Sansibars verstecktes Paradies

In diesem Moment prasselt der Regen draußen. Die Luft ist erfüllt vom Duft der feuchten Erde und ich lausche dem Klang der fallenden Tropfen. Auf meinem Weg zur Bushaltestelle musste ich mich heute zum Teil durch überschwemmte Straßen kämpfen. Dank meiner Badelatschen war dies jedoch nur halb so wild.

Oft wird Sansibar mit einem Paradies mit endlosen Stränden, kristallklarem Meer und ganz viel Sonnenschein assoziiert. Doch gerade zeigt sich die Insel von einer etwas anderen Seite.

Schon im November hat es einige Wochen lang stark geregnet, was vor allem bestimmte Freizeitaktivitäten eingeschränkt hat. Aus diesem Grund habe ich der Regenzeit im Frühjahr mit großer Skepsis entgegengesehen. 

Vor allem in den letzten Monaten habe ich die ein oder anderen Orte gefunden, an denen ich mich gern mit meinen Freund*innen treffe. Viel Zeit verbringe ich in Stonetown. Zum einen wohnen dort andere Weltwärts-Freiwillige und zum anderen auch lokale Freund*innen von mir. Deshalb kann ich mich auch an keinen Tag erinnern, an dem ich durch die kleinen Gassen der Stadt geschlendert bin, ohne jemanden zu treffen, den/die ich kenne und mit der/dem ich mich unterhalten habe. Insbesondere die Floating-Bar ist zu einem Ort geworden, an dem wir uns besonders gern aufhalten, egal, ob es zum Schwimmen, zum Tagebuch schreiben, zum Sonnenuntergang schauen oder zum Tanzen und Musikhören ist. Dabei handelt es sich um eine Art Bar oder Lounge, die auf dem Wasser schwimmt bzw. auf schwimmenden Plattformen platziert ist. Davon gibt es mittlerweile auch zum Glück wieder zwei Stück in Stonetown (nachdem die eine kurzer Zeit verschwunden war, weil sie unterging).

Gern verbinde ich meine Treffen mit Freund*innen mit Essen. Manches Mal haben wir gemeinsam gekocht, etwas gebacken, uns durch das ein oder andere Restaurant getestet oder einfach etwas zu Essen to go“ geholt und uns ans Wasser gesetzt. Auch da habe ich einen Ort, an dem ich besonders gern den Sonnenuntergang anschaue. Dort sitze ich, entweder allein oder mit Freund*innen, auf einer Art Steinmauer und schaue auf das Meer, wo immer wieder verschiedene Boote zu entdecken oder Menschen beim Fußballspielen zu beobachten sind.

Dies ist durch die aktuelle Regenzeit etwas eingeschränkt. Erst hatte ich ein bisschen Angst, dass ich dadurch vielleicht vereinsame, aber glücklicherweise ist es ganz anders gewesen. 

Während Ramadan hatte die Schule, in der ich tätig bin, geschlossen bzw. sind nur die höheren Grundschulklassen für den Unterricht gekommen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, während dieser Ferien etwas zu verreisen. Ich hatte das große Glück, dass ich gemeinsam mit einem engen Freund auf das Festland nach Iringa fahren und einen Großteil seiner Familie kennenlernen konnte. Ich wurde von allen Menschen, die ich dort kennengelernt habe, liebevoll aufgenommen und war gefühlt jeden Tag bei irgendwem zu Hause eingeladen. 

Ebenso herzlich habe ich die Ramadan-Tage erlebt, die ich zum Teil noch auf Sansibar verbracht habe. Erst hatte ich die Befürchtung, dass ich dadurch, dass ich auf einem Kirchengelände wohne, vielleicht gar nicht die Möglichkeit bekomme, Iftar, das Fastenbrechen am Abend während des Ramadan, mitzuerleben. Aber es kam, wie so oft, ganz anders als erwartet. Gemeinsam mit anderen Freundinnen von mir war ich sogar bei mehreren Familie eingeladen, um gemeinsam beisammen zu sitzen und das Essen am Abend zu genießen. So habe ich auch mitbekommen, dass Iftar bei jeder Familie etwas anders abläuft. Während manche nur in ihrem engsten Kreis zusammensitzen, wird bei anderen für eine ganze Fußballmannschaft gekocht. Darunter eben nicht nur Verwandte, sondern auch Freunde*innen, Nachbar*innen und andere Bekannte. Manchmal saßen Männer und Frauen beim Essen zusammen. Andere Male haben wir uns aufgrund des Geschlechtes auf verschiedene Räume verteilt. Bei allen Familien, wo ich eingeladen wurde gab es immer eine große Auswahl an Essen. Darunter waren zum Beispiel: 

„Pilau“: ein herzhaftes Reisgericht, das oft mit Gewürzen wie Kurkuma, Kardamom, Zimt und Nelken zubereitet wird. Oft wird es mit Gemüse, wie Tomaten, Karotten und Paprika sowie Fleisch verfeinert. 

„Wali na Maharage“: eine traditionelle Reis- und Bohnenmahlzeit. „Wali“ bezeichnet den gekochten Reis, während „Maharage“ Bohnen sind. Die Bohnen werden normalerweise mit Gewürzen wie Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten und Kokosmilch gekocht.

Urojo, auch bekannt unter „Zanzibar Mix“: eine traditionelle Suppe, die aus einer Mischung von, Kartoffeln (meist „Kachori“: eine Art frittierte Kartoffelbällchen), Eiern, „Bagia“ (eine Art Falafel), wenn gewünscht Fleisch und verschiedenen Gewürzen zubereitet wird. Sie hat einen erfrischenden, säuerlichen Geschmack und wird oft mit Limetten- oder Tamarindensaft serviert. Die gelbe Farbe kommt dabei von Kurkuma. 

„Mandazi“: frittierte Teigbällchen, die eine beliebte Beilage oder Snack sind. Sie werden aus einem Teig aus Mehl, Zucker, Kokosmilch und Gewürzen hergestellt und sind leicht und luftig.

„Tambi“: Spaghetti 

„Kachumbari“: ein typischer Salat, der oft zu Reisgerichten auf Sansibar und in Tansania serviert wird. Er wird meist aus Tomaten, Zwiebeln und grünen Paprika gemacht. 

„Chapati“ oder „Mkate wa Ufuta“: „Chapati“ ist ein dünnes, weiches Fladenbrot und „Mkate wa Ufuta“ ist ein Brot, das mit Sesamsamen bestreut oder darin gebacken wird. Beides sind wichtige Bestandteile vieler ostafrikanischer Mahlzeiten.

Außerdem natürlich auch Fisch und Fleisch, sowie die wohl leckersten Säfte, die ich je getrunken habe und natürlich Datteln. 

Ebenso glücklich kann ich mich schätzen, dass ich sogar Eid, also das Ende des Fastenmonats, mit einer muslimischen Familie feiern durfte. Dafür haben wir Frauen uns sogar alle aus dem gleichen Stoff ein Gewand nähen lassen und haben schließlich alle ein rotes Kopftuch aufgezogen. Auch die jüngeren Mädchen haben Partnerlook getragen. Am Abend vorher ging es für uns noch zu einem Saloon, wo wir uns Hennas auf die Hände (und zum Teil Füße) malen ließen. Morgens um 6.00 Uhr ging es dann zum Beten, wo wir uns auf einer großen Wiese versammelt haben und Frauen und Männer getrennt voneinander saßen. Zum Glück hat mir mein Freund am Vorabend noch eine kleine Einweisung gegeben, wie ein solches Gebet abläuft. 

Anschließend haben wir alle gemeinsam Frühstück gegessen, danach für den Abend gekocht und schließlich zusammen gefeiert. Es war eine so tolle Erfahrung, dieses wichtige muslimische Fest miterleben zu dürfen, wofür ich unfassbar dankbar bin. 

Insgesamt habe ich gemerkt, wie gern ich unter anderen Menschen bin. Ich brauche tatsächlich nur wenig Zeit für mich selbst, weshalb ich trotz des momentanen Regens eigentlich wenig zu Hause allein rumsitze. 

In der letzten Woche habe ich zum Beispiel viel mit Freund*innen oder der Familie Maloda gekocht und zusammen gegessen. Wir saßen gemeinsam zusammen, haben Armbänder geknüpft, Musik gehört, Tagebuch geschrieben oder Sport gemacht. 

Dadurch wurde mir nochmal klar, dass es nicht immer das strahlende Sonnenlicht und die endlosen Strände sind, die das Paradies ausmachen. Es sind die Begegnungen, die Gespräche und die gemeinsamen Erlebnisse, die einen Ort wirklich zu einem Paradies machen. Auch wenn die Regenzeit ihre Herausforderungen mit sich bringt, so bin ich doch dankbar für die kostbaren Momente, die sie mir schenkt – Momente der Verbundenheit und des Miteinanders, die jede Regenwolke vergessen lassen.

Fernab von Glühwein und Schneeflocken

Gerade sitze ich mit einem Tee an einem der Tische des Restaurants, das sich auf dem Kirchengelände befindet und werfe einen Blick auf die vergangen vier Monate. Es ist echt unglaublich, dass nun ein Drittel meines Freiwilligendienstes vorbei ist. Ich merke, das ich in dieser Zeit bereits viel erleben, sehen und neue Perspektiven gewinnen konnte. Und trotzdem prasseln immer wieder neue Eindrücke auf mich ein. Von Anfang an habe ich mich gefragt, wie schwierig es für mich sein wird, mir in einem so fremden Umfeld eine gewisse Alltagsroutine aufzubauen. Jetzt kann ich sagen, dass es mir mittlerweile ganz gut gelungen ist.

Wenn ich morgens nicht von dem krähenden Hahn oder den Stimmen aus dem „Morning Glory“ – Gottesdienst geweckt werde, ist es mein Wecker, der mich aus dem Bett reißt. Nachdem ich mich für den Tag fertig gemacht habe, gehe ich in meine kleine Küche, wo ich mir meistens einen Bananen Porridge zubereite. Wenn ich noch ausreichend Zutaten habe, versuche ich mir morgens auch noch etwas zu kochen, was ich zur später Mittagszeit essen kann. Bevor ich mich anschließend auf den Weg zur Arbeit mache, treffe ich auch um diese Zeit oft schon Menschen auf dem Kirchengelände. Sei es die Pastorenfrau, der Koch von dem Restaurant oder andere Gemeindemitglieder, mit denen ich gleich in Gespräche verfalle.
Da die Martin Luther Pre and Primary School aufgrund der Schulferien bis Anfang Januar geschlossen ist, arbeite ich zurzeit jeden Tag zusammen mit Selina bei Upendo. Dabei handelt es sich um ein interreligiöses Frauen-Nähprojekt, welches sich in Stonetown befindet.

Weil der Shop erst um 9.00 Uhr öffnet, kann ich zurzeit, im Vergleich zu den Schultagen, immer etwas länger schlafen. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht mehr den Luxus habe, dass mich der Schulbus (um ca. 7.10/7.30 Uhr) zu meiner Arbeitsstelle fährt und mich nach der Schule (um ca. 13.30/14.00 Uhr) wieder bei der Kirche absetzt.
Im diesem Monat ist das anders. Um ungefähr 8.20 Uhr verlasse ich das Gelände und gehe zu der Daladala Bushaltestelle, wo ich warte bis ein bunter Minibus der Linie 507 vorbeikommt. Richtige Buszeiten wie in Hamburg gibt es hier nämlich nicht. Manchmal hat man Glück. Andere Male steht man länger an der Straße. Geduldig sein muss man auf jeden Fall.
Die Busse bieten Platz für etwa 15 Personen – zumindest theoretisch. In der Realität quetscht man sich manchmal so sehr zusammen, dass die Bewegungsfreiheit zur Seltenheit wird. Das liegt daran, dass versucht wird, so viele Fahrgäste wie möglich mitzunehmen.

ein Daladala in Stonetown

Nach ungefähr 20 Minuten Fahrt, steige ich dann bei der Bushaltestelle Toba la Pili aus. Von dort aus mache ich mich zu Fuß durch die bunten Gassen der Stadt auf den Weg zu Upendo, wo ich nach ungefähr 10 Minuten ankomme. Nachdem ich die Frauen im Nähworkshop begrüßt habe, werden die verschiedensten Türen aufgeschlossen und der tägliche Ladenputz beginnt. Gemeinsam fegen und wischen Selina und ich den Boden und räumen alles auf. Unter anderem muss der Weihnachtsbaum, der zurzeit im Laden steht, rausgestellt werden. Der weitere Arbeitstag besteht oft aus der Beratung von Kunden oder Buchhaltung. Diese Woche haben wir zudem gelernt, wie man kleine Weihnachtssterne aus Kanga machen kann. Kanga ist ein leichter, mit farbigen Mustern bedruckter ostafrikanischer Baumwollstoff, dem ich hier schon oft begegnet bin – sei es als Rock, Kopfbedeckung, Tragetuch, Handtuch oder als Geschenk für besondere Anlässe.
Es kommt jedoch auch vor, dass wir an manchen Tagen wenig bis keine Kunden haben. Solche „Leerläufe“ eignen sich dann gut zum Tagebuchschreiben oder dem Üben unserer Smalltalk-Skills mit den Näherinnen.
Um ca. 16.00 Uhr verlassen Selina und ich dann den Shop. Oft gehen wir noch gemeinsam auf den Markt, erledigen Besorgungen oder laufen einfach noch etwas durch die Gegend. Wenn ich nicht noch länger in Stonetown bleibe, um z.B. andere Freunde zu treffen, am Strand Sport zu machen, o.ä. geht es mit dem Daladala, welches um diese Uhrzeit wesentlich voller ist, wieder zurück nach Hause.


B

B

Nach Hause? Ja, mittlerweile kann ich sagen, dass ich mich wirklich richtig wohl auf dem Kirchengelände fühle. Das letzte Wochenende habe ich in Dar es Salaam verbracht. Als es dann am Sonntag wieder nach Mwanakwerekwe ging, habe ich mich schon richtig auf die ganzen Gemeindemitglieder, denen ich dort täglich begegne, gefreut. Natürlich ist es im Vergleich zu Deutschland ganz anders und ich glaube auch, dass dieser ständige Kontakt zu anderen Menschen nicht für jede oder jeden etwas ist. Für mich persönlich ist es jedoch genau das Richtige. Ich merke, wie gut es mir tut unter den Menschen zu sein. Auch wenn ich nicht allen Gesprächen immer folgen kann, bedeutet es mir so viel einfach mit dabei zu sein. Zu sehen, wie die Menschen hier miteinander leben, lachen und weinen. Mitzuerleben, was sie in ihrem Alltag machen, was sie beschäftigt und was ihre Lebenswelt prägt.

Und trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen ich an meine Liebsten in Deutschland denke und sie vermisse. Was sie wohl gerade machen, wie es ihnen geht und wie sie sich auf Weihnachten vorbereiten.
Vor allem wenn ich Fotos von Schnee, selbstgebackenen Keksen, Schlittschuhlaufen, Weihnachtsmärkten und den hübsch geschmückten Straßen zugeschickt bekomme, denke ich an Deutschland.

Es ist komisch, aber eigentlich auch nicht ganz verwunderlich, dass ich dieses Jahr kaum in Weihnachtsstimmung gekommen bin. Trotz des Dekorierens eines Lebkuchenhauses, vereinzelten künstlichen Weihnachtsbäumen, Weihnachtsmusik, Adventskalendern, die ich zugeschickt bekommen habe, des Basteln von Weihnachtsternen und des Keksebackens zusammen mit Gemeindemitgliedern, fühlt es sich nicht so an, als stände Weihnachten direkt vor der Tür. Im Gegenteil. Insbesondere die aktuellen Temperaturen rufen in mir statt Weihnachts- eher Sommergefühle hervor.
Trotz dieser anderen Umstände, will ich mich nicht beschweren.
Während meine Familie und Freunde sich unter dicken Schals und Mützen verstecken, genieße ich hier auf Sansibar die Weihnachtszeit in leichter Kleidung. Es ist schon seltsam, wie sich die festliche Armosphäre anders anfühlt, wenn Sommer- und Strandwetter ist, statt Schnee liegt. Doch genau solche Unterschiede machen dieses Weihnachten zu einer einzigartigen Erfahrung, für die ich dankbar bin, sie miterleben zu dürfen und ein Teil davon zu sein.
Außerdem merke ich, dass es nicht immer unbedingt um die bekannten Traditionen geht, sondern vielmehr um die Freude und Gemeinschaft, die ein solches Fest begleiten. Mir wird klar, dass Weihnachten nicht nur durch Schnee und Kälte definiert wird, sondern durch die Wärme der Herzen und die Freude am Miteinander.
Ich bin gespannt, wie ich dieses Fest an einem neuen Ort erleben werde und freue mich auf die kommenden Tage, die wahrscheinlich ganz anders, aber keinesfalls weniger spektakulär sein werden.

Und damit frohe Weihnachten und eine Zeit voller Liebe und Glück, egal, wo auf der Welt ihr seid! 🌟🎄
Eure Frida

(Danke an Julius für das Uploaden dieses Posts)

Ein neues Kapitel beginnt…


Hallo, ich heiße Frida und bin 19 Jahre alt. Dieses Jahr habe ich die Möglichkeit, zusammen mit dem ZMÖ einen Lerndienst auf Sansibar in Tansania zu absolvieren. 

Schon seit mehreren Jahren war es mein Wunsch, vor dem Studium im Bereich der sozialen Arbeit tätig zu sein und weitere Erfahrungen in verschiedenen Kulturen und Kontexten zu sammeln. 

Der Abflug schien immer noch so weit entfernt für mich, doch dann ging es am 22.08. wirklich los. 

Ich startete von Hamburg aus, wo ich mich von meiner Familie und meiner besten Freundin verabschiedete. Es war ein seltsames Gefühl, weil ich auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisieren konnte, dass die große Reise nun wirklich beginnt. Am Flughafen in Istanbul traf ich dann die anderen Tansania Freiwilligen, Julius, Coralie und Sarah. Zusammen ging es dann weiter nach Dar es Salaam, wo ich dann zum ersten Mal mit einem Propellerflieger geflogen bin. Und dann war ich da… Nach einer über 24 stündigen Reise erreichte ich den Flughafen in Sansibar. 

Der Sansibar-Archipel ist eine zu Tansania gehörende Inselgruppe, wobei die Hauptinseln Unguja und Pemba die bekanntesten sind. 

Dort angekommen wurde ich von zwei Frauen von der Kirchengemeinde Mwanakwerekwe, auf dessen Kirchengelände ich für die nächsten Monate leben werde, abgeholt. Sie haben mich herzlich empfangen und mich anschließend zum Frühstück eingeladen. Dadurch hatte ich schon gleich an meinem ersten Tag die Möglichkeit, ein paar tansanische Spezialitäten kennenzulernen. Am besten gefällt mir Chapati, eine Art dünnes Fladenbrot. Außerdem habe ich schon jetzt eine Liebe zu Ingwer Tee entwickelt. Ich freue mich darauf, weitere neue Gerichte kennenzulernen und diese selbst zu kochen. 

Nach zwei Tagen auf Sansibar, die ich hauptsächlich damit verbracht habe, mein Gepäck aus- und mein Zimmer einzuräumen, reiste ich wieder nach Dar es Salaam, da es für mich von dort aus zum Sprachkurs in Morogoro ging, wo ich dann weitere Freiwillige kennengelernt habe. Darunter auch meine Mitbewohnerin Selina. 

In diesen zwei Wochen haben wir vor allem einen generellen Überblick über die Sprache Kiswahili bekommen. Wenigstens kann ich jetzt schon Menschen auf der Straße begrüßen und ihnen antworten, wenn sie fragen, wie es mir geht. Bis ich vollständige Konversationen führen kann, wird es jedoch mit Sicherheit noch etwas dauern. Besonders genossen habe ich unseren letzten gemeinsamen Abend. Alle Teilnehmer*innen hatten die Möglichkeit zusammen mit unseren Lehrer*innen landestypisches Essen zuzubereiten. Gut gestärkt und mit großer Aufregung, was uns alle in unseren Einsatzstellen erwarten würde, verabschiedeten wir uns voneinander. 

Zurück auf Sansibar ging die Eingewöhnung dann erst richtig los. Selina und ich haben uns unter anderem um unser Visum gekümmert, erste Markteinkäufe in Mwanakwerkwe und Stone Town erledigt und gemeinsam mit dem Pastor unsere beiden Einsatzstellen besucht.

In den kommenden Monaten werde ich in der Martin Luther Pre and Primary School tätig sein. Dabei handelt es sich um eine interreligiöse Schule der lutherischen Kirche auf Sansibar. Zurzeit gibt es 7 Klassenstufen, wobei ich vor allem für die jüngste Klasse, die Baby Class, zuständig sein werde. 

Ich muss sagen, dass mich meine Arbeitsstelle sehr herausfordert. Zum einen fällt es mir noch schwer, mich mit den Kindern zu verständigen, da sie aufgrund ihres jungen Alters noch nicht viel Englisch sprechen und sich meine Kiswahili Kenntnisse auch noch sehr in Grenzen halten. Das sehe ich jedoch eher als Ansporn, die Sprache weiter zu lernen und mich in meinem neuen Alltag zu trauen, das anzuwenden, was ich bis jetzt schon gelernt habe. 

Ich bin froh, dass wir zurzeit vor allem für die bevorstehende Graduation der Kindergartenklasse 2 proben und ich daher noch nicht viele eigenständige Stunden übernehmen musste. Dies ermöglicht mir, die Schüler*innen zunächst besser kennenzulernen. 

Da ich selbst aus einem Land komme, wo gewaltfreie Erziehung selbstverständlich ist, sind die Erziehungsmaßnahmen, die in der Schule angewendet werden, mir sehr fremd. 

Es tut mir gut, mich mit anderen Freiwilligen zu unterhalten, die ähnliche Erfahrungen in tansanischen Schulen machen. Außerdem versuche ich, mir verschiedene Aktivitäten für meine Freizeit zu suchen. Zum Beispiel haben meine Mitbewohnerin und ich uns einer Laufgruppe angeschlossen, die immer mittwochs zusammen in Stone Town trainiert. Das ist eine tolle Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen, sich von den neuen Eindrücken abzulenken und den Kopf frei zu bekommen. Zusätzlich haben wir vor, bei der Tanzgruppe und dem Chor der Kirchengemeinde vorbeizugucken und mitzumachen. 

Ich schätze es sehr, auf dem Kirchengelände zu wohnen, da man sich hier gar nicht einsam fühlen kann. Es sind eigentlich immer Menschen vor Ort, die mit einem reden und bereit sind, zu helfen, wenn man sie fragt. Erst vor ein paar Tagen wollten Selina und ich probieren, Pilau, einen hier sehr typischen Gewürzreis, zu kochen. Als wir dann in der Küche standen, kam eine Frau der Kirchengemeinde vorbei, die sich, ohne, dass wir sie gefragt haben, neben uns stellte und erklärt hat, wie man dieses Gericht kocht. Nun sind wir Expertinnen 🙂

Vor allem für die Anfangszeit empfinde ich das Kirchengelände und unser offenes Umfeld als sehr hilfreich.

Ich bin gespannt, was ich in den nächsten Wochen und Monaten noch alles Neues erleben werde und freue mich darauf, meine Erfahrungen und Erlebnisse mit euch zu teilen. 

Wie aus Frustration Gelassenheit wurde

Während meiner Zeit auf Sansibar gab es nur wenige Dinge an denen ich mich störte, doch eine Situation erlebte ich häufiger und sie war doch so manches Mal frustrierend: das Warten auf andere.

Mehrere Personen in meinem Umfeld hier auf Sansibar haben eine andere Vorstellung von Pünktlichkeit als ich. So kam es häufig vor, dass ich als erste zu einer Verabredung erschien und dann warten musste. Ganz nach dem Motto: Pole Pole (Langsam Langsam), welches mir häufig auf Sansibar begegnete.

In der ersten Zeit war ich dann doch verwundert und auch frustriert. Ich dachte mir jeden Mal, diese Wartezeit hätte ich auch anders nutzen können. Ab und zu kam es auch vor, das Personen trotz Verabredung gar nicht erschienen, aber das passierte zum Glück nur, wenn ich mich in einer Gruppe verabredete und somit zumindest jemand anders kam.

Mit der Zeit wurde allerdings auch ich gelassener. Ich fing damit an, mich zu verspäten, wobei ich auch dann noch die erste war. Aber auch wenn ich nun warte, mache ich das Beste daraus. Häufig sprechen mich während des Wartens viele Leute an und es entstehen nette Begegnungen. Das finde ich herrlich. Von ein wenig Smalltalk bis intensivere Gespräche hatte ich schon alles dabei.

Und auch wenn ich Pünktlichkeit noch immer schätze, haben mich diese Situationen gelassener gemacht. Ich stresse mich selber weniger und mache aus den Situationen das Beste.

Karibuni nyumbani!

Mein Lieblingsort auf Sansibar

Unguja, die Hauptinsel des Sansibar-Archipels, empfinde ich als ein ganz großartiges Fleckchen Erde. Von traumhaften Stränden über Gewürzfarmen bis zu verwinkelten Gassen in der Altstadt Stone Town, gibt es viel zu entdecken. Ich bin total gerne auf der Insel unterwegs und nutze die vielen Möglichkeiten, die hier geboten werden. Dabei sah ich ganz tolle Orte und fand mehrere, die ich immer wieder besuche. Gegen einen Besuch des Strands oder ein Abendessen auf dem Night Food Market mit meinen Freunden habe ich nie etwas einzuwenden.

Jedoch gibt es einen Ort der mir besonders ans Herz gewachsen ist: das Kirchengelände in Mwanakwerekwe. Hier habe ich ein zweites Zuhause gefunden und nicht nur, weil hier tatsächlich mein Bett steht. Ich fühle mich hier einfach total wohl.

Das Kirchengebäude

Die Kirchengemeinde bildet eine große Gemeinschaft und das Kirchengelände ist der zentrale Treffpunkt. Ich wohne also mitten im Geschehen und bin dadurch ein Teil dieser Gemeinschaft geworden. Und ich finde es wirklich herrlich. Von morgens bis abends treffe ich Leute mit denen ich schnacken kann und muss dafür nur aus meiner Tür treten. Vor meinem Zimmer (in dem Durchgang zwischen meiner Küche und den Gästezimmern) steht ein Tisch, an dem ich sehr gerne sitze. Dort arbeite ich am Laptop oder mache andere Dinge. Mit den vorbeikommenden Leuten unterhalte ich mich dann häufig. Von kurzen Begrüßungen bis hin zu interessanten Gesprächen hatte ich schon alles dabei. In den Gästezimmern übernachten immer ganz unterschiedliche Personen und so durfte ich schon Geschichten aus ganz verschiedenen Regionen Tansanias lauschen.

Der Tisch im Durchgang, der auch schon häufiger als Buffet diente 😉

Für die musikalische Untermalung ist auch stets gesorgt. Egal ob es die zarten Stimmen der Morning Glory beim Aufstehen sind oder der motivierte Jugendchor (20-35 Jahre) am Nachmittag, irgendwer singt immer. Es gibt mehrere verschiedene Chöre. Und während die Eltern mit den Chorproben beschäftigt sind, toben die Kinder auf dem Gelände herum. Manchmal spiele ich mit ihnen, manchmal schaue ich ihnen nur zu oder sie mir. Viele von ihnen besuchen die Martin Luther School, weshalb sie mich dann auch hier als Teacher Lina rufen.

Das Kirchengelände verbindet. Einst kaufte ich Postkarten in der Stadt und die Verkäuferin und ich kamen ins Gespräch. Zufälligerweise kommt auch sie nach Mwanakwerekwe zum Beten. Ein anderes Mal kaufte ich Orangen und der Verkäufer erkannte mich. Er hatte mich auf dem Kirchengelände gesehen. Mir war er unbekannt, aber es verband uns doch was. Am nächsten Tag traf ich ihn dann tatsächlich auf dem Kirchengelände wieder. Unter den Kirchenmitgliedern befinden sich auch mein Wasserlieferant, mein Lieblingstaxifahrer, ein Travelagent, der mich schon beriet, meine Lieblingsmaandaziverkäuferin und und und. Auch meine engsten Freunde traf ich hier. Sobald ich ein Problem habe, wird mir geholfen und alle stehen sich gegenseitig bei.

Ich durfte schon an vielen schönen und auch traurigen Momenten teilhaben. Ich besuchte Hochzeits-, Tauf-, Konfirmations- aber auch Beerdigungsgottesdienste.

Eine Hochzeit in der Kirche

Und ich erlebe eben auch ganz alltägliche Dinge. Der Gottesdienstbesuch am Sonntag ist ein fester Bestandteil meiner Wochenplanung. Danach suchen meine Freunde und ich stets die Kirchencafeteria für ein gemeinsames Frühstück auf, so wie viele Kirchenmitglieder auch. Auch im Büro der Accountant direkt gegenüber von meinem Zimmer ist ein toller Treffpunkt für Gesprächsrunden. Oft sitze ich dort mit ihr, unseren beiden Putzkräften oder auch mit anderen Personen und wir unterhalten uns über dieses und jenes. Ähnlich verhält es sich auch am Gate, wo die Wächter Tag und Nacht sitzen. Dort stehen stets Gartenstühle und jeder ist willkommen, sich dazu zu setzen. Und auch egal zu welcher Uhrzeit ich nach Hause komme, dort werde ich stets lieb begrüßt.

Hereinspaziert, rechts sieht man das Wächterhäuschen

Aber einer der wichtigsten Gründe, warum ich mich hier so wohlfühle, ist, dass hier Personen wohnen, die mir ziemlich ans Herz gewachsen sind. Die Pastorenfamilie hat ihr eigenes Haus auf dem Gelände und mit ihr verbringe ich viel Zeit. Sie nahmen mich ganz offen auf und sind inzwischen zu einer zweiten Familie geworden. Mit der Pastorenfrau sitze ich auch nur zu gerne teetrinkend mit Gartenstühlen auf dem Kirchengelände und wir schnacken und erzählen uns den neuesten Gossip. Hier ist schließlich immer was los 😉.

Für mich ist es eine positive Erfahrung auf dem Kirchengelände zu wohnen. Manche Besucher hingegen, die vorbeikamen und auch Kirchenmitglieder könnten es sich nicht vorstellen für eine längere Zeit hier zu wohnen. Andauernd im Geschehen zu sein, wo es nie richtig ruhig wird, kann sich natürlich auch negativ auf das Wohlbefinden ausüben.

Ich glaube auch nicht, dass ich hier für immer wohnen könnte, aber für die Zeit meines Lerndienstes ist es genau das Richtige für mich. Ich bin ein großer Fan von offenen Türen und sehe es als großartige Möglichkeit, im eigenen Zuhause mit verschiedensten Menschen in den Austausch zu kommen.

So habe ich Ramadan auf Sansibar wahrgenommen

Vor ein paar Wochen hatte ich noch kaum eine Vorstellung von Ramadan. Im Groben war mir bewusst, worum es sich dabei handelt, jedoch hatte ich zuhause in Deutschland kaum Berührungspunkte damit. Doch nun wohne ich auf einem Insel-Archipel auf dem 98% der Bevölkerung dem Islam angehören. Dadurch ist Sansibar sehr geprägt von islamischen Einflüssen und das merkte ich nochmal mehr während der Ramadan-Zeit.

So beschloss die Regierung von einem Tag auf den anderen, die Kindergärten, Vorschulen und die ersten zwei Klassen der Grundschule für die Ramadan-Zeit zu schließen. Statt also nur 2 Wochen Oster-/Eid al-Fitr-Ferien gab es ganze 5 Wochen Ramadan-Ferien (25. März-29. April) für die Kinder und somit auch für mich. Das heißt nicht, dass ich in der Zeit nicht arbeiten war, denn ich besuchte jeden Tag das Upendo-Projekt. Und ich fand es spannend, den Ramadan bei Upendo zu verbringen. Manche Kolleginnen sind Muslima und auch der Guard ist Moslem. Durch Gespräche und auch durch das Beobachten von Verhaltensweisen, konnte ich manche Einblicke vom Ramadan erhalten. Sie fasteten, das heißt sie verzichteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang u.a. auf Essen und Trinken. So kam es ganz automatisch, dass auch ich während der Arbeitszeit kaum aß oder trank. Es war mir durchaus erlaubt dies zu tun, denn auch die christlichen Kolleginnen fasteten nicht. Dennoch wollte ich niemanden mit meinem Verhalten verletzen und trank nur heimlich oder ging dafür in das Büro mit den beiden christlichen Chefinnen. I

m öffentlichen Raum hingegen ist es nicht gern gesehen. Zwei Tage fastete ich dann auch ganz. Ein muslimischer Kumpel, der auch gefastet hat, ermutigte mich es mal auszuprobieren. Er fastet weniger aus Glaubensgründen, sondern sieht es vor allem als eine Möglichkeit zum Steigern des Durchhaltevermögens und so als einen Energieschub. Er ist Marathon-Läufer und machte daraus eine Art Diät. Die meisten Muslime, die ich traf fasten allerdings aus Glaubensgründen. Das Fasten im Ramadan gehört zu den 5 Säulen des Islam.

Häufig wurde ich gefragt, ob ich auch fasten würde, denn auch manche Christen fasten hier während Ramadan aufgrund des großen islamischen Einflusses in der Gesellschaft. Tagsüber hatten viele Geschäfte geschlossen und Restaurants machten erst am Abend auf. Andere wurden kreativ und hingen Vorhänge auf, sodass ein privater Raum entstand, denn auch wenn es gerade keine Season ist, waren ein paar Touristen unterwegs. Normalerweise ist an jeder Ecke Essen zu finden, daher war es doch sehr ungewohnt. Die Stadt fiel in einen kleinen Schlaf und abends wachte sie ein wenig auf.

Nach Sonnenuntergang wird das Fastenbrechen (arabisch: Iftar, swahili: Iftari) begangen. Viele Familien treffen sich dafür allerdings zuhause und essen gemeinsam. Während Iftar werden auch besondere Spezialitäten serviert, unter anderem auch süße Spagetti. Ein paar Mal durfte ich Iftar miterleben. Die letzten Minuten bevor die Wasserflasche angesetzt und nach den Datteln gegriffen wurde, fand ich besonders. Da fühlte ich die Gemeinschaft sehr.

Typisch für Iftar sind viele kleine Snacks

Ein Moment hat mich während Ramadan sehr gerührt. An einem Abend besuchte ich das Fußballstadium in Dar es Salaam und es war gut gefüllt. Als es Zeit für Iftar wurde, gab es eine kurze Unterbrechung. Manche der Spieler fasteten und ihnen wurden dann Wasser und Datteln gereicht. Viele Zuschauer brachen auch ihr Fasten und es war ein tolles Erlebnis.

Iftar-Unterbrechung im Stadium

Selbst auf dem Kirchengelände, auf dem ich wohne, herrschte eine andere Stimmung während Ramadan. Die Cafeteria hatte nämlich tagsüber geöffnet und nahm alle in Empfang, die kamen. So trat ich morgens häufig aus meiner Tür und begrüßte erstmal 10 Bauarbeiter, die zum Essen kamen. Irgendwann hatte man sich auch wiederholt gesehen und ich fand ich es sehr nett. Mittlerweile ist es aber wieder ruhiger, der große Ramadan-Ansturm ist abgeklungen.

Ramadan endete mit dem hier viertägigen Zuckerfest Eid al-Fitr. Der eher ruhige Monat war vorbei und viele feierten nun. Ich wurde zu einem Eid-Frühstück eingeladen und wir aßen verschiedenes süßes Gebäck. Für die Kinder wurden Geschenke gekauft und viele besuchten den Freizeitpark oder andere öffentliche Plätze. In den Bussen wurden Datteln verteilt. Abends war es nicht möglich mit öffentlichen Transportmitteln in die Stadt zu fahren. Es wurde vorher gestoppt, denn die Hauptstraße war voller Menschen. Es glich einem Jahrmarkt und ich war begeistert.

Die Hauptstraße zu Eid al-Fitr

Ich bin total dankbar, den Ramadan zumindest ein wenig miterlebt zu haben. Es war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich. Ich durfte viel dazu lernen und möchte nun auch in Deutschland sensibler mit dem Thema umgehen. Vielleicht begegnete ich schon vorher mal fastenden Menschen, aber ich bemerkte es nicht. Nun weiß ich etwas mehr.

Evangelisch-Lutherische Kirche Tansania

Die evangelisch-lutherische Kirche in Tansania (ELCT) ist die größte lutherische Kirche Ostafrikas und die zweitgrößte der Welt. Sie führt partnerschaftliche Beziehungen zu 14 Kirchen und Missionsgesellschaften in Europa und Nordamerika. Seit 1971 ist die ELCT Partner des Zentrum für Mission und Ökumene und damit auch der Nordkirche. Der leitende Bischof ist Dr. Fredrick Shoo.

Die Geschichte der ELCT geht bis ins Jahre 1887, als Missionare aus Berlin eine erste Missionsstation in Dar es Salaam gründeten. Ihnen folgten weitere Missionare, welche dann weitere Stationen gründeten. Später folgten auch weitere Missionswerke aus ganz Deutschland.

Im Jahre 1938 gab es sieben Kirchen im damaligen Tanganyika, die sich dann zu einem Verbund zusammenschlossen. 1963 wurde der Verbund zu einer gemeinsamen Kirche, die evangelisch-lutherischen Kirche Tanganyika. Im darauffolgenden Jahr vereinigten sich Tanganyika und Sansibar und die Nation Tansania entstand. Seitdem heißt die Kirche Evangelisch-Lutherische Kirche Tansania.

Heutzutage besteht die Kirche besteht aus 26 Diözesen, verteilt im ganzen Land. Mehr als 6 Millionen Mitglieder zählt die ELCT, das machen 13 Prozent der tansanischen Bevölkerung aus.

Zusätzlich unterhält die ELCT mehrere Bildungseinrichtungen, unteranderem Schulen für gehörlose Kinder, sowie 23 Krankenhäuser. Dazu kommen mehr als 140 Gesundheitszentren sowie Dispensaries, verteilt in ganz Tansania.

Auch fördert und betreibt sie mehrere Wasserbauprojekte und Programme zum Abbau der Armut sowie Umweltschutzprojekte. Die Durchsetzung dieser Projekte hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung in den Gemeinden.

Eine der 26 Diözesen ist die „East and Coast Diocese“ (kurz ECD). Sie umschreibt die 6 Distrikte in der Dar es Salaam- und Küstenregion, sowie das Sansibar Archipel. Die Distrikte sind unterteilt in 93 Gemeinden zu denen insgesamt 157 Kirchengebäude gehören. In der ECD gibt es 114 aktive Pastoren/innen und insgesamt 938 Mitarbeiter.

Ich wohne und arbeite im Zanzibar Distrikt. Leitender Pastor und auch Pastor der Kirchengemeinde Mwanakwerekwe, auf dem Kirchengelände ich auch wohne, ist Pastor Steven Shukuru Maloda. Neben der Gemeinde in Mwanakwerekwe gibt es auch weitere Gemeinden auf dem Sansibar-Archipel.

Zum Distrikt gehören 4 Projekte: das Zanzibar Interfaith Center, das Upendo Empowerment Projekt, die Martin Luther Pre- und Primary School und das Martin Luther Hostel in Paje.

Ich arbeite in zwei von diesen Projekten. Meistens bin ich bei der Martin Luther Pre- und Primary School, aber auch sehr gerne beim Upendo Empowerment Projekt. Beim letzteren handelt es sich um ein Nähprojekt inklusive Nähschule. Dem Interfaith Center durfte ich auch schon Besuche abstatten. Alle gehören zwar zur Kirche, sind aber interreligiöse Projekte, das heißt Christen und Muslime lernen dort gemeinsam. So wird ein Ort für den interreligiösen Dialog geschaffen.

Angekommen

Fünf einhalb Monate ist nun schon her, dass ich mich von meiner Familie in Deutschland verabschiedete und in ein neues Abenteuer startete: meinen Freiwilligendienst auf Sansibar.

Seitdem durfte ich unglaublich viel erleben und in eine für mich neue Welt eintauchen.

Die Offenheit und Herzlichkeit, die ich bei meiner Ankunft spüren durfte, hält weiterhin an. So lernte ich ganz wunderbare Menschen kennen, fand neue Freunde und auch eine zweite Familie. Die Pastorenfamilie der Kirchengemeinde nahm mich von Tag eins als Nanny, große Schwester oder auch als viertes Kind mit auf und ist seitdem immer für mich da. Ganz besonders ist mir die Mama ans Herz gewachsen, meine Mama Sansibar.

Neben den Menschen lernte ich aber auch Unguja immer mehr kennen. Das ist die Insel des Sansibar-Archipels, auf der ich lebe. Ich durfte gemeinsam mit neugewonnenen Freunden tolle Orte entdecken und viele Einblicke in das tägliche Leben auf der Insel erhalten.

Ich lebte mich schnell ein und fühlte mich von Anfang pudelwohl. Dennoch war am Anfang alles neu. Ich brauchte eine Weile, bis ich wirklich ein Gefühl des Angekommenseins hatte. Vielleicht ist es seit November soweit. 

Denn mittlerweile finde ich mich auch problemlos alleine zurecht oder weiß zumindest, an wen ich mich bei Fragen wenden kann. Ich weiß, wo ich was auf dem Markt finde und wo ich das beste Chipsi Mayai kaufen kann. Ich weiß, wie ich von A nach B komme, was mir auch ohne Auto ein ganz großes Freiheitsgefühl gibt. Und ich weiß, was mir hier gut tut.

Dadurch fühle ich mich nur umso wohler und habe meinen Platz in meinem neuen Umfeld gefunden. 

Dass nun die erste Hälfte meines Freiwilligendienstes vorbei ist, finde ich sehr erstaunlich. Ich freue mich über alles was ich schon erleben durfte und welche Erfahrungen ich machte. Durch mein Bergfest realisierte ich nochmal mehr, wie wohl ich mich hier fühle und, dass ich eine ganz wunderbare Zeit in meinem Freiwilligendienst habe. Ich bin soweit von meinem Zuhause in Deutschland weg, habe aber hier ein zweites Zuhause gefunden.

Dafür bin ich sehr dankbar! Ich bin gespannt, was ich noch alles erleben darf. Nach einem Bergfest rennt die Zeit bekanntlich noch schneller.

Aber ich bin wirklich angekommen.

Milka Schokolade als Trostpflaster

Als ich meine Schwester am 26. März zum Flughafen brachte war mir noch nicht klar, dass meine eigene Ausreise noch in der selben Woche stattfinden sollte.

Mein letzter Abend.

Am Flughafen angekommen, wurden wir von FlughafenmitarbeiterInnen mit Schutzmasken und Handschuhen überrascht. Dies machte mir zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Sorgen. Ich nahm es als eine rein präventive Vorsichtsmaßnahmen wahr. An diesem Tag war erst ein Corona-Fall in Arusha (im Norden von Tansania) bestätigt. Nachdem ich mich also von meiner Schwester mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedet hatte (leider durfte ich sie nicht in den Flughafen begleiten), machte ich mich wieder mit dem Daladala auf den Weg nach Hause. Doch bevor ich in unsere Wohnung ging, machte ich noch einen Abstecher in den Laden von Upendo.

Dort saßen Jenny, Rama und Farijila, die sich unterhielten. Nachdem wir uns über die Verabschiedung von meiner Schwester austauschten, wies mich Jenny recht schnell daraufhin, dass ich mal in mein E-Mail Postfach schauen sollte, ließ es jedoch unkommentiert. Bereits als ich mein Handy mit dem WLAN verband, erreichten mich Nachrichten in unserer Freiwilligengruppe vom ZMÖ. Diese bereiteten mir einen negativen Vorgeschmack und ein ungutes Gefühl auf das, was folgen sollte.

Die Tage zuvor hatte sich das ZMÖ bereits bei uns gemeldet. In einer ersten E-Mail ging es zunächst um allgemeine Richtlinien im Bezug auf Corona. Des Weiteren ermutigten sie uns mit ihnen in Kontakt zu treten, sobald unsere Einsatzstellen schießen sollten, wir krank werden oder auch uns mit der Situation in unserem Einsatzland unwohl fühlen. Doch traf dies alles nicht auf mich zu und die ganze Corona-Diskussion fühlte sich für mich noch ganz weit weg an. Die Vortage hatte ich mich immer wieder über die Situation in Deutschland informiert und schaute fleißig die Tagesschau, doch konnte ich die Situation überhaupt nicht im Hinblick auf Sansibar einschätzen. Auch meine Eltern meldeten sich bei mir und machten mir ihre Sorgen deutlich. Doch verstand ich die Situation nicht bzw. wollte sie zu dem Moment noch nicht ganz nachvollziehen. Corona hatte auf mein Leben bis dahin keinen Einfluss genommen.

Doch in der Mail, die ich an diesem Tag erhielt, stand es ganz eindeutig drin: Das ZMÖ hatte die Entscheidung getroffen uns alle vorzeitig zurück nach Deutschland zu holen und unseren Freiwilligendienst zu beenden. Bereits als ich den Betreff der E-Mail ließ, wollte ich nicht weiterlesen „Abbruch Freiwilligendienst“ reichte mir schon. Ich legte mein Handy zur Seite und fing an zu weinen. Ich war sehr frustriert. Ich wusste nicht wohin mit meinen Emotionen.

Jenny und ich tauschten uns sehr rege über diese Entscheidung aus. Auch sie bangte darum, dass ihr Freiwilligendienst beendet werden sollte (sie erhielt diese E-Mail von ihrer Organisation erst am späten Abend).

Nach einem kurzen Verschnaufen, schaffte ich es dann doch die ganze E-Mail zu lesen, wobei ich immer wieder in Tränen ausbrach, nicht weiter lesen wollte und Pausen einlegte. Rama und Farijila schienen die Situation noch nicht ganz zu verstehen. Ich glaube, ich hätte die Situation von außen auch nicht einschätzen können. Jenny und ich brachen immer wieder in „hysterisches“ Gelächter aus, welches davon abgelöst wurde, dass ich wieder in Tränen ausbrach. Den einzigen Trost konnte uns in dieser Situation eine Milka Schokolade schenken, die ich nach einem Sprint in unsere Wohnung (unsere Wohnung lag über dem Laden) öffnete und wir im nächsten Moment verschlungen.

Unser Trostpflaster.

Den Tag über versuchten wir die Nachricht zu verarbeiten und zu realisieren, dass uns keine 4 weiteren Monate blieben, bis wir uns verabschieden sollten. Der Abschied sollte noch in der selben Woche erfolgen. So saßen Jenny und ich an diesem Tag weinend mit Zulfa auf unserer Couch.

In den kommenden Tagen musste ich mich also von meinen Einsatzstellen verabschieden. Mein erster Kindergarten Tag nach dem Zwischenseminar und dem Besuch meiner Schwester sollte also zu meinem Letzten werden. Dort angekommen erzählte ich ihnen von meiner Nachricht. Auch sie konnten diese nicht recht nachvollziehen, da Corona in Tansania bislang kaum ausgebrochen war. Ich machte den normalen Alltag in der Nursery School mit. Zum Abschluss haben die Kinder dann noch ein Lied gesungen („Goodbye teacher Leo. Goodbye. We are sorry. We are sorry to say goodbye.“) und die Lehrerinnen haben liebe Worte an mich gerichtet und noch Erinnerungsfotos gemacht. Das Upendo-Team hatte für Jenny und mich eine Art Abschiedsfeier organisiert. Dort saßen wir zusammen mit allen Upendo MitarbeiterInnen im Laden und verbrachten eine schöne Zeit. Einige der Frauen richteten dann noch wertschätzende Worte an Jenny und mich und sagten, wie traurig sie seinen, dass wir gehen müssten. Und fragten, wann wir denn wieder kommen würden.

Rückweg vom Kindergarten nach Hause.

Der Abbruch meines Freiwilligendienstes kam mir für eine lange Zeit so irreal vor (bis heute noch) und bescherte mir unruhige Nächte. Ich wollte meinen Freiwilligendienst nicht abbrechen. Ich wollte lieber die nächsten Monate wie geplant auf Sansibar verbringen. Doch kann ich rückblickend die Entscheidung sehr gut nachvollziehen, halte sie auch für richtig.

Meine letzten Tage auf Sansibar verbrachte ich mit meinen Freunden und der Familie von Zulfa, wir waren viel Zeit draußen und genossen unser Leben.

In der Zwischenzeit war bereits einiges in Tansania passiert und auch auf Sansibar merke ich Veränderungen. Zum Zeitpunkt meines Abfluges gab es dann schon 5 Fälle in Tansania, 2 davon auf Sansibar in der Gegend wo ich wohnte. Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten hatten ab dem 19. März dann bereits geschlossen (unbefristet). Auch der Kindergarten und das Upendo, in denen ich gearbeitet hatte, hatten geschlossen. Auf einmal war die Stadt leerer. Viele Touristen waren bereits abgereist, andere durften gar nicht mehr auf Sansibar einreisen. Auf den Straßen begegnete ich Menschen, die vereinzelt Einweghandschuhe oder auch Schutzmasken trugen. Wieder andere unterhielten sich über Corona. An jeder Straßenecke traf ich auf Menschen, die Corona auf unterschiedlichste Weisen beschäftigte. Einzelne Menschen riefen Jenny und mir hinterher, dass wir Corona hätten („Wazungu wana Corona.“) oder, dass die „Weißen/ Reisenden“ ihnen Corona bringen. Womit sie auch nicht ganz unrecht hatten, da 3 von 5 Erkrankten zudem Zeitpunkt Ortsfremde waren. Doch war es kein schönes Gefühlt, dass Menschen negativ hinter unserem Rücken über uns redeten oder auch hinter uns herriefen. Hätten sie doch genauso gut wie wir an Corona erkrankt sein können. Doch konnten sie nicht wissen, dass wir schon bereits in Tansania waren, bevor Corona überhaupt bekannt war. So nahm ich es ihnen nicht übel.

Eingang eines Restaurants.

Am Samstag, den 21. März machte ich mich dann also wieder auf den Weg nach Deutschland. Jenny, Rama und ein anderer Bekannter brachten mich dann am Morgen zur Fähre. Ich umarmte noch die Shopleiterin und dann ging es los. Mit der Fähre ging es für mich zunächst nach Dar es Salaam. Die Überfahrt hatte ich die meiste Zeit geschlafen. Bei der Fähre wurde ich von einem Taxifahrer abgeholt. Die Taxifahrt zum Flughafen wurde begleitet von regen Gesprächen über Gott und die Welt. Drückte er mir auch kurz sein Handy in die Hand, um mit seiner Frau zu reden. Beim Flughafen wechselte ich zunächst noch mein Geld. Die restlichen 7 Stunden verbrachte ich mit Musik hören, Sudokus und Gesprächen. Um mich herum waren viele herzliche Menschen, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin. Suzy, eine 22-jährige Flughafenmitarbeiterin kam immer wieder zu mir und machte sicher, dass es mir gut ging (bis heute habe ich noch Kontakt zu ihr). Wir unterhielten uns immer wieder und sie achtete auf meine Sachen, wenn ich mal auf die Toilette musste. Ich unterhielt mich zudem mit einem Mann aus der Schweiz, Männern aus den USA und einer Frau aus Kenia.

Ich hatte mir morgens bei der Bäckerei noch einmal meine liebsten Gebäcke gekauft – s.o. Chapati.

Bei der Fähre sowie auf dem Flughafen wurde sehr auf Hygienemaßnahmen geachtet. Am Hafen musste ich meine Hände waschen, bevor ich das Gelände verließ. Und auch am Flughafen musste man seine Hände desinfizieren. Am Hafen sowie am Flughafen wurde Fieber gemessen (diese Prozedur kannte ich schon von vorherigen Fährfahrten). Überall sah man Poster mit Informationen über Corona und wie man die Hände zu waschen hat. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass die Vorschriften und Maßnahmen im Bezug auf Corona schärfer in Tansania als in Europa waren. Dort sah es für mich aus wie immer, nur deutlich leerer.

Am späten Abend traf ich dann auf Anna und Kim-Lea, die Beiden waren von Mwanza bzw. dem Kilimanjaro nach Dar es Salaam geflogen. Auch trafen wir zwei andere Freiwillige von der VEM, die wir von unseren Seminaren kannten. Aus Zufall saßen diese dann auch im Flugzeug in der Reihe hinter uns. Zusammen nahmen wir die weitere Reise auf uns. Unser Highlight war das Sprudelwasser im Flugzug. Von Dar es Salaam flogen wir dann weiter nach Amsterdam und von Amsterdam nach Hamburg.

Und so kommt es, dass ich nun seit Montag, dem 23. März wieder in Deutschland bin.

Am Anfang habe ich sehr lange Zeit gebraucht um die Situation zu verkraften. Und damit meine ich nicht nur den 30 Grad Temperaturunterschied. Immer wieder brach ich in Tränen aus und wusste nicht so recht wohin mit mir. Doch konnte ich mich an unserer acht Monate alten Hündin Billie erfreuen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennengelernt hatte. Die nächsten Wochen ging ich also viel spazieren mit Billie, verbrachte Zeit mit meinen Eltern und meiner Schwester und bemalte das ein oder andere Vogelhaus.

Aktuell (stand 23.04.2020) gibt es 284 bestätigte Corona Infektionen in Tansania, davon 74 auf Sansibar. 11 Menschen haben sich von dem Virus erholt und 10 sind verstorben, wobei die Dunkelziffer um einiges höher sein mag. Wie oben erwähnt haben Bildungseinrichtungen geschlossen. Massenveranstaltungen sind untersagt. In den Daladalas wird die Anzahl an Passagieren begrenzt. Die Grenzen sind z.T. geschlossen. Das „Physical Distancing“ ist empfohlen, jedoch aus meiner Sicht ein Privileg, welches nicht von allen ausgeführt werden kann. Die Wenigsten können es sich leisten zu Hause zu bleiben. Ein Großteil der Bevölkerung verdient heute das Geld für morgen. Des Weiteren gibt es keine gesetzliche Krankenversicherung. Jeder Krankenhausbesuch ist mit hohen Kosten verbunden und mit der Angst sich dort an Corona zu infizieren. Märkte und auch religiöse Einrichtungen sind weiterhin geöffnet. Es gibt Stimmen in der Regierung Tansanias, die die Menschen dazu ermutigen weiterhin Gottesdienste, Messen und Freitagsgebete zu besuchen. Kirchen und Moscheen seien die einzigen Orte, wo wirklich Heilung gefunden werden kann. Auch wird die Bevölkerung darauf vorbereitet, dass als Folge der Pandemie eine Lebensmittelknappheit möglich ist.

Ich bin überaus dankbar für die sieben Monate, die ich auf Sansibar verbringen durfte. Es war eine unglaubliche Zeit, die ich mit Menschen verbringen durfte, die zu Freunden geworden sind. Ich bin dankbar für jede einzelne Erfahrung.

Tutaonana tena. – Wir werden uns wiedersehen.

Bleibt alle gesund und behütet!

Quellen:

– https://taz.de/Coronavirus-in-Tansania/!5675918/

– https://www.spiegel.de/consent-a-?targetUrl=https%3A%2F%2Fwww.spiegel.de%2Fpolitik%2Fausland%2Fcorona-pandemie-in-tansania-koennen-sich-die-wenigsten-leisten-zu-hause-zu-bleiben-a-7410fa96-ac69-4320-8c87-73351e1a382a&ref=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

– https://www.ipg-journal.de/regionen/global/artikel/detail/selbst-ist-das-volk-4233/

– https://www.bagamoyo.com/index.php?id=907

Über „How are you my Dear?“ und das Haus der Liebe

Mit Karibu Zanzibar (Willkommen auf Sansibar) werden die ankommenden Menschen am Hafen begrüßt.

Bevor ich anfange über meine Einsatzstelle zu sprechen, möchte ich mich kurz bei Euch vorstellen. Ich heiße Leonie, bin zwanzig Jahre alt und wohne in Kiel. Meinen Freiwilligendienst/ Lerndienst habe ich auf Sansibar absolviert. Dort habe ich mich immer mit Leo, meinem Spitznamen, vorgestellt. Dies hat häufig in einem großen Gelächter geendet. Leo heißt auf Kiswahili „Heute“. Habe ich also gesagt, dass ich „Heute“ heiße, kam meistens prompt die Antwort: „Haha, und ich heiße Jana (Gestern).“ Irgendwann habe ich mich auf diesen Konversationsanfang schon eingestellt, meine Reaktion war bereits eingespielt und bin dann einfach mit eingestiegen. Stand noch eine weitere Person mit uns im Gesprächskreis war dann meine Antwort: „Und diese Person heißt Kesho (Morgen). Ach, und Kesho kutwa (Übermorgen) kommt gleich noch.“

Sansibar besteht aus zwei Inseln, die zu Tansania gehören. Die eine heißt Pemba und die andere Unguja, auf der Letztern habe ich mich befunden.

Zusammen mit Jenny und Sasia habe ich die ersten Monate auf dem Kirchencampus der lutherischen Gemeinde in Mwanakwerekwe gewohnt. Die Kirche ist etwa eine zwanzigminütige Daladala-Fahrt von Stonetown entfernt. Das Daladala ist ein Kleinbus, der dann losfährt, wenn er voll ist. Ich schätze, dass das Daladala das primäre Fortbewegungsmittel auf Sansibar ist. Auf dem Kirchencampus befinden sich 5 Gästezimmer, die zur Vermietung stehen. Jede von uns hatte ein Zimmer. Zudem stand uns eine Küche zur Verfügung. Ende Dezember sind Jenny und ich jedoch nach Stonetown in eine Wohnung im Upendo House gezogen.

Umzug von der Kirche nach Stonetown.

Und jetzt zu meiner Einsatzstelle:

Kann eine Einsatzstelle mehr sein als ein Ort, zu dem man an jedem Wochentag zum Arbeiten kommt? Kann eine Einsatzstelle ein Stück Zuhause werden? Können die KollegInnen zu FreundInnen oder auch MentorInnen werden? Eine Einsatzstelle kann ganz viel sein. Sie kann einem viel Freude bringen, einen zum Nachdenken anregen oder an manchen Tagen auch traurig machen. Aber vor allem kann man ganz viel dazu lernen. Meine Einsatzstellen waren für mich persönlich viel mehr als nur Orte bzw. Gebäude.

Meine örtliche Einsatzstelle war in zwei Bereiche aufgeteilt. An vier Tagen in der Woche war ich vormittags in einem interreligiösen Kindergarten in Kisauni beschäftigt. Die Montage habe ich dann im Upendo (interreligiöses Frauennähprojekt) in der Nähschule und auch im Shop gearbeitet.

Upendo Kwanza/ Martin Luther English Medium School.

Die Martin Luther English Medium School ist eine Schule der lutherischen Kirche auf Sansibar. Die Schule, die sich in Kisauni befindet, zeichnet sich dadurch aus, dass sie interkulturell ist. Der Großteil der Bevölkerung auf Sansibar besteht aus Muslimen (etwa 90 Prozent). Kinder aller Religionen sind in dieser Schule willkommen. Der Kindergarten bzw. die Schule bietet die Chance, dass Kinder verschiedener Religionen miteinander in Kontakt kommen und mit- und voneinander lernen. Aktuell wird die Schule von etwa 45 Kindern im Alter zwischen 2 und 7 Jahren besucht. Der Großteil der Kinder gehört christlichen Familien an. Insgesamt gibt es 4 verschiedene Klassen, die in verschiedene Altersstufen eingeteilt sind. In der Schule arbeiten drei Lehrerinnen, eine Matron (Köchin, Putzkraft), ein Wächter/ Gärtner/ Hausmeister und ein Schulbusfahrer.

Die letzten Monate habe ich zum Teil alleine und z.T. mit Sasia bzw. Teacher Arafa die Baby Class unterrichtet. In diese Klasse gingen die Jüngsten im Alter von 2 bis 4 Jahren. Es ist mir zunächst nicht immer leicht gefallen, die Kinder eigenständig zu unterrichten. Auch waren mir die Erziehungsmaßnahmen teilweise fremd. Gerade zu Beginn meiner Zeit im Kindergarten hat mich dies sehr aufgewühlt. Doch konnte ich mich nach und nach daran gewöhnen, bin aber meinen eigenen Prinzipien treu geblieben. Es hat mich sehr gefreut, als ich die Klasse nicht mehr alleine unterrichten musste. Für mich und ich denke auch für die Kinder ist dies ein Gewinn gewesen. Davor hatte ich das Gefühl, dass ich den SchülerInnen nicht ganz gerecht werden konnte, da ich keine ausgebildete Lehrerin bin.

Der Tagesablauf im Kindergarten sah in etwa so aus:

Wenn die Kinder morgens in den Kindergarten kommen, spielen sie zunächst eine Runde im Garten. Danach geht es in eine Parade über, die von Tag zu Tag unterschiedlich sein kann. Dort stellen sich die Kinder in Reihen auf und singen Lieder, sagen Zahlen oder das Alphabet auf. Die Lehrerinnen stellen ihnen Fragen, die diese dann beantworten u.a. „Wie heißt du?“ oder auch „Nenne Dinge mit denen man die Umwelt reinigen kann!“ Nach der Parade geht jedes der Kinder nochmal auf die Toilette.

Das Klassenzimmer der Baby Class.

In den jeweiligen Klassen startet dann der Unterricht. Der Unterricht findet auf Englisch statt. Zum Verständnis wird zwischendurch auch Kiswahili gesprochen. Es wird immer tagesspezifisch unterrichtet. In der Baby Class wird in der ersten Hälfte Englisch, Zahlen und Kunst unterrichtet. In der zweiten Hälfte wird dann Kunst und Basteln unterrichtet oder Persönlichkeit und Sport.

Zwischen der ersten und zweiten Unterrichtsstunde gibt es eine Frühstückspause. In dieser Pause bekommt jedes Kind einen Becher mit Porridge. Ein Teil der Kinder bringt auch etwas eigenes von Zuhause mit. Auch die Lehrerinnen und ich haben dann immer zusammen Tee getrunken und eine Kleinigkeit gegessen.

Die Schuhe der Baby Class.

Danach geht es manchmal noch in den Garten zum Spielen bzw. zurück in den Unterricht. Zum Abschluss des Tages werden dann noch die Hausaufgaben verteilt.

Jeden Montag habe ich im Upendo in Stonetown gearbeitet. Ab Ende Dezember war ich dann jeden Tag bei Upendo, da ich und Jenny in eine Wohnung in das Upendo House gezogen sind und ich viel Freude daran hatte, die MitarbeiterInnen beim Verkauf zu unterstützen und die Gemeinschaft mitzuerleben.

Beim Eingang des Shops, auf dessen Treppe ich viel Zeit verbracht habe.

In dem Upendo House befindet sich zum einen das Upendo – means love und zum anderen Zanzic. Zanzic ist das Zanzibar interfaith center. Zum einen führen sie Projekte durch, welche Frieden bilden bzw. unterstützen und zu Dialogen zwischen Religionen führen sollen. Zum anderen bieten sie einen Diplom Kurs in interkulturellen Beziehungen an sowie Jugendarbeit. Upendo – means love ist ein interreligiöses Frauenprojekt. Dieses Frauenprojekt besteht aus einer Nähschule, einem Workshop und einem Shop. In dem Workshop nähen die Frauen die Kleidung, welche sie dann im Shop verkaufen. Einige der Frauen, die im Workshop bzw. auch Shop arbeiten gehören noch zu den ersten Upendo Frauen, die selber Mitte der 2000er in der Nähschule nähen gelernt haben.

Im Shop von Upendo – means love.

Die Nähschule besteht aus drei verschiedene Klassen, die von zwei Lehrerinnen unterrichtet werden. Der Anfängerkurs ist Level 1, der fortgeschrittenen Kurs Level 2 und dann gibt es noch den Kurs, wo man Sticken lernt. Eine Klasse wird etwa von 20 Schülerinnen, im Alter von 13 bis 40 Jahren, besucht.

Im Upendo habe ich Englischunterricht für die Schülerinnen des Level 1 Kurses (eine Vormittags- und eine Nachmittagsklasse) gegeben. Der Englischunterricht ging immer eine Stunde und wurde von der Lehrerin der Level 1 begleitet, die zur Verständigung auch übersetzt hat.

Englischunterricht in der Nähschule.

Der Englischunterricht war dazu da, um die Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Auf diese Weise lernen sie auch mit internationalen Kunden zu kommunizieren (auf Sansibar spielt der Tourismus eine große Rolle) bzw. bekommen die Chance, mit der englischen Sprache in Kontakt zukommen. Ab und zu habe ich die Schülerinnen gefragt, was sie gerne im Englischunterricht lernen bzw. machen möchten. Ein Wunsch der Schülerinnen war immer das Üben auf Englisch zusprechen. Vor allem hatten die Frauen und Mädchen jedoch Spaß an den Spielen, die wir gemeinsam gespielt haben oder das gemeinsame Tanzen zu den Liedern in den Charts (Hört doch mal bei Yo Pe oder Baba Lao rein).

Einige der Schülerinnen haben nur für eine kurze Zeit die Schule besucht, andere länger, aber keinen Schulabschluss, wieder andere haben einen Schulabschluss und auch gab es wenige Analphabetinnen, die nie die Schule besucht haben. Auf Sansibar bzw. in Tansania müssen die Familien der meisten SchülerInnen für die Bildung ihrer Kinder bezahlen. Dies ist nicht allen möglich, manchmal wird auch unter den Kindern abgewogen, welches Kind weiter zur Schule gehen darf und welches nicht.

Die Nachmittage habe ich gerne zusammen mit der Shopleiterin und Jenny im Laden von Upendo verbracht. So bin ich zu meiner Anfangszeit auch häufig außerhalb meiner Arbeitszeiten zum Upendo gegangen, weil ich die Atmosphäre so sehr genossen habe.

Beim Kontrollieren und Sortieren der fertiggestellten Kleidungungsstücke.

Kann eine Einsatzstelle mehr als nur ein Ort oder Gebäude sein? Für mich definitiv ein „Ja!“. Ich bin immer gerne zum Kindergarten gegangen. Die Freude der Kinder wurde zu meiner Freude. Und ja man kann Lieblingskinder haben. Auch die Lehrerinnen und die Matron habe ich in mein Herzen geschlossen. Das „How are you my Dear?“ von Maria, das Rufen einiger Kinder „Teacher Leo! Teacher Leo!“ oder die ein oder andere Umarmung am Morgen konnte mir immer ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Das Upendo und die MitarbeiterInnen sind für mich wie zu einer zweiten Familie geworden. Das Upendo wurde für mich zu einem Ort des Wohlfühlens und der puren Freude. Ich habe mich immer gefreut zu Upendo zu kommen und dann auch dort zu wohnen, war für mich ein totaler Gewinn. Upendo – means love ist genau das, was das Frauenprojekt für mich wieder gespiegelt hat. Ein Haus der Liebe mit noch lieberen Menschen.