer sehr viel Spaß und ich fühle mich dort wohl. Es ist deutlich zu spüren, wie auch die Kinder sich immer mehr an uns gewöhnen, uns ernst nehmen und sich uns öffnen. Es ist etwas so schönes zu erleben, wie sehr die Kinder sich an jedem unserer Arbeitstage aufs Neue darüber freuen, uns zu sehen und auch ich freue mich immer sehr auf die Arbeit.

In meiner Freizeit gehe ich mit meiner Mitfreiwilligen Kira ins Gym und das ist ein wirklich guter Ausgleich für mich. Bald fangen wir einen Bachata und Salsa Tanzkurs an (zwei Tanzarten, die sehr beliebt in Uruguay sind) und da freue ich mich sehr drauf. Sowohl bei der Arbeit, als auch insgesamt hier in Montevideo fühle ich mich wohl und ich genieße die Zeit hier sehr. Ich habe schon einiges Lernen und Erfahren können und bin unglaublich gespannt, was ich in meiner kommenden Zeit im „Hogar Amanecer“ erleben werde. Außerdem bin ich bin sehr dankbar dafür, hier sein zu dürfen, all das Wissen und die Erfahrungen sammeln zu können und vor Allem aber dabei in so guten Händen zu sein und mich so willkommen zu fühlen.

Uruguay – ein kleines Land voller Überraschungen

Wir sitzen im – äußerst komfortablen – Autobus, es ist halb zwei Uhr morgens und wir haben gerade die uruguayische Grenze problemlos passiert. Jetzt ist es nicht mehr weit zu unserem Wohnort für das nächste Jahr. Meine Mitfreiwillige und ich zücken überrascht unsere Handys, um ein Foto zu machen, als schon einige Minuten nach der Grenze ein großes Ortsschild auftaucht:

Ankommen in der Stadt Mercedes

Und dass ich so pünktlich in meinem Einsatzort ankommen würde, das stand zwischenzeitlich auf Messers Schneide. Es kam nämlich dazwischen, was in den letzten zwei Jahren bei so Vielem dazwischenkam: Corona. Ein positiver Covidtest am Tag des Abflugs machte diesen leider unmöglich. Ich war also zwei Wochen in Quarantäne gewesen und dann zum Seminar in Buenos Aires nachgeflogen. Durch die super Betreuung durch das ZMÖ konnten die Flüge verlegt, die Dokumente verändert und die Einreise neu geregelt werden.

Und damit sind wir schon wieder in Mercedes und bei einer Konstanten durch meinen bisherigen Freiwilligendienst: Egal ob durch das ZMÖ in Deutschland, die Partnerorganisation IERP in Lateinamerika oder die Mentorinnen vor Ort, wir wurden immer hervorragend begleitet. So wurden wir nett am Busbahnhof empfangen und haben in den nächsten Tagen mit den Mentorinnen die Stadt mit ihren Möglichkeiten und die Einsatzstellen in einem sinnvoll organisierten Programm kennengelernt, das von vielen Jahren der Erfahrung mit Freiwilligen zeugte.

Wir, das sind übrigens ich und meine Mitfreiwillige Elisabeth. Wir wohnen gemeinsam, kommen aber von unterschiedlichen Entsendeorganisationen und Programmen und arbeiten in unterschiedlichen Einsatzstellen.

Mein neues Zuhause – die methodistische Kirche in Mercedes

Wir waren also in Mercedes angekommen, wurden zu unserer Unterkunft gebracht und fielen erstmal in unsere Betten. Wir wohnen in den Räumen der methodistischen Gemeinde in Mercedes direkt neben der Kirche und nahe am zentralen Platz. Als wir am nächsten morgen aufwachten, waren zwei Erkenntnisse gleich offensichtlich:

Der erste Morgen

Erstens war es laut. Über die Straße vor der Kirche fuhren Leute auf ihren Mofas zur Arbeit, die älteren Schüler:innen ließen die Motoren ihrer Zweiräder nochmal aufheulen, bevor sie an der nächsten Ecke an ihrer Schule zu Stehen kamen. Darüber hinaus fahren täglich private Lautsprecherwagen durch die Straßen, die Ansagen zu allen möglich Vorgängen in der Stadt machen: Das dieswöchige Theaterprogramm, den neuen Erlebnispark am Rand der Stadt, die derzeitigen Rabattangebote im Supermarkt. Allerdings sind die Lautsprecher nicht nur auf Autos, sondern auch auf Mofas und Fahrräder geschraubt, die, weil sie so langsam fahren, noch länger hörbar sind. So wird man pünktlich zu Schulbeginn zuverlässig geweckt.

Zweitens war es Ende August (noch) kalt. Da Uruguay auf der Südhalbkugel liegt, war gerade Spätwinter, weshalb nachts bis zu 0° waren. Die Kälte war auch im Zimmer gut zu spüren. Trotz der Kälte morgens wurde es mittags aber schon bis zu 27° warm. Und so kam es häufig zu der skurrilen Situation, dass ich mich morgens bei klirrender Kälte eincremte, um mittags keinen Sonnenbrand zu bekommen. Auch die Klamottenauswahl wird dadurch nicht erleichtert.

Essen

Mit der Organisation eines eigenen Haushalts kommt es zu dem, was zumindest ich als eine der größten Herausforderungen des Ausziehens wahrgenommen habe: Selbst kochen. Und das im Idealfall nach landestypischer Art und mit anderen Ressourcen als die, die man aus deutschen Supermärkten und Küchen gewohnt ist. So ist das uruguayische Essen klassischerweise relativ fleischlastig, das beliebte Grillbuffet „Asado“ ist dafür das beste Beispiel. Dies bietet sich allerdings nicht an, wenn man vegetarisch kochen will und so kommt es uns zu Gute, dass das Land auch eine ausgeprägte Kürbis- und Süßkartoffel-Tradition hat. Mit dieser Kombination lässt sich nämlich über Ofengemüse, Suppen und Pfannen eine breite Auswahl an Gerichten kochen.

Preise und Sicherheit

Uruguay wird gerne als die Schweiz Südamerikas bezeichnet, wozu es viele gute Gründe gibt. Es hat eine der höchsten Alphabetisierungsraten in Amerika, ist eine stabile Demokratie und hat äußerst niedrige Kriminalitätszahlen. Es gehört zu den wohlhabendsten Ländern Lateinamerikas. Dies führt auf der einen Seite dazu, dass man sich, gerade in einer Kleinstadt wie Mercedes, frei und ohne große Bedenken und mit einer gesunden, vorsichtigen Grundhaltung in allen Stadtteilen bewegen kann. Auf der anderen Seite haben aber z. B. Supermärkte mindestens deutsches Preisniveau. Milchprodukte, Gemüse und Hygieneprodukte liegen sogar deutlich darüber. Dafür gibt es aber auch hohe Hygienestandarts und hervorragend ausgestattete Läden.

Sprache

In Uruguay wird grundsätzlich Spanisch gesprochen. Die Sprache an sich trägt den Namen „Castellano“. Es gibt allerdings Besonderheiten des uruguayischen Spanischs. Es variiert nicht nur von dem, was in Spanien gesprochen wird, es gibt auch innerhalb Lateinamerikas Unterschiede. Dies führt dazu, dass man sich erstmal in die Eigenheiten des uruguayischen Spanischs einhören muss. Folglich merkte ich nach den ersten Wochen eine deutliche Verbesserung im eigenen Sprachverständnis. Dies wird auch dadurch befördert, dass Englisch nur sporadisch verbreitet ist, weshalb man keine Ausweichmöglichkeiten hat.

Die Arbeit

Was natürlich nicht fehlen darf, ist die Arbeit. Meine Einsatzstelle ist der Club de Niños San José Obrero. Im uruguayischen Schulsystem gibt es eine Vormittags- und eine Nachmittagsgruppe. Die Kinder, die jeweils nicht in der Schule sind, können in diesen Club kommen. Aufgrund der Lage des Clubs im sozial schwächeren Viertel der Stadt haben viele der Kinder besondere Familien- und Wohnsituationen. Deshalb arbeitet im Club neben Erzieherinnen und Lehrerinnen auch zusätzlich eine Psychologin. Es gibt täglich einen Workshop (Tanz-, Musik-, Sport- und Schwimmunterricht). Darüber hinaus gibt es Zeiten zum Spielen, zwei kleine Mahlzeiten sowie bei Bedarf Hausaufgabenhilfe. Dabei begleite ich die Kinder und unterstütze die Erzieherinnen.

Meine Arbeit ist zweifelsohne äußerst interessant. Ich erlebe jeden Tag etwas Neues, Tolles und freue mich jedes Mal, wenn ich aufs Fahrrad steige, um dorthin zu fahren. Mein Arbeitsweg ist allerdings ein ganzes Kapitel für sich und ein wahrer Slalom zwischen Einbahnstraßen, Straßenhunden und Mofas – eben voller Überraschungen, wie ganz Uruguay! Und deshalb ist er auch einen eigenen Blogeintrag wert, der von mir als nächstes erscheinen wird!