Sansibars verstecktes Paradies

In diesem Moment prasselt der Regen draußen. Die Luft ist erfüllt vom Duft der feuchten Erde und ich lausche dem Klang der fallenden Tropfen. Auf meinem Weg zur Bushaltestelle musste ich mich heute zum Teil durch überschwemmte Straßen kämpfen. Dank meiner Badelatschen war dies jedoch nur halb so wild.

Oft wird Sansibar mit einem Paradies mit endlosen Stränden, kristallklarem Meer und ganz viel Sonnenschein assoziiert. Doch gerade zeigt sich die Insel von einer etwas anderen Seite.

Schon im November hat es einige Wochen lang stark geregnet, was vor allem bestimmte Freizeitaktivitäten eingeschränkt hat. Aus diesem Grund habe ich der Regenzeit im Frühjahr mit großer Skepsis entgegengesehen. 

Vor allem in den letzten Monaten habe ich die ein oder anderen Orte gefunden, an denen ich mich gern mit meinen Freund*innen treffe. Viel Zeit verbringe ich in Stonetown. Zum einen wohnen dort andere Weltwärts-Freiwillige und zum anderen auch lokale Freund*innen von mir. Deshalb kann ich mich auch an keinen Tag erinnern, an dem ich durch die kleinen Gassen der Stadt geschlendert bin, ohne jemanden zu treffen, den/die ich kenne und mit der/dem ich mich unterhalten habe. Insbesondere die Floating-Bar ist zu einem Ort geworden, an dem wir uns besonders gern aufhalten, egal, ob es zum Schwimmen, zum Tagebuch schreiben, zum Sonnenuntergang schauen oder zum Tanzen und Musikhören ist. Dabei handelt es sich um eine Art Bar oder Lounge, die auf dem Wasser schwimmt bzw. auf schwimmenden Plattformen platziert ist. Davon gibt es mittlerweile auch zum Glück wieder zwei Stück in Stonetown (nachdem die eine kurzer Zeit verschwunden war, weil sie unterging).

Gern verbinde ich meine Treffen mit Freund*innen mit Essen. Manches Mal haben wir gemeinsam gekocht, etwas gebacken, uns durch das ein oder andere Restaurant getestet oder einfach etwas zu Essen to go“ geholt und uns ans Wasser gesetzt. Auch da habe ich einen Ort, an dem ich besonders gern den Sonnenuntergang anschaue. Dort sitze ich, entweder allein oder mit Freund*innen, auf einer Art Steinmauer und schaue auf das Meer, wo immer wieder verschiedene Boote zu entdecken oder Menschen beim Fußballspielen zu beobachten sind.

Dies ist durch die aktuelle Regenzeit etwas eingeschränkt. Erst hatte ich ein bisschen Angst, dass ich dadurch vielleicht vereinsame, aber glücklicherweise ist es ganz anders gewesen. 

Während Ramadan hatte die Schule, in der ich tätig bin, geschlossen bzw. sind nur die höheren Grundschulklassen für den Unterricht gekommen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, während dieser Ferien etwas zu verreisen. Ich hatte das große Glück, dass ich gemeinsam mit einem engen Freund auf das Festland nach Iringa fahren und einen Großteil seiner Familie kennenlernen konnte. Ich wurde von allen Menschen, die ich dort kennengelernt habe, liebevoll aufgenommen und war gefühlt jeden Tag bei irgendwem zu Hause eingeladen. 

Ebenso herzlich habe ich die Ramadan-Tage erlebt, die ich zum Teil noch auf Sansibar verbracht habe. Erst hatte ich die Befürchtung, dass ich dadurch, dass ich auf einem Kirchengelände wohne, vielleicht gar nicht die Möglichkeit bekomme, Iftar, das Fastenbrechen am Abend während des Ramadan, mitzuerleben. Aber es kam, wie so oft, ganz anders als erwartet. Gemeinsam mit anderen Freundinnen von mir war ich sogar bei mehreren Familie eingeladen, um gemeinsam beisammen zu sitzen und das Essen am Abend zu genießen. So habe ich auch mitbekommen, dass Iftar bei jeder Familie etwas anders abläuft. Während manche nur in ihrem engsten Kreis zusammensitzen, wird bei anderen für eine ganze Fußballmannschaft gekocht. Darunter eben nicht nur Verwandte, sondern auch Freunde*innen, Nachbar*innen und andere Bekannte. Manchmal saßen Männer und Frauen beim Essen zusammen. Andere Male haben wir uns aufgrund des Geschlechtes auf verschiedene Räume verteilt. Bei allen Familien, wo ich eingeladen wurde gab es immer eine große Auswahl an Essen. Darunter waren zum Beispiel: 

„Pilau“: ein herzhaftes Reisgericht, das oft mit Gewürzen wie Kurkuma, Kardamom, Zimt und Nelken zubereitet wird. Oft wird es mit Gemüse, wie Tomaten, Karotten und Paprika sowie Fleisch verfeinert. 

„Wali na Maharage“: eine traditionelle Reis- und Bohnenmahlzeit. „Wali“ bezeichnet den gekochten Reis, während „Maharage“ Bohnen sind. Die Bohnen werden normalerweise mit Gewürzen wie Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten und Kokosmilch gekocht.

Urojo, auch bekannt unter „Zanzibar Mix“: eine traditionelle Suppe, die aus einer Mischung von, Kartoffeln (meist „Kachori“: eine Art frittierte Kartoffelbällchen), Eiern, „Bagia“ (eine Art Falafel), wenn gewünscht Fleisch und verschiedenen Gewürzen zubereitet wird. Sie hat einen erfrischenden, säuerlichen Geschmack und wird oft mit Limetten- oder Tamarindensaft serviert. Die gelbe Farbe kommt dabei von Kurkuma. 

„Mandazi“: frittierte Teigbällchen, die eine beliebte Beilage oder Snack sind. Sie werden aus einem Teig aus Mehl, Zucker, Kokosmilch und Gewürzen hergestellt und sind leicht und luftig.

„Tambi“: Spaghetti 

„Kachumbari“: ein typischer Salat, der oft zu Reisgerichten auf Sansibar und in Tansania serviert wird. Er wird meist aus Tomaten, Zwiebeln und grünen Paprika gemacht. 

„Chapati“ oder „Mkate wa Ufuta“: „Chapati“ ist ein dünnes, weiches Fladenbrot und „Mkate wa Ufuta“ ist ein Brot, das mit Sesamsamen bestreut oder darin gebacken wird. Beides sind wichtige Bestandteile vieler ostafrikanischer Mahlzeiten.

Außerdem natürlich auch Fisch und Fleisch, sowie die wohl leckersten Säfte, die ich je getrunken habe und natürlich Datteln. 

Ebenso glücklich kann ich mich schätzen, dass ich sogar Eid, also das Ende des Fastenmonats, mit einer muslimischen Familie feiern durfte. Dafür haben wir Frauen uns sogar alle aus dem gleichen Stoff ein Gewand nähen lassen und haben schließlich alle ein rotes Kopftuch aufgezogen. Auch die jüngeren Mädchen haben Partnerlook getragen. Am Abend vorher ging es für uns noch zu einem Saloon, wo wir uns Hennas auf die Hände (und zum Teil Füße) malen ließen. Morgens um 6.00 Uhr ging es dann zum Beten, wo wir uns auf einer großen Wiese versammelt haben und Frauen und Männer getrennt voneinander saßen. Zum Glück hat mir mein Freund am Vorabend noch eine kleine Einweisung gegeben, wie ein solches Gebet abläuft. 

Anschließend haben wir alle gemeinsam Frühstück gegessen, danach für den Abend gekocht und schließlich zusammen gefeiert. Es war eine so tolle Erfahrung, dieses wichtige muslimische Fest miterleben zu dürfen, wofür ich unfassbar dankbar bin. 

Insgesamt habe ich gemerkt, wie gern ich unter anderen Menschen bin. Ich brauche tatsächlich nur wenig Zeit für mich selbst, weshalb ich trotz des momentanen Regens eigentlich wenig zu Hause allein rumsitze. 

In der letzten Woche habe ich zum Beispiel viel mit Freund*innen oder der Familie Maloda gekocht und zusammen gegessen. Wir saßen gemeinsam zusammen, haben Armbänder geknüpft, Musik gehört, Tagebuch geschrieben oder Sport gemacht. 

Dadurch wurde mir nochmal klar, dass es nicht immer das strahlende Sonnenlicht und die endlosen Strände sind, die das Paradies ausmachen. Es sind die Begegnungen, die Gespräche und die gemeinsamen Erlebnisse, die einen Ort wirklich zu einem Paradies machen. Auch wenn die Regenzeit ihre Herausforderungen mit sich bringt, so bin ich doch dankbar für die kostbaren Momente, die sie mir schenkt – Momente der Verbundenheit und des Miteinanders, die jede Regenwolke vergessen lassen.

198 Schritte

Hallo zusammen, lasst mich euch mitnehmen auf jeden Schritt meines Arbeitsweges von etwa 2 Metern Luftlinie und 198 Schritten (ja, ich habe gezählt). Glaubt mir es ist spannender, als es sich anhört… 

Willkommen zurück in Kimara Korogwe 

Nachdem ich mir jeden Morgen in Eile eine Tasse Kaffee reinkippe, eine Angewohnheit, die ich wohl leider nicht in Deutschland lassen konnte, verlasse ich unser Zimmer. Aufgewacht bin ich durch den Lärm, der aus den Klassenräume kommt, die gegenüber unseres Balkons, in etwa 2 Metern Entfernung liegen. (Die Versuchung eine Brücke rüber zu bauen, um meinen Arbeitsweg noch weiter zu verkürzen, ist durchaus da…)


Ich verlasse also das Zimmer, an dessen Tür „Karibu, Karo&Cora“ steht, damit die Jungs sich endlich mal unsere Namen merken und komme an ihren Zimmern vorbei, während ich über den Flur unseres Stockwerks laufe. Hier leben wir, wie bereits im letzten Blockbeitrag erwähnt, zusammen mit etwa 60 Jungs, welche die Secondary Schule besuchen. Da seit dem Beginn des neuen Schuljahres im Januar viele neue Jungs dazugekommen sind, haben wir ein paar Abende auf dem Sofa vor unserer Tür gebrauch, um sie kennenzulernen (langsam läuft es mit den Namen). So laut und testosterongeladen es auch manchmal mit ihnen ist, wir haben sie in dem einen Monat Ferien dann doch vermisst und ich bin sehr froh sagen zu können, das einige von ihnen zu engen Freunden geworden sind. 

Unsere Zimmertür

Gerade laufe ich also an ihren Zimmern vorbei zu unserem neuen, noch nicht ganz fertig gebauten Treppenhaus. Ich treffe John, einen Bauarbeiter, der hier seit Monaten an den niemals endenden Projekten unseres Pfarrers mitbaut und mit dem ich schon viele spannende Gespräche hatte. Unten nach der Treppe, muss ich eine kleine Brück überqueren und befinde mich dann auf dem Vorplatz der Kirche. Heute an einem Montagmorgen ist er leer. Gestern Abend standen hier etwa 100 Stühle, die Gemeinde hatte einen Filmabend veranstaltet. Zusammen mit ein paar Freunden und vielen anderen Gemeindemitgliedern habe ich „God’s not dead“ geschaut und mich darüber gefreut, dass sich der Film überraschend kritisch mit dem Thema Glaube beschäftigt. Ein paar Stunden davor standen hier mehrere tausend Stühle. So wie jeden Sonntag haben ungefähr 5000 Menschen den Gottesdienst besucht und hier über 5 Stunden gesungen und der Predigt zugehört. Ja… fünfstündige Gottesdienste sind tatsächlich gewöhnungsbedürftig gerade, wenn man wie ich eher wenig von der stundenlangen Predigt auf Swahili versteht. Aber mit Freunden und den ganzen Kindern der Kirche, lässt es sich mittlerweile ganz gut aushalten. 

Ich gehe nun über den leeren Kirchenhof und komme an dem kleinen Supermarkt der Gemeinde vorbei, treffe Gemeindemitglieder, Handwerker oder Busfahrer, von denen einige auch schon zu Freunden geworden sind, weil sie wir wir den ganzen Tag auf dem Gelände unterwegs sind. Dann begegne ich Lehrkräften, die wie ich auf dem Weg zur Schule sind und schon rennen auch die ersten Schulkinder auf mich zu. Da nun mittlerweile fast 1500 Kinder die Jerusalem Pre- and Primaryschool besuchen und fast alle Klassen Deutschunterricht haben, kann ich nicht immer alle Kinder zuordnen aber es ist mit der Zeit auf jeden Fall auch schon einfacher geworden. Zusaummen mit den Kindern, komme ich am Eingang zum Jerusalem home vorbei. Hierher werde ich später zurückkehren, wenn die Schule für die Vorschüler nach dem Mittagessen vorbei ist. 

Dann stehe ich vor der Schule, die in den letzten Wochen so schnell um ein Stockwerk gewachsen ist, dass sie mir immer noch zu hoch vorkommt. Hinter mir, unten auf einer etwas matschigen freien Fläche sind gerade alle Schüler der Secondary Schule versammelt, die vor ihrem Gebäude eine Morgenrunde haben. Ich winke ihnen kurz und drehe mich wieder um. Dienstags bis Donnerstags unterrichte ich vor Schulbeginn in der Halle, die wir nun durchqueren die ca. 50 Newcomer aus allen Klassen, die an ihren alten Schulen kein Deutschunterricht hatten und nun nachholen müssen, was ihre Klassenkameraden bereits gelernt haben. Da heute aber Montag ist, laufe ich durch die Halle zum Lehrerzimmer, setzte mich auf meinen Platz und fange an die Hefte zu korrigieren, die ich letzte Woche nicht geschafft habe. Nun beginnt mein Vormittag, den ich entweder hier mit Korrigieren oder Vorbereiten von Unterricht oder in den Klassen mit Mister Denis, dem Deutschlehrer verbringe. 

So viel also zu meinem Arbeitsweg, den ich heute wahrscheinlich noch 10 mal gehen werde, weil er eben auch Teil meines neuen Zuhause ist. 🙂

Ankommen in Tansania – Von Abenteuer bis Alltag

Mittlerweile sind mehr als zwei Monate seit meiner Ankunft in Tansania vergangen. Die Zeit verging wie im Flug und es hat sich seitdem viel getan. 

Die ersten Tage und Wochen waren voller neuer Eindrücke und Abenteuer. Alles erschien neu und ungewohnt und die alltäglichsten Dinge wurden zur Herausforderung. 

Angefangen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, das sind hier in Mwanza hauptsächlich Kleinbusse namens „DallaDalla“. Als ich an meinem ersten Tag in Mwanza in die Innenstadt fahren wollte, hielt ich einfach per Handreichen irgendeinen der unzähligen Kleinbusse an und kam damit glücklicherweise auch in der Innenstadt an. Trotzdem hatte ich viele Fragezeichen im Kopf. Erst im Laufe der nächsten Tage wurde mir klar, dass es eigentlich echte Haltestellen gibt, diese nur nicht ausgeschildert sind. Und dass auf den Bussen immer die jeweilige Stadtviertel stehen, zwischen denen die Busse hin und her fahren. Die Bezahlung läuft über den Conductor (Busbegleiter), welcher in der Regel beim Aussteigen der Passagiere 500 tansanische Schilling pro Person einsammelt. 

Man sagt sich hier, dass ein DallaDalla niemals voll werden kann und dass immer noch eine Person mehr reinpasst, und so ist es auch wirklich. Ich hätte nie geglaubt, dass in solch einen kleinen Bus 25-35 Personen reinpassen.

Eine weitere Herausforderung war natürlich die Sprache. Trotz eines Sprachkurses zu Beginn der Zeit in Tansania, fiel die Kommunikation in den ersten Wochen doch recht schwer. Dennoch macht man gerade zu Beginn große Fortschritte und schnell waren die wichtigsten Vokabeln für Smalltalk und Einkauf gelernt. Mittlerweile funktioniert die Kommunikation im Alltag recht gut, auch wenn es oft eine Mischung aus Kiswahili, Englisch und Gestik & Mimik ist.

Auch das Thema Nahrungsmittel war für mich zu Beginn etwas herausfordernd. Angefangen damit, dass ich erstmal herausfinden musste, wo man hier Lebensmittel einkauft. Es stellte sich schnell heraus, dass das Konzept eines Supermarktes hier kaum verbreitet ist und das man üblicherweise in kleinen Shops und Straßenständen einkauft. Da hier nicht jeder Haushalt über einen Kühlschrank verfügt und auch wenn man einen besitzt, dieser durch öfters auftretende Stromausfälle nicht zuverlässig kühlt, geht man hier üblicherweise jeden Tag frische Lebensmittel einkaufen. Eine großer Kontrast zu meinen Wocheneinkäufen in deutschen Supermärkten.

Die Lebensmittel hier sind übermäßig regional und saisonal, es wird immer frisch gekocht und es wird mit wenigen verarbeiteten Lebensmitteln gekocht. Da alles sehr frisch ist und aus der Region kommt, schmeckt das Obst und Gemüse oft sehr gut. Vor allem frische Mangos, Ananas, Passionsfrucht, Avocado und Papaya esse ich hier sehr viel und sehr gerne. 

Ansonsten sind weit verbreitete Mahlzeiten z.B. Maisbrei mit kleinen Fischen, Reis mit Bohnen, Reis mit Hühnchen, Reis mit Rindfleisch oder Maisbrei mit frischem Fisch aus dem Viktoriasees.

Gegessen wird oft mit den Händen oder mit einem Löffel. Messer und Gabel findet man hier eher selten. 

Auch die Zubereitung von Mahlzeiten mit anderer Küchenausstattung, anderen Lebensmitteln und Gewürzen war anfangs herausfordernd.

Trotz dieser Herausforderungen in den ersten Tagen und Wochen finde ich es bemerkenswert, wie anpassungsfähig der Mensch ist und wie schnell er sich an das neue Umfeld gewöhnt. 

Schnell hatte ich einen relativ geregelten Alltag mit Routinen aufgebaut.

Die wichtigsten Vokabeln zum Smalltalk und einkaufen waren ebenfalls schnell gelernt.

Mittlerweile gebe ich drei Mal die Woche Englisch und Computer Unterricht an einem College und arbeite einmal die Woche in einem Kindergarten. Dazu unterstütze ich noch bei dem Tourismusprojekt „Charming Bungalows“. 

In meiner Freizeit mache ich viel Sport, gehe Laufen, spiele Volleyball oder gehe ins Fitnessstudio.

Aus dem anfänglichen Abenteuer ist ein Stückweit Alltag geworden, das DallaDalla fahren nicht mehr so aufregend wie zu beginn und das Essen nicht mehr so ungewohnt.

Dennoch gibt es noch vieles zu Lernen, Erkunden und zu Entdecken.

Für mich haben die ersten Wochen und Monate vor allem gezeigt, wie wichtig es ist, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen. Die Zeit hier hat mir aber auch gezeigt, wie anpassungsfähig der Mensch ist, wie schnell man sich an ein neues Umfeld gewöhnt und wie schnell man dazulernt.

Eine der Gründe von mir für einen Freiwilligendienst war es, ganz bewusst die eigene Komfortzone zu verlassen, um eine neue Herausforderung in einem fremden Land zu suchen. Ich bin sehr froh, diesen Schritt gewagt zu haben, denn ich merke schon jetzt, dass ich mich dadurch persönlich weiter gewachsen bin. 

Außerdem hat mir der Start in einem neuen Land gezeigt, dass es mir möglich ist, ein „neues“ Leben in einem völlig anderen Land zu beginnen und das anfängliche Schwierigkeiten schnell verflogen sind. Das gibt mir auch Selbstsicherheit für zukünftige Neustarts.

DallaDalla
kleiner Shop
Supu Samaki (Fischsuppe)
Viktoriasee

Tschüss Deutschland und Karibu Tansania!

Kimara Korogwe: Die Straße, in der ich wohne

Ankunft in Tansania

Hallo, ich heiße Coralie bin 19 Jahre alt und habe vor fast zwei Monaten meinen kleinen hessischen Heimatort gegen die größte tansanische Stadt, Dar Es Salaam, mit bald 6 Millionen Einwohnenden getauscht. Hier werde ich für 11 Monate einen Freiwilligendienst an einer Grundschule absolvieren.

Nachdem schon auf dem letzten Vorbereitungsseminar in Hamburg viele Abschiedstränen geflossen sind, wurde bei mir die Vorfreude in den Wochen vor dem Abflug größer als die Angst vor den Abschieden. Ich konnte es kaum abwarten endlich selbst zu sehen, ob sich meine Erwartungen erfüllen werden oder wie anders am Ende doch alles ist.

Am 22.08.23 ging es dann auch wirklich für mich los. Ich hatte mich bereits ein paar Tage vorher auf Island von meiner Familie verabschiedet und habe dann in Frankfurt noch meinen Großeltern und ein paar engen Freunden Tschüss gesagt und schon saß ich zusammen mit meinem Mitfreiwilligen Julius im Flieger nach Istanbul. Dort haben wir dann zwei weitere Freiwillige, Frida und Sarah getroffen und sind direkt weiter nach Dar Es Salaam geflogen. Mit der Ankunft um 2:30Uhr in Tansania, hatte ich bereits den Ort meines Freiwilligendienstes erreicht, während die anderen noch weitermussten. Da Julius Weiterflug allerdings gecancelt wurde, haben wir die Zeit in Tansania gemeinsam gestartet. Vom Flughafen wurden wir von dem Deutschlehrer der Schule, an der ich arbeite, abgeholt. Eine Parkkralle und viele holprige Straßen später sind wir gegen 4:30Uhr bei meiner Mentorin zuhause angekommen, bei der wir die ersten zwei Nächte geschlafen haben. 

Den ersten richtigen Eindruck von Daressalaam habe ich dann auch erst ausgeschlafen am nächsten Nachmittag bekommen. Julius und ich haben uns auf die Suche nach dem indischen Ocean gemacht und sind dabei an einem Fischmarkt, einem Fußballplatz, vielen Ziegen und sehr vielen aufgeschlossenen Menschen vorbeigekommen. Ein Unterschied, der direkt auffällt, in Tansania ist das Straßenleben sehr viel aktiver als in Deutschland. Überall gibt es Straßenstände oder kleine Läden, an denen Gemüse, Obst, Kleidung, Fingerfood, Stoffe und vieles mehr verkauft wird und man kann daran eigentlich nicht vorbei gehen ohne, dass einem ein „Karibu!“ (Wikommen!) zugerufen wird.

Nach dem entspannten Start bei meiner Mentorin zuhause, wurden die nächsten drei Tage umso aufregender. Zunächst habe ich meine Mitfreiwillige und Mitbewohnerin Karo kennengelernt. Wir wohnen zusammen auf den Kirchengelände, der KKKT Lutheran Parish in dem Stadtteil Kimara. Auf dem Gelände befindet sich neben dem Gebäude, in dem wir wohnen, eine Kirche, in der jeden Tag ein Gottesdienst stattfindet und jeden Sonntag mehr als 4000 GottesdienstbesucherInnen Platz finden. Außerdem gehört zu der Gemeinde ein Krankenhaus, die Pre- und Primary School, in der ich arbeite, eine Secondary School und ein Waisenhaus, in dem meine Mitfreiwillige arbeitet. In den ersten Tagen konnten wir bereits viele Gemeindemitglieder sowie die beiden Pastoren der Gemeinde kennenlernen, die uns sehr freundlich empfangen haben. Zudem haben wir im Waisenhaus zu Abend gegessen und hatten somit die Möglichkeit bereits Karos Einsatzstelle und die Kinder kennenzulernen. Sonntags konnten wir mit anderen weltwärts Freiwilligen außerdem die deutsche Gemeinde in Daressalaam kennenlernen, die einmal im Monat einen Gottesdienst feiert.


Sprachkurs

Nach vier Tagen in Daressalaam, sind wir dann zu siebt Richtung Morogoro zu unserem zweiwöchigen Sprachkurs aufgebrochen. Dort habe ich mit 18 weiteren Freiwilligen auf den Campus einer Secondary School gewohnt. Wir haben in dieser Zeit nicht nur viel Swahili Grammatik gelernt, sondern auch, wie man typisch tansanisches Essen kocht. Wir waren wandern, haben Morogoro kennengelernt, Sonnenaufgänge angeschaut und viel über Tansania erfahren. Ich fand Besonders den Austausch mit den anderen Freiwilligen schön und dass unsere LehrerInnen so viel Spaß daran hatten, uns einen Einblick in die tansanische Kultur und Sprache zu geben. Insgesamt hat der Sprachkurs in Morogoro für einen sehr angenehmen Start in ein so aufregendes Jahr gesorgt.

Morogoro, kochen von typisch tansanischen Essen

Erste Arbeitswochen

Eigentlich ist meine Einsatzstelle die Jerusalem Pre- und Primaryschool. Diese Schule wird von etwa 1300 SchülerInnen besucht und ist die einzige in Dar Es Salaam, in der Deutsch Unterrichtet wird. Ich arbeite allerdings erst seit zwei Wochen an der Schule, da der Deutschlehrer, den ich hier unterstütze zuvor in Deutschland war, um die Partnerschaft mit einer Hamburger Schule zu stärken.
Meine ersten Arbeitswochen habe ich also zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Karo im Waisenhaus „Jerusalem Home“ verbracht. Im Jerusalem Home wohnen aktuell 38 Kinder, die zwischen 2 Monate und 13 Jahre alt sind und aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Familien wohnen. Sie sind auf zwei Stockwerke verteilt, um eine bessere Betreuung zu gewährleisten. Im zweiten Stock des Gebäudes wohnen die sechs jüngsten Kinder und mit ihnen in Tag- und Nachtschichten immer mindestens zwei Betreuerinnen. Im ersten Stock wohnen die älteren Kinder, von denen fast alle schon in die Schule gehen. Vormittags sind dort nur vier Kinder zuhause. Unsere Aufgabe war es entweder oben oder unten mit den Kindern zu spielen, sie zu wickeln, zu baden, ihnen beim Essen zu helfen oder die Betreuerinnen beim Abwasch oder Wäschefalten zu unterstützen. Während es vormittags meisten relativ entspannt ist, mit wenigen Kindern, kann es um so chaotischer werden, wenn Nachmittags alle Kinder da sind. Die Arbeit hat mir trotzdem immer sehr viel Spaß gemacht und ich gehe immer noch jeden Tag, nach der Arbeit in der Schule, rüber ins Waisenhaus, um die Kinder zu sehen, die mir jetzt schon sehr ans Herz gewachsen sind.
In der Schule versuche ich den Deutschunterricht zu unterstützen und korrigiere zudem die Hausaufgaben der SchülerInnen. Auch hier gibt es, wie im Waisenhaus, immer genug zu tun, da alle Stufen Deutschunterricht haben und es nur einen Deutschlehrer gibt.

Freizeit

Da unsere Arbeitsstunden sehr unterschiedlich sind und wir auch oft bis Abends im Waisenhaus bei den Kindern sind, ist auch unsere Freizeit eher ungeregelt. Oft müssen wir uns erstmal um den Haushalt kümmern, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen. Da wir das Waschen mit der Hand nicht gewöhnt sind und sich über den Tag auch immer viel Geschirr ansammelt, was abgewaschen werden muss, dauert der Haushalt oft länger als wir denken und es bleibt daher unter der Woche nur wenig Freizeit. Wir nutzen allerdings oft die Mittagspause um uns auszuruhen und sind auch manchmal schon früher auf unser Zimmer gegangen, wenn es uns zu viel wurde. In dem Gebäude, in dem wir wohnen, leben mit uns ca. 60 Jungs im Alter von 13 bis 20 Jahren, die auf die Secondary School gehen, welche ein Internat ist. In den letzten Wochen haben wir die Jungs von unseren Gang immer besser kennengelernt und lassen den Tag oft gemeinsam mit ein paar Runden UNO ausklingen.
Mehr Freizeit haben wir dann an den Wochenenden, an denen wir häufig in die Innenstadt fahren und dort auf Märkte gehen, Cafés testen oder einen Standspaziergang machen. Von Kimara aus dauert es etwa eine Dreiviertelstunde mit dem Schnellbus in die Innenstadt. Neben dem Schnellbus kann man aber auch verschiedene Daladalas (Kleinbusse) nehmen, bei denen wir aber nie ganz sicher sind wo wir am Ende raus kommen. So haben wir allerdings auch schon einige schöne Ecken der Stadt ungeplant entdeckt. Insgesamt ist es immer aufregend sich in Dar Es Salaam zu bewegen, es ist immer etwas los und wir haben schon an den verschiedensten Orten sehr coole Menschen kennengelernt.

Frauenrechte in Tansania

Tansania hat im Laufe der Jahre große Fortschritte im Bereich der Frauenrechte erreicht. Die Regierung und verschiedene Organisationen arbeiten unermüdlich daran, Frauen zu stärken, geschlechtsspezifische Diskriminierungen zu beseitigen und Chancengleichheit für alle zu schaffen. Derzeit liegt Tansania im Global Gender Gap Report auf Platz 68.

Rechtlicher Schutz

Es wurden mehrere rechtliche Maßnahmen zum Schutz und Förderung der Rechte von Frauen ergriffen. Das Land ist Unterzeichner verschiedener internationaler Abkommen, darunter das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Im Jahr 2021 erließ Tansania das Ehegesetz, mit dem das Mindestheiratsalter für Mädchen und Jungen auf 18 Jahre angehoben wurde. Damit soll zur Verringerung von Kinderehen und zur Förderung der Bildung von Mädchen beitragen werden. „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“ ist seit 2015 ein Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Wirtschaftliche Stärkung

Die Verbesserung der wirtschaftlichen Möglichkeiten von Frauen ist für ihre allgemeine Stärkung von entscheidender Rolle. In Tansania wurden zahlreiche Initiativen gestartet, um Unternehmerinnen zu unterstützen und ihnen Zugang zu Kapital, Ausbildung und Märkten zu verschaffen. Micro Finance Programs, wie z.B. die Tanzania Women’s Bank, wurden eingerichtet. Projekte wie diese unterstützen Frauen bei der Gründung und Erweiterung ihrer Unternehmen. Wegen dieser Bemühungen entstand eine größere finanzielle Unabhängigkeit und ein verbesserter Lebensstandard im ganzen Land. Die Weltbank kam zu der Erkenntnis, dass 40% des tansanischen Bruttoinlandsprodukts von Frauen erwirtschaftet.

Familienplanung34% verheirateter Frauen nutzen Verhütungsmittel (31% Land, 46% Stadt)
5,4 Geburten pro Frau (3 Kinder bei höherem Bildungsniveau, 7 bei niedrigerem)
Kinderehen und frühzeitige Schwangerschaften37% aller Mädchen vor dem 18. Lebensjahr verheiratet
23% aller 15 – 19 jährigen bereits Mutter
Blutarmut60% der Kinder & 50% der Frauen leiden an Anämie, durch Unterversorgung mit Eisen und Folsäure
Kinder- und MüttersterblichkeitKindersterblichkeitsrate bei 4,3% (Kinder, die vor ihrem 5. Lebensjahr sterben); Stand 2022
Müttersterblichkeitsrate bei 0,542%; Platz 169 im internationalen Vergleich; Stand 2017
GenitalverstümmelungDurch Traditionen verbreitet
2019: 10% aller Frauen und Mädchen genitalverstümmelt
Häusliche Gewalt & Vergewaltigungentritt vermehrt auf, wird aber nicht zur Anzeige gebracht; Länderreport 45 Stand 11/2021
politische Teilhabeseit 2005 Frauenquote von 30% im Parlament
seit 2021 weibliche Präsidentin
Alphabetisierungsrate78,2% der Frauen können lesen; Stand 2021
Sozioökonomische Faktoren der Lage von Frauen und Kindern in Tansania

Zugang zu Bildung und Gesundheitsdiensten

Bildung spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Tansania hat, vor allem unter Präsidentin Samia Hassan, weitreichende Anstrengungen auf sich genommen, um weitreichenden Zugang zu Bildung zu gewährleisten. Die Regierung hat Maßnahmen und Programme zur Verringerung der geschlechtsspezifischen Ungleichheit im Bildungsbereich eingeführt. Besonders Präsidentin Hassan hat sich für die Bereitstellung kostenloser Grundschulbildung und Initiativen eingesetzt, die sich an marginalisierte Gemeinschaften richten. Dennoch gibt es nach wie vor Probleme wie Kinderehen, Armut und kulturelle Normen, die den Fortschritt bei der Bildung von Mädchen unterbinden. Mehr als 50% der Schülerinnen brechen nach der 7. Klasse ab, da sie sich die Schulgebühren für die secondary school nicht leisten können.

Im Bereich der Gesundheitsversorgung hat Tansania Schritte unternommen, um den Zugang von Frauen zu Gesundheitsdiensten zu verbessern. Die Müttersterblichkeitsrate ist zurückgegangen. Es wurden auch Anstrengungen unternommen, um Zugang zu Familienplanung und Mütterbetreuung zu verbessern. Dennoch sind weitere Investitionen erforderlich um anhaltende Probleme, Zum Beispiel die unzureichende Infrastruktur des Gesundheitswesens, anzugehen.

Geschlechterspezifische Gewalt

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor eine große Herausforderung in Tansania. Die Regierung hat Gesetze und politische Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt erlassen. Darunter zählt das Gesetz über Sonderbestimmungen für Sexualdelikte und der Nationale Aktionsplan zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Kinder. Neben dem Staat spielen Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese arbeiten an der Sensibilisierung der Gesellschaft, der Bereitstellung von Unterstützungsdiensten und dem Eintreten für Überlebende. Die Umsetzung und Durchsetzung dieser Maßnahmen müssen jedoch signifikant verbessert werden, um geschlechtsspezifische Gewalt zu verringern.

Repräsentation in der Politik

Politisches Empowerment ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter. In Tansania hat die Frauenquote in der Politik stetig zugenommen und es wurde eine Geschlechterquote eingeführt. Daher bekleiden immer mehr Frauen politische Ämter. Es bleibt jedoch noch einiges zu tun, um eine gleichberechtigte Vertretung zu gewährleisten. Dazu gehört auch, die systembedingten Hindernisse zu beseitigen, die einer umfassenden Beteiligung von Frauen an der Politik im Wege stehen.

Ziele in der Zukunft

Tansania hat große Fortschritte bei der Förderung der Frauenrechte gemacht. Diese wurden durch Bildungs- und Rechtsreformen, Initiativen zur wirtschaftlichen Stärkung und Verbesserungen im Gesundheitssystem vorangetrieben. Dennoch müssen die Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen und die internationale Gemeinschaft weiter gemeinsam daran arbeiten, anhaltende Herausforderungen zu meistern. Dazu zählen Probleme, wie die geschlechtsspezifische Gewalt und die kulturelle Normen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Durch die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Inklusion der Frauen kann in Tansania eine Gesellschaft geschaffen werden, in der jede Frau die Möglichkeit hat, sich zu entfalten, einen Beitrag zu leisten und gleiche Rechte und Chancen zu genießen.

Quellen:

https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/unser-engagement/aktivitaeten/genitalverstuemmelung-in-afrika/fgm-in-afrika/1434-vereinigte-republik-tansania

https://www.weltherz.org/2019/05/https://www.https://www.weltherz.org/2019/05/10/frauen-und-mutterrolle-in-tansania/weltherz.org/2019/05/10/frauen-und-mutterrolle-in-tansania/10/frauen-und-mutterrolle-in-tansania/

https://data.worldbank.org/

Bildquelle:

https://media.globalcitizen.org/thumbnails/fb/12/fb12efe2-393c-4cdb-bc06-13a22c5d0c70/womens-rights-human-rights.jpg__1500x670_q85_crop_subsampling-2.jpg

Kiswahili

Einfach Sprechen

Gerne würde ich diesen Blogeintrag meinem vergangenen Ich vorlesen und davon berichten, wie es ist, in einem Land zu leben, dessen Sprache man gerade erst lernt. Vielleicht interessiert es aber auch Euch…

Seien wir mal ehrlich: Trotz mehrerer Sprachkurse rate ich immer noch mehr als ich wirklich verstehe. Und wenn mein Gegenüber mal wieder unfassbar schnelles Swahili voller Umgangssprache benutzt, habe ich kaum eine Chance irgendwas abgesehen von Stimmlage und Kontext zu deuten.

Eigentlich ist das gar nicht so verwunderlich, wenn man sich noch mal ins Gedächtnis ruft, dass ich erst seit 9 Monaten Swahili lerne und die Sprache in ihrer Struktur komplett anders als Deutsch oder Englisch ist. Am ehesten würde ich es mit Latein vergleichen (doch auch mein Latium ist mir – oh Wunder – keine wirkliche Hilfe).

Natürlich gibt es einige Freiwillige, die mir sprachlich meilenweit voraus sind. Viele erzählen mir, dass die Arbeit mit Kindern zum Lernen einer neuen Sprache unglaublich hilfreich sei. Doch im Vergleich dazu reicht mir bei meiner Arbeit mit Tourismus und Social-Media mein Englisch vollkommen aus. Und auch mit meinen tansanischen Freund:innen spreche ich kaum Swahili, denn ihr Englisch ist tausendmal besser als mein Swahili.

Das heißt jedoch nicht, dass ich kein Swahili spreche oder brauche. Gerade erst, als mich meine Mutter besucht hat, habe ich gemerkt, wie viel ich doch bereits kann und wie hilflos ich ohne wäre. Wenn man seine sprachlichen Kenntnisse die ganze Zeit an Muttersprachler:innen misst, tut es gut zu sehen, wo man angefangen hat.

Es passiert schnell, dass man Frustration verspürt, weil es einfach so viele Wörter sind und diese sich auch noch alle gleich anhören. Am schlimmsten ist es, wenn man, stolz auf seinen Satz auf Swahili, direkt zurückgefragt wird: „Unajua Kisukuma?“ – „Sprichst Du Sukuma (die Stammessprache der Region Mwanza)?“ Nein, natürlich nicht, Swahili ist schon allein schwer genug!!!

Zugegeben, eventuell entspringt diese Reaktion weniger der Enttäuschung darüber, dass ich kein Kisukuma kann, sondern viel eher der Verwunderung darüber, dass ich überhaupt einige Wörter Swahili spreche. Auch auf Sansibar sind manche Tansanier:innen fast sprachlos, wenn man sie korrekt auf Swahili grüßt. Denn „Jambo Jambo“ ist gar kein richtiges tansanisches Swahili, sondern nur eine Erfindung für Tourist:innen, für die „Hujambo?“ anscheinend zu anspruchsvoll ist…

So kompliziert ist die Sprache letztendlich gar nicht! Ganz im Gegensatz zur deutschen Sprache gibt es wenig Ausnahmen und meist wie bei einem Baukastensystem zusammengesetzte Silben, die einen Satz bilden. Natürliche kratze ich mit meinem Swahili nur an der Oberfläche des Möglichen und verstehe nur einen Teil der Sprache. Doch auch schon mit diesem wenigen Wissen kann ich bereits vieles ausdrücken. Vorausgesetzt man verspricht sich nicht und bestellt aus Versehen statt einem „Chipsi Mayai“ (Pommes mit Ei) ein „Chipsi Masai“ (Pommes mit einer tansanischen Volksgruppe)… Nicht, dass das jemandem schon mal passiert wäre…

Um solche Situationen trotzdem vorzubeugen, hier ein paar mehr oder weniger kompetente Tipps und Tricks zum Swahili Lernen:

  • Zu allererst: Falls Ihr ein „Habari…“ (frei übersetz: „Wie geht es…“) hört, antworte immer „nzuri“. Wie es letztendlich Dir, Deinem Haus, der Arbeit etc. geht, ist irrelevant, denn Ihr dürft nur „gut“ bzw. auf Swahili „nzuri“ antworten.
  • Und wenn Ihr wirklich gar nichts versteht, tut einfach so! Um glaubwürdig zu wirken, helfen folgende Wörter/ Geräusche: „Haya“, „Sawa“ und (am allerwichtigsten!) „Ehhheee“. Sie signalisieren Eurem Gegenüber, dass Ihr alles verstanden habt und ihnen zustimmt.
  • Ihr wisst ein Wort nicht? Kein Problem: Nehmt einfach die englische Übersetzung und hängt ein „i“ ans Ende. Die Wahrscheinlichkeit ist erschreckend hoch, dass Ihr verstanden werdet oder sogar das richtige Swahili-Wort erraten habt. (Beispiele: Aus „office“ wird „ofisi“, „gown“ wird zu „gauni“, „cake“ wird zu „caki“, aus „fyle“ wird „faili“, „to miss“ wird zu „misi“ und so weiter)
  • Und der letzte, wichtigste und vielleicht sogar ernsthafteste Tipp: Traut Euch auf Swahili zu sprechen oder versucht es zumindest! Es ist die einzige Chance, respektvoll in die Kultur einzutauchen, die Sprache wirklich zu lernen und dabei sogar Spaß zu haben! 

Meine Partnerorganisation in Mwanga

Die ELCT

Meine Partnerorganisation, die Diözese Mwanga, ist ein Teil der zweitgrößten lutheranischen Kirche der Welt und der größten in Ostafrika, der ELCT. Mehr als 6 Millionen Tansanianer sind Mitglied in dieser Kirche, was ungefähr 13 Prozent der Bevölkerungs Tansanias ausmacht. Die ELCT hat Partnerschaften mit 14 Kirchen und Missionsgesellschaften in Europa und Nordamerika, seit 1971 auch mit dem Zentrum für Mission und Ökumene. Außerdem unterhält die ELCT verschiedene soziale Projekte, die sich zum Teil mit der Förderung von Bildung beschäftigen oder auch mit Gesundheit, u.a. HIV/AIDS Programme, Entwicklung und Planung oder Katastrophenhilfe.

Das Logo der ELCT
https://northerndiocese.co.tz/, abgerufen am 17.02.2023, 20:35 Uhr

Die Geschichte meiner Partnerdiözese

Die Diözese Mwanga ist eine von 26 Diözesen. Ende 2016 wurde sie zu einer unabhängigen Diözese erklärt, vorher war sie Teil der Diözese Pare. Die Geschichte der evangelischen Kirche in diesem Teil von Tansania begann Ende des 19. Jahrhunderts mit Missionaren der Leipziger Lutherischen Missionsgesellschaft. Diese bauten das erste größere Missionszentrum der Region in Shighatini Ugweno. Der erste Missionar, Hans Fuchs, gründete neben seiner Tätigkeit als Missionar eine Schule und brachte Kindern Lesen und Schreiben bei. Er gründete einen Sanitätsdienst, baute Straßen und lehrte verschiedene Themen wie Landwirtschaft oder Wirtschaft. Er besitzt heute in Denkmal in der Diözese Mwanga.

Was als Missionszentrum klein begann, entwickelte sich zu einem Teil der Evangelisch-Lutherischen Kirche 1937, als sich die sieben Kirchen in Tanganyika zusammenschlossen. 1938 wurde dann die Diözese Nord der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Tansania ELCT gebildet. Im Jahr 1975 entstand die Diözese Pare, aus der letztendlich 2016 die Diözese Mwanga gegründet wurde.

Die Projekte meiner Partnerorganisation

Als Diözese hat Mwanga verschiedene Projekte, in denen ich teilweise arbeiten darf. Zum einen gibt es das Mwanga Lutheran Hostel, in dem ich im November bzw. Dezember gearbeitet habe. Das Hostel hat 3 verschiedene Zimmerarten, in denen die Gäste sehr komfortabel untergebracht sind, sowie einen wunderschönen Garten und einen Restaurantbereich. Außerdem gehört zur Diözese noch ein Büro, der Buchladen und der Spielplatz. Der Buchladen enthält vor allem Schulbücher und Theologisches. Aber man kann auch einfache Bürogegenstände kaufen und sogar Passbilder machen lassen. Über den Spielplatz auf dem Kirchengelände freuen sich vor allem die Kindergartenkinder, mit denen ich täglich eine Stunde auf ebendiesem verbringe.

Überschwemmung

Alltag im Klimawandel

Vor ein paar Tagen habe ich meinen üblichen Weg von der Arbeit nach Hause angetreten. Ich bin an dem Tag etwas länger geblieben, bzw. musste länger bleiben, da es wie aus Eimern geschüttet hat. Eigentlich keine Besonderheit in der Regenzeit. Da es aber nicht aufgehört hat, bin ich irgendwann trotzdem zur Bushaltestelle gegangen, in den nächsten Dalla Dalla gestiegen und in Richtung Nyakato gefahren, wo ich wohne. 

Wir waren noch gar nicht weit gekommen, da hält der Bus plötzlich an. Der ganze Verkehr kommt zuerst ins Stocken und dann zum gänzlichen Stillstand. Ich – kein Wort Suaheli verstanden – mache in meiner Ahnungslosigkeit einfach genau das, was die anderen Fahrgäste auch machen. Und so steigen wir alle aus und versuchen die Ursache für den ungeplanten Zwischenstopp zu erkennen. Etwas weiter vorne hat sich eine große Menschenmenge gebildet. Auch ich sehe, was uns die Weiterfahrt in diesem Moment unmöglich macht: Kein Verkehrsunfall, sondern der Fluss, der eigentlich unter der Brücke verlaufen sollte, versperrt nun die Straße. Sogar meine Füße stehen bereits im 10 cm hohen Wasser. Sie waren aber auch schon zuvor komplett durchnässt. 

Mehr wegen des Ausblicks flüchte ich, wie viele andere, auf die Fußgängerbrücke, die über die Straße führt. Von hier aus kann ich das Ausmaß der Überschwemmung erstmals erfassen. Nicht nur die Straße, sondern der ganze Wohnblock, der an das normalerweise seichte Gewässer grenzt, ist überflutet. Weil auch in den Häusern hüfthohes Wasser steht, sind einige der Anwohner:innen auf ihre Dächer geflüchtet. 

Mich verwundert, dass alle anderen Betroffenen und Schaulustigen die ganze Situation gar nicht so außergewöhnlich finden wie ich. Anscheinend tritt der Fluss hier öfter übers Ufer. Äußerst beunruhigend und schockierend, wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der tansanischen Bevölkerung nicht schwimmen kann. Während ich lediglich eine nervige Verzögerung habe, sind  Anwohner:innen regelmäßig mit dieser Lebensgefahr und Zerstörung der Wohnungen und sowieso schon fragilen Infrastruktur konfrontiert.

Während ich immer noch so dastehe und still beobachte, was die Wassermassen mit sich reißen, sagt ein Mann zu mir:

„Welcome to Tanzania. This is Tanzania.“

Ich bin mir nicht sicher, ob er das vorwurfsvoll, sarkastisch oder entschuldigend meint. Vielleicht schwingt auch alles in dieser Aussage mit? Ich fühle mich jedenfalls schuldig. 

In der Vorbereitung auf meinen Freiwilligendienst habe ich viel über die Auswirkungen des Klimawandels auf Tansanias Wirtschaft und Bevölkerung gelesen. Fakt ist, dass, während der globale Norden maßgeblich an der Erderwärmung beteiligt ist, nicht alle Menschen die Folgen des globalen Klimawandels gleich zu spüren bekommen. Überspitzt gesagt: Während in Deutschland das Wetter besser wird, zerstören die klimatischen Veränderungen in Tansania durch längere Dürreperioden sowie Starkregen und Überschwemmungen die Ernten. Da mehr als drei Viertel der erwerbstätigen Tansanier:innen im landwirtschaftlichen Sektor arbeiten, ist ihre Existenz durch Extremwetter wie Überschwemmungen gefährdet. 

Für mich war es sehr eindrücklich, bereits diesen kleinen Ausschnitt des Klimawandels zu sehen. Ich hatte das Bedürfnis, Euch diese Lebensrealität aus Mwanza vor Augen zu führen, und zu erzählen, mit welcher Machtlosigkeit die Flut, fast wie etwas Alltägliches, abgewartet wurde. 

Aber den globalen Klimawandel können wir nicht aussitzen.

„Weiße Wand“

Wie begegne ich? Wie wird mir begegnet?

„Ich bin allein mit der weißen Wand
Und meinem scheiß Verstand
Ich weiß nicht, Mann!
Ich bin allein mit der weißen Wand
Und meinem scheiß Verstand
Ich weiß nicht, Mann!
[…]
Ich bin jung und weiß in 'nem reichen Land
Mein Kreißsaal war umkreist von 'ner weißen Wand
Ich bin jung und weiß in 'nem reichen Land
Mein Kreißsaal war umkreist von 'ner weißen Wand
Scheiße, Mann!
Ich bin keiner von denen, die weiterwissen
Ehrlich gesagt, ich krieg' selber nie was geschissen
Und ich weiß nicht, wann man die Decke aus Glas einreißen kann
Die Decke aus Glas ist 'ne weiße Wand
Auch wenn ich das nicht beweisen kann
[…]“

Songtext von AnneMayKantereit – Weiße Wand © O/B/O Capasso

Songwriter: Christopher Annen / Fabian Doell / Felix Roemer / Henning Gemke / Malte Huck / Severin Kantereit

Quelle: LyricFind

Diese Zeilen haben mich vor einer Weile über eine gute Freundin und Mitfreiwillige in Tansania erreicht, die ähnliche Erfahrungen wie ich macht. Ich nehme diesen Song zum Anlass über meine Eindrücke und Gefühle als weiße, blonde, junge Frau in Tansania zu schreiben, die mich belasten oder zumindest viel zum Nachdenken bringen. 

Ehrlich gesagt bin ich noch nie zuvor wegen meiner Haut-, Haar- und Augenfarbe aufgefallen. Hier in Tansania wird mir meine „Weiße Wand“ erstmals so richtig bewusst. Dass dieses ungewohnte Gefühl auf mich zukommt, war mir zwar schon im Vorhinein bewusst, darauf vorbereitet war ich aber kaum. Ich hätte mir gewünscht mehr von dieser Art von Erfahrungen schon im Voraus zu lesen, weshalb ich diesen Blogbeitrag auch für all diejenigen verfasse, die einen Freiwilligendienst planen. 

Meine Erfahrungen:

Oft gehe ich allein durch die Stadt oder meine Nachbarschaft, fahre Bus oder kaufe auf dem Markt ein. In Nyakato, wo ich wohne, kennen mich jetzt schon einige. Und auch durch meinen wachsenden Wortschatz Swahili werde ich merklich weniger wie eine Fremde behandelt. Trotzdem mache ich tagtäglich  die Erfahrung, dass ich angeguckt, angestarrt, angesprochen, angemacht und in selteneren Fällen auch angefasst werde. Ich kann euch sagen, dass es kein schönes Gefühl ist, ständig darauf hingewiesen zu werden, dass man anders aussieht. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass es kein Rassismus gegen Weiße gibt. Ganz im Gegenteil werde ich mir über meine Privilegien bewusst. 

Vielleicht auch gerade deswegen, bringe ich eine gewisse Toleranz mit und versuche freundlich zu reagieren und am besten auf Swahili zu antworten. Das gelingt mir aber nicht immer, denn es nervt und belastet mich, wenn ständig meine Grenzen von Fremden überschritten werden. Oft stelle ich mir die Frage, ob eine Person wirklich Interesse an mir hat, oder doch nur an meinem Aussehen und meiner Herkunft. Und obwohl ich bemerke, dass viele nur aus guten Intentionen heraus Interesse zeigen, ändert es nichts daran, dass ich mich oft unwohl und belästigt fühle. Ich freue mich ehrlicherweise auf den Moment wieder in Deutschland zu sein, wo ich nicht auffalle. Bis dahin bin ich aber damit konfrontiert und denke viel darüber nach, wie ich damit umgehen soll.

Ehrlich gesagt hilft es mir schnell zu gehen und Kopfhörer zu tragen, wenn ich durch die Stadt gehe und nicht möchte, dass ich alle drei Meter nach meiner Nummer gefragt werde. Aber was für einen unhöflichen und verschlossenen Eindruck mache ich dann auf andere? Ich möchte in diesem Jahr ja vor allem von Tansanier:innen lernen und anderen mit Offenheit und auf Augenhöhe begegnen. Genau so, wie ich mir auch von anderen wünsche, nicht in eine Schublade gesteckt zu werden.

Durch meine Arbeit in einem Gästehaus bekomme ich aber auch mit, wie genau dieses Verhalten, diese Vorverurteilung, von einigen (europäischen) Tourist:innen an den Tag gelegt wird. Sei es ein sehr unsensibler Umgang mit der Kamera bis hin zu zweifelsfrei rassistischen Kommentaren. Immer muss differenziert werden zwischen „Uns“ und „Denen“. Aus Begegnungen, die von Machtgefällen und Vorverurteilungen geprägt sind, kann man doch nichts lernen. 

Ich stimme den Lyrics zu: Ich bin keiner von denen, die weiterwissen. Aber was ich mir wünsche ist, dass wir uns alle mit mehr Respekt, Empathie und Sensibilität begegnen.