Zeitvertrauen

Braids sehen toll aus – strapazieren je nach der Art, wie sie eingeflochten und gepflegt werden, aber auch übermäßig stark die Haarwurzeln. Eine der vielen Lektionen, die ich mitnehmen durfte; jene Lektionen, die einem im Alltag ständig über den Weg laufen.

Schon sehr lange hatten die Kinder mich dazu aufgefordert, mir Braids in einem Friseursalon machen zu lassen. Dabei wird das Kopfhaar in viele kleine Zöpfe geflochten. Um längere Zöpfe zu erhalten, werden häufig Extensions verwendet. Die Resultate können je nach Stil und Größe der Zöpfe sehr individuell und unterschiedlich aussehen.

Der Ursprung dieser Flechtfrisur findet sich im afrikanischen Raum. Erste Hinweise dieser Technik lassen sich im alten Ägypten 3500 v.Chr. finden. Sie symbolisierten kulturelle Zugehörigkeit, Religion oder politische Standpunkte. Bis heute sind sie Teil der Kultur der People of Colour. Aus diesem Grund hatte ich auch lange Zeit nicht mit dem Gedanken gespielt, mir selbst Braids machen zu lassen. Ob es sich beim Tragen der Braids als weiße Person um kulturelle Aneignung handelt, darüber wird diskutiert. Fest steht aber, dass sie je nach Kontext, Region und geschichtlichem Hintergrund kulturelles Statussymbol und Zeichen Schwarzer Identität und Freiheit sind; sie haben eine tiefere Bedeutung für viele ihrer Träger*innen. Sie deswegen aus rein modischen Motiven zu tragen, ohne sich mit ihrer Geschichte und ihrem Wert auseinanderzusetzen, kann als respektlos aufgegriffen werden. Menschen können verletzt werden; sich in ihrer Identität ungesehen fühlen.

Mir ist es wichtig, diese Informationen aufzuführen und damit auch den Kontext, in dem ich mich zu dieser Frisur entschieden habe. Von den Kindern hatten wir uns bereits Frisuren zeigen lassen, geübt und ausprobiert – zum einen mit unseren und auch mit ihren eigenen Haaren. An den Strähnen zu tüfteln, sie zu kämmen und sie schließlich aufzustecken oder zu flechten, war eine gemeinsame Aktivität, die uns zusammengeschweißt hat, die Kontakt und Miteinander bedeutete, bei der wir voneinander lernen konnten. Eine Berührung, die Grenzen aufbricht und verschwimmen lässt. Seit einem Dreiviertel Jahr bin ich nun in Kenya. Unterschwellig lernte ich dabei mehr und mehr über die verschiedenen kulturellen Gruppen, die Sprache, die Lebensweise. Ich bin einer Vielfalt bunter Persönlichkeiten begegnet – alles Menschen. Wie ich selbst auch. Egal wie unterschiedlich unsere Leben sind, unsere Interessen, unsere Vergangenheit – was uns zusammenschweißt, ist die Menschlichkeit; tolerieren, respektieren und wertschätzen wir unsere Verschiedenheiten, können wir in einer wohlwollenden Gemeinschaft leben und in dieser teilen und schenken. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Kinder, die Hausmütter, die Lehrkräfte und die Sozialarbeiterinnen gefreut haben, als ich mit der neuen Frisur zur Morgenandacht kam. Für uns war mein Tragen dieser Frisur kein respektloses Nicht-Anerkennen – eher im Gegenteil; ein kleines Zeigen, dass wir ein Team sind und ich für diese Gemeinschaft dankbar bin.

Mit Purity, einer der Hausmütter, war ich am Tag zuvor zusammen in einem Salon. Zuerst wurden ihre Haare gemacht und schließlich meine. Drei Stunden Arbeit, die vielleicht vier Stunden gewesen wären, hätte Purity nicht bei den vielen Zöpfen mitangepackt. Dass es damit auch ihr Werk war, hat mich auf eine Weise berührt; schließlich ist sie eine mir sehr wichtige Bezugs- und Kontaktperson im Alltag und bei der Arbeit. Das Staunen und die Freude der Kinder hätte ich auf Video aufnehmen sollen. Sie wussten sehr viel besser als ich, wie die Zöpfe frisiert werden konnten und halfen mir bei der Pflege. Denn diese vernachlässigte ich dezent… Womöglich einer der Gründe, warum meine Haarwurzeln ungewöhnlich stark strapaziert wurden. Als wir an einem Sonntag morgen zusammen die Zöpfe entflochten, machte sich bemerkbar, wie stark meine Kopfhaut unter Spannung gesetzt worden war. Viele Haare waren abgebrochen und der Haarhaufen beim Kämmen wurde größer und größer. Die Konsequenz war simpel; ein Abend im Badezimmer. Eine Bastelschere. Ein Schnipp Schnapp.

Ein bisschen anders ist die Nora, die heute durch Nairobi streift, im Matatu Musik hört oder in Rongai die Abendsonne genießt. Sie ist etwas anders als die Nora vor einem Dreiviertel Jahr. In dieser Zeit habe ich Lektionen für mich mitgenommen; bin gelassener geworden und ein bisschen verrückter. Nicht nur daran ersichtlich, dass ich nicht vor einem neuen Haarschnitt zögere. Allein das Fußfassen in einem neuen Umfeld und meine tägliche Zeit mit den Mädchen bedeutete zugleich eine Erweiterung meines Wissens. Ich weiß nun mehr durch Erfahrung. Da gibt es die kleinen Dinge…

Ich weiß, wie ich auf Kiswahili bete und wie ich mich in dieser Sprache zumindest ein bisschen („kidogo“) verständigen kann.

Ich weiß, wie ich ein Armband flechte und kenne Matherechnungen, die ich in meiner Schulzeit nicht gelernt habe.

Ich weiß zumindest theoretisch, wie man Chapati macht (obwohl ohne Tabithas oder Puritys Anweisungen mein Resultat zwar eine Art Gebäck ist, aber definitiv kein Chapati).

Ich weiß, wie ich aus alten Plastikflaschen Blumen zaubern kann.

Ich weiß, dass ein strahlend blauer, sonniger Himmel nicht bedeutet, dass es nicht zwei Minuten später in Strömen regnen könnte.

Und ich weiß, dass Zeit vieles fügt.

Das ist eine meiner größten Erkenntnisse. Und sie umfasst so viele Bereiche meines Lebens.

Ganz am Anfang herrschte in mir Unsicherheit. Mein gesamtes Umfeld war unbekannt und fremd. Da war kein Vertrauen – weder in die Menschen noch in meinen Alltag. Wie ich was mit wem reden sollte, war jedesmal eine kleine Herausforderung; bei der Arbeit in der Schule wusste ich nicht, was ich machen kann, soll und darf; das Heimweh und die Sehnsucht nach der bekannten Welt eroberten ab und an meine Stimmung, verbunden mit der immerwährenden Angst, es könnte so bleiben; dass sich nichts ändern könnte, ich mich nie in diesem Neu zurechtfinden und das Begegnen mit den Menschen Tag für Tag eine kleine Überwindung darstellen würde. Doch mit der Zeit näherten wir uns einander an; kleine Gespräche, aus denen tiefere Bindungen erwuchsen. Je häufiger wir in Kontakt traten, uns austauschten und quatschten, desto mehr kam mir eine Erkenntnis: Dass es nichts gibt, vor was ich mich fürchten müsste. Es klingt banal, aber etwas in mir musste beruhigt werden und verstehen, dass mir niemand etwas Böses will. Und so öffneten wir einander die Türen und luden uns ein. Durch Ausprobieren, Nachfragen und Um-Hilfe-Bitten wuchsen die Sicherheit und die Gewohnheit.

Wieder aufs Neue überwältigten sie mich vor Beginn des Ferienprogramms, die Zweifel und Ängste: Kann ich das überhaupt? Werde ich mich mit den Kindern verstehen? Was, wenn etwas schiefgeht? Wenn es nicht nach Plan läuft?

Überraschung: Es lief nicht nach Plan. Das ein oder andere ging schief. Ja und? Deswegen ist die Welt nicht untergegangen. Vorbereitung hin oder her; vieles kam doch anders. Und „anders“ bedarf keiner Wertung. Anders ist anders. Es entstanden Komplikationen und genauso Momente, die ich mir nicht schöner hätte ausmalen können. All diese Situationen haben ihre Daseinsberechtigung; ein weinendes Kind, das Trost braucht, oder eine lustlose Stimmung, weil niemand sich für das Spiel interessiert; Stromausfall, der Filmschauen und Regen, der Kreidespiele schwierig macht; genauso wie ein Gejubel über eine Bastelidee und die Verlängerung von beliebten Programmpunkten.

Und wenngleich es holprig, gern spontan und nicht perfekt lief, so hatten wir es am Ende gemeinsam über die Bühne gebracht. Wir hatten kreiert, getobt und geschaffen. Wir haben uns näher kennengelernt; einander und uns selbst. Ich erlebte die Kinder, wie sie lachten, stritten und weinten, stolz ihre Basteleien präsentierten, jubelten wenn sie sich auf den Kuchen freuten oder einen Moment still dasaßen, Musik lauschten und zeichneten. Wie ich sie wahrnahm, lehrte mich eine nicht unbedeutende Lektion, die ich auf mich selbst bezogen nie glauben wollte. Dass das bloße Sein eines Menschen und der Wille, ein guter Mensch zu sein, wichtiger sind als Leistung und Fähigkeiten.

Aber auch das konnte nur wachsen dank der Zeit.

Vieles habe ich zum ersten Mal gemacht. Seien es bestimmte Mahlzeiten zu kochen, Bodaboda zu fahren oder Reisen planen und umzusetzen. Bis ich es tat, konnte ich nicht wissen, ob ich es kann. Mit der Zeit festigte sich mein Zeitvertrauen. Kriechen heute die Zweifel in meine Gedanken, dann spüre ich sie, höre ihnen zu und kann dann sagen: Lass etwas Zeit vergehen. Es wird sich fügen. Vielleicht kann Zeit nicht alles fixen, aber eine ganze Menge.

Und was schmerzhaft bleibt und nicht repariert werden kann, wird Zeit zu einer weichen Narbe verblassen lassen und vielleicht eine neue Lektion hinterlassen.

Manchmal sind die Veränderungen und das Wachstum so langsam, dass es kaum bemerkbar ist. Also trete ich einen Schritt zurück und sehe es an den Kleinigkeiten, an der Lockerheit, wie ich meine Haare abschneide und es mir gleich ist (denn sie wachsen mit Zeit).

Von einer außergewöhnlichen Frau…

Am 08. März 2025 verabredete ich mich mit Purity, einer der Hausmütter des PLCC. Wir nahmen uns beide ungestörte Zeit, setzten uns in den Schatten vor unserem Haus und ich bat sie, mir zu erzählen; von sich, von ihrer Arbeit, von ihrem Leben. Unser Gespräch zeichnete ich in ihrem Einverständnis auf und tippte es im Nachhinein ab. Ihre Erzählungen kürzte und übersetzte ich. Die Geschichten, die sie erzählt, ihre Gedanken und Ansichten sprechen für sich.

Wer bin ich und wie kam ich ins PLCC?

Mein Name ist Purity Mukami Abigael. Ich bin vierundvierzig Jahre alt und nun seit fast zwei Jahren im PLCC.

Wir hatten eine Bekanntgabe in unserer Kirche, dass dort eine Hausmutter gebraucht wird. (…) Wir wussten, dass es ein Ort ist, an dem unter anderem Waisenkinder und Kinder mit schwieriger Vergangenheit leben. Als ich also hörte, dass die Anzeige von dort kam, wusste ich: Das will ich tun. Denn vor einigen Jahren war ich eine alleinerziehende Mutter. Ich habe mich alleine um meine und die Kinder meiner Schwester gesorgt. Gott war immer da für mich. Ich fragte mich: „Was kann ich tun, um zu würdigen, was Gott für mich getan hat?“ (…) Zwar habe ich nicht viel Geld oder andere Gaben, die ich der Kirche geben kann, aber das kann ich tun, um Gott zu zeigen, dass ich dankbar bin. Referentin Agnes trug mir auf, einen Brief zu schreiben. Das war 2019. 2019 verging, 2020 verging, 2021 verging. Ich hatte den Brief schon vergessen. Doch im März 2023 erhielt ich einen Anruf von Referentin Agnes. Ich traf unsere Direktorin Mary Mchana in Nairobi. Wir besprachen alles Nötige und wann anzufangen sei. Einerseits war ich aufgeregt und voller Vorfreude: Ja, ich hatte es geschafft! Andererseits fragte ich mich, was mit meinen
Kindern geschehen würde. Mein Mädchen war in der ersten und mein Junge in der dritten Klasse. Wer würde sich um sie kümmern?

Ich suchte unsere Evangelistin auf und erzählte ihr von meinem Kummer; wer würde für meine Kinder da sein? Ich wäre weit fort von ihnen, wie würde das sein? Sie sprach zu mir: „Mach dir keine Sorgen. Ich bin hier. Ich werde ihre Mutter sein.“ Ich war so dankbar. Für wahr, Gott wollte, dass ich dies tue. Ich war glücklich.

Was sind meine Aufgaben und wie sieht mein Arbeitsalltag aus?

Das Wichtigste ist die Betreuung der Kinder und die Sorge um ihre Gefühle. Das ist die größte Aufgabe. Ich habe realisiert, dass das Verhalten einiger der Mädchen darin begründet liegt, wo sie herkommen und was sie durchgemacht haben. Also ist es meine Aufgabe, mich um ihre emotionale Sicherheit zu kümmern, indem ich sie verstehe und auf sie eingehe, sodass sie stabil werden. Natürlich sorge ich mich auch um sie, indem ich für sie koche und ihnen die Liebe einer Mutter gebe.

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die emotionale Stabilität auch mit der Förderung ihrer Begabungen verknüpft ist. Üben wir gemeinsam für eine Aufführung, hilft es ihnen. Sie vergessen ihre Vergangenheit. Sie konzentrieren sich. Dreißig Minuten sind genug und wir sind durch. Sie haben alles verstanden. Das macht mich so glücklich und ich fühle mich ermutigt. Jede Woche bereiten wir etwas vor. Wenn die Kinder in der Schule sind und ich die Hausarbeiten erledigt habe, muss ich für die Woche etwas Neues suchen; denn ich weiß, sie wollen etwas Neues lernen, was wir donnerstags in der Morgenandacht oder am Sonntag in der Kirche präsentieren können. Das motiviert mich.

Was liebe ich an meiner Arbeit? Was motiviert mich?

Was ich liebe und was mich am meisten erfüllt, ist, diese Mädchen zu sehen. Sie sind
glücklich, sie haben keinen Stress, sie fühlen sich wohl; das gibt mir ein Gefühl von: Ja, ich habe es geschafft! Ich habe es für meinen Gott getan. Und das ist mein Motto, das ist mein Thema, das ist mein Stolz; zu sehen, dass es ihnen gut geht, denn ich kann ihnen nichts anderes geben.

Wie fühlt es sich an, eine so lange Zeit so weit weg von der Familie zu sein?

Das ist eine sehr herausfordernde Frage. Manchmal vermisse ich sie sehr. Wie – wie jetzt. Ich habe sie seit dem 28. Dezember nicht mehr gesehen. Es ist manchmal so schwierig… so schwierig. Letzte Woche habe ich erfahren, dass mein Drittgeborener – er lebt in Nairobi und arbeitet mit seinem Bruder –, dass sie einen Streit hatten. Ich musste alles übers Telefon regeln. Ich musste sie beraten; alles übers Telefon. Und dann ging mein Guthaben leer und ich konnte nicht einmal mit ihnen reden. (…) Ich betete für sie.
Am nächsten Morgen erfuhr ich vom Erstgeborenen, dass sie das Problem gelöst hatten. Gott hat es für mich getan. Weil ich zu ihm gesprochen hatte: „Ich bin weit weg von ihnen. Ich sorge mich um diese Kinder. Bitte, Gott, tu es für mich.“

Über meine Kindheit…

Ich wurde in eine Familie mit sechs Kindern geboren. Ich bin die Zweitgeborene. Meine
Mutter verstarb 1998, als ich sechzehn Jahre alt war. Mein Vater ging zu seiner zweiten
Frau, als meine Mutter starb, und wir wurden zurückgelassen. Meine ältere Schwester
heiratete. Nun war ich die Erstgeborene für meine anderen Geschwister. Also habe ich mich um sie gekümmert. Meine jüngste Schwester war zwei, der eine Bruder vier, der
andere war in der sechsten und meine andere Schwester in der siebten Klasse. Ich hatte
eine sehr schwierige Zeit. Ich zog los, um nach etwas zu essen zu suchen, um irgendeine
Arbeit zu finden, damit wir einfach irgendwas bekommen.

Ich gab mein Bestes und Gott war da für mich. Denn nie kam eine Zeit, in der ich nicht
handeln konnte. Mein Vater zahlte die Schulgebühren für die Familie. Aber woher sollten die Bücher kommen? Die Kinder brauchten Radiergummis, Stifte und so weiter. Das lag alles an mir. Unsere Nachbarin sah, wie ich kämpfte, und wollte mir helfen. Sie ging zu
einer Organisation, die sich um Waisenkinder und Kinder in schwierigen Situationen kümmert.
Am ersten Tag kamen sie mit Essen, sie nahmen Informationen auf und versicherten
uns, sie würden sich um die Schule kümmern, um ein gutes Haus für uns, um alles, was
nötig sei. Doch am nächsten Tag – keine Ahnung, wie die Nachricht ihn erreicht hatte –
ging mein Vater ins Büro der Organisation und sagte ihnen: „Nein, ich bin am Leben. Niemand hat sich um meine Kinder zu kümmern, solange ich lebe.“ Als ich davon erfuhr, war mein höchstes Stresslevel erreicht. Und ich war wütend. Ich konfrontierte meinen Vater: „Wie konntest du uns das antun? Du ernährst uns nicht. Du tust nichts für uns. Und sobald wir jemanden finden, der uns helfen kann, zerstörst du alles. Vater, ich habe mein Bestes getan, aber bitte: Nimm dein Bündel.“ Schweren Herzens gab ich ihm meine Geschwister. Doch meine Stiefmutter sah nicht ein, warum sie sich um die Kinder einer anderen Frau kümmern sollte.

Was hätte ich tun sollen? Ich nahm sie wieder zu mir. Mein Gedanke war: „Jetzt werde ich sterben“ Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Unsere Evangelistin besuchte uns, um zu sehen, wie es uns erging. Ich erzählte ihr von unserer Geschichte. Sie sprach zu mir: „Du kannst nie wissen, warum Gott es so entschieden hat. Doch bist du jemals hungrig ins Bett gegangen?“ Ich sagte ihr: „Nein.“ „Weil Gott immer für uns da ist.“ Und dann sagte sie mir: „Gott wird immer für dich da sein. Mach dir keine Sorgen. Gott wird für dich da sein.“ Sie munterte mich auf, wir sprachen viel und sie versprach, für uns da zu sein. Meine Geschwister wuchsen heran und gingen weiter zur Schule. (…)

Über meine Ehe…

Als ich heiratete, ging ich in eine neue Hölle. Meine Schwiegermutter konnte mich nicht in Frieden lassen. Sie missbilligte mich sehr. Sobald mein Ehemann zu ihr kam, erzählte sie Schlechtes über mich und verbreitete Lügen. Ich hätte dieses und jenes getan, ich hätte dieses und jenes gesagt. Es war wie die Hölle. Eines Tages bat ich ihn: „Bitte, ich flehe dich an. Hör deiner Mutter zu, aber entscheide. Du selbst kannst überlegen und verstehen, wann sie die Wahrheit spricht und wann sie Falsches sagt. Wenn es ein Problem gibt, komm, lass uns zusammensetzen und selbst eine Lösung finden. “
In jener Nacht wurde ich geschlagen. Ich wurde von meinem Ehemann geschlagen. Ich würde seine Mutter nicht sehen wollen, ich würde weder ihm noch seiner Mutter zuhören, ich würde sie nicht respektieren. Er sagte so viel Schlechtes. Ich dachte: „Mein Gott, wenn es dein Wunsch ist, dass ich in dieser Ehe bleibe, bitte, lass diesen Menschen sich ändern.

Und bitte, wenn es nicht dein Wunsch ist, bitte, mein Gott, ebne mir einen Weg, dass ich aus diesem Gefängnis fliehen kann und nie wieder zurückkehre.“

Das war nicht das Ende. Bei jeder Kleinigkeit, die er fand, wurde ich geschlagen und geschlagen. Schließlich sagte mein Erstgeborener: „Mutter, lass uns gehen. Unser Vater schlägt dich jeden Tag, jede Zeit. Das finden wir nicht gut. Er wird dich umbringen und wenn du stirbst, wo bleiben wir dann?“ Zu diesem Zeitpunkt war er sieben Jahre alt.
Eines Abends kam mein Mann nach Hause und sprach zu mir: „Ich will dich aus meinem Haus, jetzt. “ Stell dir vor, ich fühlte kein bisschen Kummer. Ich sagte: „Danke Gott!“ Er würde mir nicht nachkommen, denn er war es, der sagte, ich solle meine Habseligkeiten nehmen und gehen. Ich fragte ihn, ob es wirklich sei, was er wolle. Er sagte: „Ja.“ Ich konnte kaum glauben, dass er es war, der sprach. Aber ich erinnerte ihn: „Niemals, niemals, niemals wage es, mir nachzukommen. Versuch es nicht!“ Ich nahm meine Sachen und meine Kinder. (…)

An dieser Stelle ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Puritys jüngster Sohn blieb zunächst bei seinem Vater und sie rang und kämpfte, um ihr Kind zu sich zu holen. Es war nicht nur der Wunsch einer Mutter, die ihr Kind über alles liebt, sondern auch ihr Wille und Ehrgeiz, ihrem Sohn Bildung zu ermöglichen; der Vater behauptete, er habe kein Geld, um den Jungen zur Schule zu schicken. Und obwohl Purity selbst nichts in den Taschen hatte, schaffte sie es mit Unterstützung lieber Mitmenschen; sie
behauptete sich im Rechtsstreit und bekam das Sorgerecht für ihren Sohn. Und allen Hindernissen zum Trotz ermöglichte sie ihm den Besuch der Schule.

Ich kämpfte. Und lass mir dir sagen, von da wurde ich nie gebrochen. Wenn ich an meine
Zukunft denke und mich daran erinnere, wie Gott für mich da war, fühle ich so viel Glück,
dass ich mich um diese Kinder hier kümmere. Denn das ist das Größte und Wichtigste, was ich für Gott tun kann. Denn von da an, obwohl es Höhen und Tiefen gab, war Gott immer und immer für mich da. Da war immer jemand, der mir geholfen hat. Natürlich machen die Kinder mal Sachen, die mich furchtbar fühlen lassen. Aber ich muss sie verstehen und mich an unsere Verbundenheit erinnern. Ich muss ihnen vergeben, damit wir weitermachen können. (…) Es gibt Einiges, was sie nie bekommen haben, als sie aufwuchsen. So bin ich wie ihre Mutter. Es ist meine Aufgabe, es ihnen zu geben. Ich
muss ihnen zeigen, was der nächste Schritt ist, was das richtige ist.

Nun realisiere ich, dass da etwas hinter dem, was Gott getan hat, steckte, als ich durch all das durchmusste. Ich wurde vorbereitet. Denn eines Tages sollte ich hier ankommen.
Und ich weiß: Nichts ist unmöglich. Nichts ist unmöglich unter Gottes Augen. Wenn die Kinder manchmal etwas falsch machen, setzen wir uns zusammen und reden. Und nach etwas Zeit realisieren sie, was sie getan haben, war falsch und sie kommen und sagen: „Mutter, es tut uns leid. Wir bitten um Vergebung und werden es nicht wieder tun.“ (…)
Wenn wir ein Problem haben, müssen wir nach der Ursache suchen. Denn wenn wir den Ursprung nicht ergründen, wird das Problem kein Ende finden. Also setzen wir uns zusammen und reden.

Über meine Ausbildung…

Ich betete, dass ich eines Tages meine Ausbildung wieder aufnehmen könnte; damals
konnte ich nicht atmen. Ich konnte nicht zur Schule gehen. Doch ich sagte immerzu, eines Tages, wenn meine Kinder mit der Schule fertig wären, würde ich wieder zur Schule gehen. 2021 gab es eine Mitteilung in unserer Kirche, dass die Regierung ein Bildungsprogramm starten würde. Ich schloss mich der Klasse an. (…) Wir bestanden unser Exam 2023, als ich hierher kam (…), wo ich auch eine psychologische Ausbildung begann.

Ich danke Gott, denn diese hat mir viel weitergeholfen. Sei es nur, mich zu beruhigen, und zu wissen, alles – so schlimm es auch sein mag – mit Fröhlichkeit anzunehmen, denn womöglich steckt etwas dahinter; ein Problem, von dem Gott möchte, dass wir es lösen. Nächstes Jahr möchte ich mit dem Kurs fortfahren, denn ich habe erkannt, wie wichtig diese psychologische Bildung ist – sogar für mich selbst.

Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblicke und darauf schaue, wo ich jetzt stehe, möchte ich gerne sagen…

Mein Fazit ist: In meiner Vergangenheit hatte ich nichts. Doch jeder Abschnitt, durch den ich gegangen bin, war Teil einer Vorbereitung. Nun bin ich etwas Präsentables. Ich kann andere ermutigen, ich kann Hoffnung spenden, ich kann meine Familie versorgen. Ich kann Menschen, die bedürftig sind, etwas geben. Meine Vergangenheit war eine Vorbereitung für meine Zukunft.

Purity erzählte noch bei weitem mehr; wie ihr so viele Menschen aus dem Dorf halfen, ihrem Sohn die Schulgebühren zu finanzieren und Kleidung für seine Schuluniform zu beschaffen; wie sie voller Energie und Freude in der Kirche sang und sich engagierte; wie sie den Sohn ihrer jüngeren Schwester als ihren eigenen aufnahm, als die Ehe dieser zerbrach.

Wenn man diese Frau so sieht, kann man kaum glauben, wie ihre Vergangenheit
ausgesehen haben muss. Selten trifft man Menschen mit solcher Liebe, Klugheit und Weisheit. Und trotz ihrer lebhaften Erzählungen fällt es mir persönlich mit einer solch anderen Lebensrealität schwer, mir auszumahlen, wie ihre Welt aussah. Menschen können Inspirationen sein; als sie selbst und mit ihren Geschichten umso mehr. Wir können viel von Purity lernen; über Vertrauen; wahre Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, wenn es am meisten darauf ankommt; und darüber, nicht zu verzweifeln und aufzugeben, sondern Lösungen zu suchen und zu handeln, selbst wenn die Welt unlösbar düster zu sein scheint.

Neue Orte, neue Erlebnisse: Meine ersten Trips durch Uruguay

Mittlerweile bin ich seit sechs Monaten in Uruguay und habe schon einige Parks, Museen, Bars und Strände in Montevideo erkundet. Doch neben der Hauptstadt möchte ich auch andere Orte des Landes entdecken und habe bereits einige Ausflüge unternommen. Genau darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Parque Rodó
Ciudad Vieja (Altstadt)
Parque Rodó
Ciudad Vieja (Altstadt)

IN MONTEVIDEO

Ciudad Vieja (Altstadt)

Kurztrip nach Punta del Este

La Mano de Punta del Este

Im November haben meine beiden Mitfreiwilligen und ich ein Wochenende in Punta del Este verbracht – unser erster Kurztrip, yay! Die Stadt liegt etwa zwei Stunden mit dem Bus von Montevideo entfernt und ist bekannt für ihre schönen Strände sowie die berühmte Skulptur „La Mano de Punta del Este“, eine riesige Hand, die aus dem Sand ragt.

Unser Hostel

Unsere Unterkunft war ein Mehrbettzimmer in einem Hostel, das wir uns mit anderen Reisenden teilten. Gemischte Zimmer sind super praktisch, weil man schnell neue Leute kennenlernt und sich über Reiseerfahrungen austauschen kann.

immer eincremen !

Wir genossen den Strand – ich habe mich direkt ordentlich verbrannt –, erkundeten die Stadt, die Skulptur am Strand, eine hübsche Kirche, einen Leuchtturm und sogar einige Seelöwen. Es war ein schönes Wochenende, um ein wenig abzuschalten vom Alltag.

in Adiletten…

Camp mit der Kirche

Mitte Januar wurden wir für ein Wochenende zu einem Camp in Araminda eingeladen. Am Freitagabend machten wir uns auf den Weg – ganz unkompliziert mit dem Linienbus. Nach knapp zwei Stunden Fahrt wurden wir an der Bushaltestelle abgeholt. Es war schon spät, also bekamen wir nur eine kurze Führung über das Gelände, bevor wir direkt ins Bett gegangen sind. Schon da waren wir beeindruckt von der Größe des Grundstücks: Es gab mehrere Hütten für Gäste, einen Garten mit selbst angebautem Gemüse, einen großen Wald, einen Fußballplatz und noch viel freie Wiese mehr.

Der Tagesablauf im Camp war total entspannt. Wer wollte, konnte an den Aktivitäten teilnehmen – wer lieber eine Pause brauchte, konnte einfach entspannen. Morgens bereiteten wir gemeinsam das Frühstück zu und aßen in einer Runde von etwa 15 Menschen. Danach ging es zum Strand: baden, sonnen, Ball spielen. Zwischendurch haben wir wieder gemeinsam gegessen, und abends saßen wir am Lagerfeuer und sangen Lieder. 

Am Sonntagnachmittag machten wir uns schon wieder auf den Heimweg, also ein sehr kurzes, aber schönes Wochenende, weil es sich so familiär angefühlt hat. Wir werden auf jeden Fall nochmal hinfahren, um auf einem nahegelegenen Berg wandern zu gehen und weil uns angeboten wurde, auf Pferden zu reiten, die regelmäßig bewegt werden müssen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen!

Camp mit dem Kinderheim

Die Kinder aus meinem Projekt haben im Januar und Februar Sommerferien und fahren in dieser Zeit auf verschiedene Camps. Ende Januar begleiteten meine Mitfreiwilligen und ich sie für einige Tage nach Bello Horizonte. Der Ort liegt nur eine Stunde von Montevideo entfernt und hat einen schönen Strand in der Nähe. Die Unterkunft bestand aus mehreren Containerhäusern mit Betten, einer Küche und einem kleinen Hof zum Fußballspielen – alles so, dass nichts kaputt gemacht werden kann.

Da wir als Freiwillige mit dem Hogar unterwegs waren, haben wir nicht viel vom Ort selbst gesehen. Unsere Aufgaben bestanden darin, die Kinder beim Strand zu beaufsichtigen, mit ihnen zu spielen oder beim Kochen und Aufräumen zu helfen. Es war zwar anstrengender als ein typischer Arbeitstag, aber als Ausgleich bekamen wir ein langes Wochenende geschenkt – das wir direkt für den nächsten Ausflug nutzten.

Kurztrip nach Rocha

Das verlängerte Wochenende haben wir genutzt, um nach Punta del Diablo in Rocha zu reisen. Dort buchten wir uns ein schönes Hostel mit Pool und Blick aufs Wasser. Schon bei unserer Ankunft fiel uns auf, dass hier viele junge Leute unterwegs waren – kein Wunder, denn uns wurde schon vorher erzählt, dass Punta del Diablo besonders Backpacker und Surfer anzieht und eine entspannte Hippie-Atmosphäre hat. Wir fühlten uns also direkt wohl.

Abends liefen wir mit anderen Gästen über den Markt im Zentrum und verbrachten danach noch Zeit im Hostel, um uns auszutauschen. Verrückt, dass wir uns wirklich auf Spanisch unterhalten können.

Außerdem konnten wir einen Punkt auf unserer Bucket List abhaken: Surfen gehen! Rocha ist bekannt für seine wunderschönen Strände mit perfekten Wellen. Für mich als Anfängerin war die erste Stunde eine echte Herausforderung, aber es hat dann doch irgendwie geklappt und Spaß gemacht.

Neben dem Surfen verbrachten wir viel Zeit damit, uns zu entspannen und mit den Menschen aus dem Hostel zu reden. Viele Urlauber dort lebten ebenfalls in Montevideo, sodass wir uns seitdem schon wieder sehen konnten. Also ein erfolgreiches Wochenende und definitiv eine Ortsempfehlung, falls man mal in Uruguay sein sollte. 

Meine Winterferien

Die Winterferien sind hier in China sehr lang, an meiner Schule gingen die Ferien von Mitte Januar bis Mitte-Ende Februar.

Während die Schüler an meiner Schule täglich mindestens eine Stunde Hausaufgaben machen müssen, habe ich das Privileg meine Aktivitäten in den anderthalb Monaten frei gestalten zu können.

In den Wochen vor den Ferien hatten wir Freiwilligen in den Schulen nicht so viel zu tun, da die Lehrer unsere Stunden brauchten um die Kinder für die Halbjahresprüfung vorzubereiten. Deswegen war es auch ganz praktisch, dass unser Zwischenseminar eine Woche vor den Ferien war.

7.1.-11.1. Vorbereitungsseminar -Kunming (Yunnan)

Wir sind also alle drei zusammen nach Kunming geflogen, wo wir dann die weiteren vier Mitfreiwilligen, die drei für unser Programm zuständigen Person von Amity, unserer chinesischen Organisation, und den Ost-asien Referent von dem Berliner Missionswerk getroffen haben.

Wir haben unsere Erfahrungen geteilt und über unsere Pläne für die kommende Hälfte unserer Lerndienste gesprochen. Der intensive Austausch mit den anderen Mitfreiwilligen war super interessant. Es war auch total schön mal wieder bekannte Gesichter zu sehen.

Ansonsten haben wir in Kunming noch das angenehm warme Wetter genossen.
昆明四季如春(Kun1ming2 si4ji4 ru2 chun1) ist eine Redewendung die bedeutet, dass es in Kunming das ganze Jahr wie Frühling ist.

11.1.-14.11. Sightseeing- Chengdu (Sichuan)

In der Panda-Forschungs- und Zuchtstation

In Chengdu habe ich ausnahmsweise mal das typische Sightseeing Programm durchgemacht und im Reiseführer nach sehenswerten Orten gesucht.

Normalerweise ziehe ich es vor ein Ort auf eigener Faust zu erkunden. Vor allem, weil ich auch naturbelassene Parks und ruhige Gegenden, touristischen und kommerzialisierten Plätzen vorziehe.

Dadurch, dass aber die offiziellen Ferien teilweise noch gar nicht angefangen haben, und Winter auch nicht die beliebteste Jahreszeit für Ausländer ist nach China zu kommen, waren die meisten Orte an denen ich war nicht überfüllt.

Angeschaut habe ich mir dann das Tempelkloster Wenshu Yuan mit dem vegetarischen Restaurant, ein Varieté mit traditionellen Bühnenkünsten im Kulturpark am Tempelkloster Qingyang Gong und eine Menge süße Pandas in der Panda-Forschungs- und Zuchtstation.

ein junger Panda

15.1.-18.1. Wandern- Zhangjiajie (Hunan)

Aussicht nach langem Treppensteigen

In Zhangjiajie habe ich mich mit einem Schulkameraden getroffen, der mit einer anderen Organisation auch ein FSJ in China macht.

Dort konnten wir dann nach über vier Stunden Treppen steigen die fliegenden Berge aus Avatar bestaunen und die Kletterkünste der vielen frechen Affen bewundern.

Ich hab mir dann dazu noch die Stairs to Heaven angeschaut und bin da auch nochmal 1000 Treppenstufen hochgestiegen.

Generell war die Landschaft in Zhangjiajie super schön, allerdings war der Ort auch super touristisch und so war der Eintritt in die Naturgebiete dort auch nicht ganz billig.

Alte Tempelruine

19.1.-1.2. Sprachschule- Yangshuo (Guangxi)

Beginn der 20km langen Wanderung

Zum Ende meiner Reise durch China habe ich einen zweiwöchigen Intensivkurs in einer chinesischen Sprachschule gebucht. Die Sprachschule liegt in einem wunderschönen Ort mit toller Landschaft außendrum. In der Sprachschule habe ich dann auch chinesisch Neujahr gefeiert (an den ersten beiden Tagen hatte die Sprachschule anstatt Unterricht viele Aktivitäten geplant).

Die zwei Wochen in Yangshuo haben mir super gut gefallen: einmal richtig intensiv chinesisch lernen, viele ungefähr gleichaltrige Leute treffen und zusammen Sachen unternehmen, eine 20km lange Wanderung mit einer Frau, der ich einen Tag vorher beim Spazieren begegnet bin, machen, viel Mahjong spielen, dass leckere Essen genießen, Badminton spielen, …

麻将(ma2jiang4)

3.2- Jetzt Zuhause- Huixian (Gansu)

Nach der zwei tägigen Zugfahrt bin ich dann mittags bei bestem Wetter in Huixian angekommen und hab dann am Nachmittag erst nochmal einen kleinen Spaziergang gemacht, bei dem ich einer Lehrerin mit ihrer Familie begegnet bin, die mich dann zum Essen eingeladen hatten.

Ich wollte die letzten beiden Wochen in Huixian verbringen um den Ort noch besser kennenzulernen und mehr mit den Leuten hier vor Ort zu unternehmen.

Eine Lehrerin hat mich zum Yoga eingeladen und jetzt gehe ich für zwei Wochen jeden Tag zum Yoga. Ansonsten gehe ich noch ab und zu spazieren/wandern, werde von Lehrern zum Essen eingeladen, spiele Klavier, höre Podcasts und Serien (vorzugsweise auf Chinesisch), koche, esse und telefoniere viel.

Beim Yoga

Weihnachten und neue Anfänge

Kurz vor Weihnachten, an einem Sommerlichen Dezembertag, bekam ich dann doch kurz Vorweihnachtsgefühle: Das Paket meiner Eltern kam an. Sie hatten Weihnachtsgeschenke für alle, gefaltete Sterne, einen Origami Adventskalender für mich und einen Schneewittchen-Christbaumkugel Adventskalender für uns alle inkludiert. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Das Paket hatte offensichtlich sehr viel durchgemacht – es war ja auch schon im September abgeschickt worden, und hatte einen Wasserschaden davongetragen. Zum Glück waren nur die Geschenk Verpackungen betroffen so dass wir die Namen auf dem Geschenk teilweise nicht lesen konnten, das war aber auch schon alles.

Dann kam Schon fast Weihnachten. Am 23 fand bei uns die erste Bescherung statt mit den Geschenken meiner Mutter. Wir wollten am 24 nach Asuncion fahren um mit dem anderen Freiwilligen dort Weihnachten zu feiern. Da wir 10 Leite waren, wollten wir zu Weihnachten lieber Wichteln anstatt jedem ein Geschenk zu holen. Da jeder dort nur 1 Geschenk erhalten sollte, haben wir also am 23 zuhause in Ciudad del Este die Geschenke meiner Mutter Ausgepackt.

Am nächsten Morgen ging es dann ab nach Asuncion. Auf der Fahrt telefonierten wir mit Familie und freunden, um allen frohe Weihnachten zu wünschen. In Asuncion folgte ein Videoanruf mit meiner Familie zur Bescherung. Ich war live dabei als meine Geschenke ausgepackt wurden, welche dank online shopping, Lieferdiensten und Papa alle gut behalten angekommen sind, Hurra zu unserer Modernen Zeit.

Danach ging es ab zum Air B&B, alle hatten etwas zu Essen mitgebraucht (wir haben Getränke gekauft da wir nur schwer mit der langen Reise etwas hätten mitnehmen können). Als Weihnachtsessen hatten wir also ein Buffet, das war echt anders als die altbekannte Gans und Klöße. Nudelsalat, Grillgemüse, süße Karotten, Fleisch und noch mehr. Vor allem das Grillgemüse hat mir sehr gut Geschmeckt. Angestoßen wurde mit einem Aperol (der war so sehr mit Sekt verdünnt dass er sogar mir geschmeckt hat). Schließlich kam es zur Bescherung. Ich hatte beim Wichteln Lea gezogen und ihr einen Haufen schönen Schnickschnack (Haargummis, Ohrringe, Nagellack etc) gekauft und Bruchschokolade gemacht. Darüber hat sie sich sehr gefreut. Von meinem Wichtel habe ich ein paar Ohrringe und eine kleine bunte Tasche bekommen.

Danach saßen wir in der Runde, haben die Weihnachtsgeschichte gelesen und Weihnachtslieder gesungen. Das hat dann wirklich Weihnachtsstimmung hochgebracht. Den Rest des Abends verbrachten wir mit quatschen und aufräumen. Schließlich ging ungefähr die hälfe (darunter auch ich) gegen zwei ins Bett.

Am nächsten Tag passierte nicht viel mehr. Alle wollten ausschlafen also war ich eine der ersten die aufstand (um 10). Ich hatte Hunger, also habe ich Pancakes für alle gemacht. Nach einer Weile erhielt ich Hilfe und es kamen immer mehr Hungrige Freiwillige in die Küche um sich etwas zu stibitzen. Das einzig weitere erwähnenswerte ist der Abend, an dem Lea, ich und zwei weitere Freiwillige uns zusammenkuschelten und drei Haselnüsse für Aschenbrödel schauten.

Das ist jetzt nicht mehr Weihnachtlich, aber dennoch das Ende dieser Geschichte: die „Residencia Temporaria“ vor einigen Monaten hatten wir unsere Aufenthaltsgenehmigung hier ja schon beantragt, hatten aber nie eine Information erhalten wann diese endlich fertig ist. Jetzt ist aber am Montag vor Weihnachten unsere vorläufige Aufenthaltserlaubnis abgelaufen. Das bedeutet, dass ich über Weihnachten theoretisch illegal im Land war. Das kümmert hier aber wohl keinen. Am 26 konnten wir schließlich endlich unsere ID-karte abholen… mit dem schlechtesten Bild was jeh von mir gemacht wurde. Mit meiner auseinanderfallenden Frisur und den Tiefpunkten Augenringen sehe ich aus wie ein Geist oder als hätte mir jemand eine reingehauen. Aber wenigstens darf ich für die nächsten zwei Jahre ohne Probleme hierbleiben. Nach dem Amt sind Lea und ich in ein Café gegangen (Ben und Lene hatten alles am Montag erledigt und waren in den Urlaub gefahren, da sie schon früher frei haben). Da Lea ein bisschen krank war, wollten wir einen Bus früher als Geplant zurücknehmen, der war aber leider voll und so warteten wir einfach am Busbahnhof, telefonierten noch einmal mit Familie und lacierten unsere Nägel mit Leas Wichtelgeschenk.

Danach ging es auch schon ab in den Urlaub – einen Monat lang! Ganz schön viel Zeit. Es war echt schön aber auch viel Zeit und so war ich ziemlich bereit dafür dass die Arbeit wieder losgeht. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass ich etwas weniger Ferien am Stück aber dafür mehr über das Jahr verteilt hatte, aber so war es auf jeden fall auch schön und das ganze funktioniert hier einfach etwas anders. Schulferien sind hier auch anders verteilt. Drei Monate im Sommer und sonst nur noch an Gesetzlichen Feiertagen. Zumindest habe ich das so verstanden, wenn das anders sein sollte werde ich mich nochmal korrigieren.

Die erste Arbeitswoche ist noch nicht viel passiert. Die Kinder haben immer noch Ferien, also haben wir die meiste Zeit mit Nichtstun oder Aufräumen verbracht.

Am Montag nach der Arbeit gab es eine sehr interessante Veranstaltung zu der wir mit den Leuten der Callescuela gegangen sind. Am 3.2.1989 ist nämlich der Diktator Stroessner gestürzt worden. Wir waren an einem Treffen zum Gedenken. Ciudad del Este war früher nach ihm benannt, und doch gab es bis jetzt keine Gedenkstätte in der Stadt. An dem Treffen, wurde eine Wand bemalt, und zur ersten Gedenkstätte an die Diktatur in Ciudad del Este gemacht. Wirtschaftlich gab es unter Stroessner einen Aufschwung. Er hat den Itaipu Damm in Ciudad del Este bauen lassen, und damit die Stadt begründet, dieser Wasserdamm und noch ein Zweiter versorgen ganz Paraguay mit Strom, so dass es diesen zu 100% von erneuerbaren Energien bezieht. Die Diktatur war stark antikommunistisch, und wurde von der USA unterstützt. Außerdem wurde Paraguay zu einem sicheren Ort für Nazis, unter anderem Josef Mengele. Unter Strössner sind viele Menschen gefoltert und Ermordet worden oder verschwunden. Wer mehr wissen möchte und spanisch versteht kann gerne in den Podcast „La ciudad con nombre de dictador“ reinhören.

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Wir Donnerstag und Freitag konnten die Kinder Freiwillig kommen um vor der Schule den Stoff zu widerholen. Sie blieben zwar nicht lange, aber es hat echt Spaß gemacht mal wieder mit ihnen zu arbeiten. Lea und ich wechseln für den Rest unserer Zeit die Einsatzstelle, also bin ich ab jetzt in St Ana. Ich habe schon zwei Kinder kennengelernt (weil nur die beiden zu dem Angebot gekommen sind) aber mit denen hat es bis jetzt echt viel spaß gemacht.

Noch etwas hat sich diese Woche neu entwickelt: Ich habe endlich eine Freizeitbeschäftigung – außer dem Tanzen mit der WG- gefunden. Zwei Mal die Woche gehe ich ab jetzt zum Rugby Training. Das Training ist Gemischt, aber aktuell kommen eigentlich nur Männer, und es geht kürzer als ich mir wünschen würde, aber es ist ein Anfang, und mit der Zeit entwickelt sich das bestimmt auch noch. Ich habe nicht gemerkt, wie sehr ich Sport vermisst habe, bis ich die ganze Woche viel mehr Energie hatte und grinsend durch die Gegend lief.

Ein aktueller Stress Faktor ist vor allem die Wahl. Diese Woche kamen meine Wahlunterlagen zuhause an, und meine Eltern haben sie mit der Post per express nach Paraguay versandt, in der Hoffnung, dass sie Rechtzeitig ankommen das meine Stimme noch mitgezählt wird. Ich habe schon vor Wochen mit der Botschaft geschrieben, und während es zwar einen Kurierdienst, aber Sie sagten mir, dass durch die Verkürzte Zeit für die Briefwahl, die Briefe auch mit dem Kurierdienst der Botschaft nicht rechtzeitig ankommen werden, und meine beste Chance meine Eltern sind. Ende der Woche werden wir nach Buenos Aires fahren, für unser Zwischenseminar, bis dahin muss der Brief angekommen sein. Jetzt bleibt nur noch hoffen.

Das PLCC – ein Zuhause für viele Menschen

Grandios, heiß, sonnig, lustig, erfahrungsreich, genussvoll. All diese Worte beschreiben meinen ersten Kenia-Urlaub. Gemeinsam mit meiner Schwester Paula ging es an die Küste, wo uns ein Meer aus Licht und eine Welle an Moskitos erwartete. Wir sprangen in die Wellen und tauchten zusammen mit den Fischen und Krabben zwischen Algen und Korallen.

Meine Schwester Paula und ich in einem Mangobaum-Kanu auf dem Kongoriver

Obwohl es eine tolle Zeit war und ich die dortigen Momente als besondere Erinnerungen in mein Herz einschließen werde, war es ein eigenartig schönes Gefühl, als meine Schwester und ich uns auf den Rückweg nach Rongai machten, ich die bekannten Straßen wiedersah und wir schließlich am Tor zum PLCC standen.

Es war das Gefühl, nach Hause zu kommen. Schon die ersten Schritte auf dem Gelände und erst recht das Wiedersehen mit den Menschen des PLCC, das Umarmen und gemeinsame Lachen erfüllte mich mit Glück. Das PLCC scheint an manchen Tagen überquellen von diesem Glück. So geht es nicht nur den hier lebenden Menschen. Was sagte meine Schwester doch gleich, als sie das Gelände zum ersten Mal mit eigenen Augen sah? „Das ist hier ja ein richtiges Paradies!“ Doch im Grunde steckt noch so viel mehr dahinter.

Blick auf das PLCC von unserem Balkon aus

Es begann in den 90er Jahren mit der Gabe von Brot und Milch an Straßenkinder. Nun bietet das PLCC einen Wohnort für vierzig bis fünfzig Mädchen in Ongata Rongai und ermöglicht ihnen den Schulbesuch. Das Pangani Lutheran Children Centre als Hilfsprojekt der Kenya Evangelical Church hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen aus den Slums und von den Straßen Nairobis einen Ort zu bieten, an dem sie sicher sind, Chance auf Bildung haben und sich zuhause fühlen können.

Auf dem Gelände selbst befindet sich eine Primary School, durch deren Sein und Wirken bereits das Ziel des PLCC erfüllt wird, die Mädchen in die Regelschullaufbahn zu integrieren und ihnen formelle Bildung zu ermöglichen. Direktor dieser Schule ist Teacher Bosiri. Zusammen mit Teacher Esther, Teacher Rose, Teacher Belinda und Teacher Jakob unterrichtet er an der Maalum Schule Kinder der Stufen eins bis sechs und im Kindergartenalter. Ebenso besuchen Kinder außerhalb des Geländes die Schule. Die Teacher lehren ein Basiswissen von Mathe über Agrarwirtschaft, Naturwissenschaften hinzu Englischunterricht und sind bemüht, eine Lesekultur aufzubauen, indem Kurzgeschichten und Bücher sowohl auf Englisch als auch auf Swahili in den Unterricht eingebaut werden. Bei den Kleinen stehen zwar die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen im Fokus, wenn gleich ebenso priorisiert wird, dass die Kinder genug Freiraum erhalten, um zu spielen, mit Händen und Füßen zu bauen und zu kneten und neue wie alte Lieder zu lernen. Kennt ihr „Simama kaa “? Ich kannte diesen Song bereits aus Deutschland, kommen tut er doch aus Tanzania und wird auf Swahili gesungen.

An dieser Stelle ist schon erkennbar, dass es auch um informelle Bildung geht; um Lernen, Erfahren, Ausprobieren, im Team arbeiten. Es mangelt den Mädchen absolut nicht an sozialer Kommunikation und Interaktion. In den Pausen wird Fußball gespielt, geschaukelt und gerutscht. Ich persönlich bin auch großer Fan des Spiels „Extender“ geworden, bei dem alle Mitspieler eine Spanne – durch Stöcker am Boden festgelegt – springend überqueren müssen, wobei nur der „Extender“ in der Lage ist, die Spanne in jeder Runde zu erweitern.

Die Mädchen sind kreativ und genau das wird neben Fertigkeiten, die sie abseits der Schule sich aneignen, wie Kleidung waschen, Essen kochen und Putzen, gefördert. Gerade in der Ferienzeit gaben wir im PLCC alles, um den Kids Raum und Zeit zu bieten, sich zu entfalten und auszuprobieren. Da wurde gespielt, gebastelt und getanzt. Backrezepte, die wir probierten, lernten die Kinder auswendig, um sie daheim ihren Familien zeigen zu können.

Ein anderes unserer Projekte war das Kreieren einer Wimpelkette: Ein Gemeinschaftsprojekt, zu dem jede ihren individuellen und eigenen Teil beigetragen hat. Viele Einzelteile führten zusammen zu einem wunderschönen Ganzem, das die Kirche in ein neues Licht stellte.

Dort in der Hall, wo auch die Gottesdienste stattfinden, kommt es hin und wieder zu kleinen bis größeren Vorstellungen der Mädchen. Zu Anlässen wie Feiertagen, wenn Gäste zu Besuch sind oder beispielsweise die Christmas-Party am Ende letzten Jahres, bevor die Kinder nach Hause zu ihren Familien gefahren sind, präsentieren sie Tänze, Poems oder singen vorm Publikum. Zu solcherlei Festtagen beteiligen sich auch stets die Hausmütter, sowohl bei der Unterstützung der Kinder als auch bei… quasi allem.

Ohne Purity, Tabitha, Patience und Rose wäre das PLCC nicht das PLCC. Die 37 Mädchen leben hier auf dem Gelände eine lange Zeit ohne ihre Familie oder haben keine Familie mehr. Die Hausmütter kümmern sich nicht nur darum, ihnen nahrhafte Mahlzeiten, Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung bereitzustellen, sie sind auch zu ihrem Schutz da, für ihre emotionale Stabilität.

Natürlich ist dahingehend die Arbeit der Sozialarbeiterinnen Beryl und Charity ebenso bedeutsam. Doch bezieht sich deren Arbeitsfeld eher auf das Büro, die Koordinierung von Besorgungen, die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Gesundheitszentren für die Sicherstellung der Gesundheit der Mädchen und die generelle Verwaltung. Bei konkreten Anliegen oder Problemen sind sie ideale Ansprechpartnerinnen für die Kinder und können eine neue Perspektive bieten und aus einer anderen Position heraus agieren.

Geht es jedoch um den Alltag, um ein wenig Trost, die üblichen Streitigkeiten untereinander oder einfach nur darum, jemandem vom besten Erlebnis des Tages zu erzählen, dann sind es die Hausmütter, die zur Stelle sind. Eine kleine Wamboi, die am ersten Tag nach den Ferien erstmal unter einem umstürzenden Regal landet, braucht eine feste Umarmung gegen den Schock und ein Kühlpack gegen die Beule. Allein der Name erklärt ihre Rolle und Funktion im PLCC. Sie kochen, lesen vor und erzählen Geschichten, hören zu, kümmern sich, umarmen, sie lieben die Mädchen vom ganzen Herzen wie ihre eigenen Kinder. Dabei ist jede von ihnen für eines der vier Häuser zuständig, die in einem großen Gebäude auf dem Gelände koordiniert sind; Tabitha für das blaue Haus mit den kleinsten, Purity für das orangene und Patience für das grüne. Im gelben Haus wohnen die ältesten Mädchen, die vieles schon selbstständig organisieren. Mom Rose ist eine großartige, ältere Dame, die über viele Jahre diesen 24/7 Job ausgeführt hat, sich nun langsam zurückzieht und für die dieses Jahr auch das letzte im PLCC sein wird.

Nicht zu vergessen sind natürlich auch Stephen, der Hausmeister, unterstützt von Moses. Die beiden übernehmen Aufgaben, die ich aufgrund mangelnder Kenntnisse gar nicht so recht verstehe. Elektrizität, der Kampf gegen das immerzu wachsende Gras, die Pflege der Ziegen und des Gartens und so weiter und so weiter. Auch Joseline ist so eine Wächterin über das ganze Gelände. Hauptsächlich ist sie für das Putzen zuständig, aber niemand kann behaupten, dass ihre täglichen energiegeladenen Begrüßungen nicht gewaltig zur guten Laune der Menschen beitragen und sie nicht ebenso eine innige Beziehung zu den Kindern führt. So viele Persönlichkeiten bilden diesen besonderen Ort und diesen Geist.

Nichtsdestotrotz zieht es nicht wenige der Mädchen zu ihren Familien. Dementsprechend ist der Kontakt zu ihnen für sie wie für das PLCC von hoher Bedeutung. Solcherlei Angelegenheiten liegen auch im Verantwortungsbereich der Social worker und des Office. Zu den Zielen des Projekts zählt, die Gesamtsituation der Familien zu verändern und die Kinder mit ihren Familien zusammenzuführen. Was für ein unglaublicher Tag es war, als die Kinder von ihren Eltern abgeholt wurden, um mit ihnen, ihren Geschwistern, Tanten und Onkels, Großeltern, Cousinen und Cousins die Feiertage zu verbringen. So viele Tränen, Sorgen und Zweifel, ob alles glatt gehen wird und so viel Strahlen, als die Mutter zum Abholen erschien. Susan, eine weitere Sozialarbeiterin des PLCC, die jedoch nicht auf dem Gelände in Rongai arbeitet, legte sich an diesem Tag mächtig ins Zeug.

Das ist letztlich der Kern. Die Mädchen, ihr Glück und ihre Zukunft stehen im Zentrum des PLCC. Sie sind das Herz, die Idee, der Antrieb für all die Menschen hier. Bei der Christmas Party Ende letzten Jahres richteten ehemalige PLCC-Girls ein paar Worte an das Publikum. Da waren Lehrerinnen dabei, Sozialarbeiterinnen, Angestellte; mutige, selbstbewusste Frauen, die unabhängig auf zwei eigenen gesunden Beinen im Leben standen. Sie sind der lebendige Beweis für das, was das PLCC bewirken kann; dass es eine Chance auf ein besseres Leben bieten kann. Von wohl kaum einer anderen Person werden die Werte des Projekts mehr getragen als vom Kopf des PLCC: Mary Mshana. Sie strahlt die Überzeugung aus, dass jedes Mädchen ein einzigartiges Individuum mit grenzenlosem Potenzial ist, das es verdient hat, zu träumen, zu lernen, Talente zu entdecken und zu entwickeln. Genau dafür schafft sie eine Umgebung. Das PLCC verändert das Leben der Mädchen; die Mädchen verändern die Welt.

Mimi, Lilu und die Tiere

Wir sind hier jetzt schon über 3,5 Monate und so einiges hat sich verändert. Wir leben sehr luxuriös in unserem eigenen Haus auf dem Gelände. Wir werden immer freundlicher von allen aufgenommen und machen immer tiefere Freundschaften. Einige Pläne sind schon verschoben oder abgesagt worden, aber vieles läuft wie geplant und wir haben hier eine wirklich sehr schöne Zeit. Gerade sind es Schulferien, weshalb wir viel zuhause oder auf dem Gelände unternehmen. Gelegentlich fahren wir mit dem Bus zum Einkaufen oder zum Arzt, aber selbst da findet man neue Freunde und Menschen mit denen man sich einfach so unterhalten kann. Es ist auch erstaunlich, wie ich die Insel und die Menschen zum Beginn gesehen hatte und wie sich meine Wahrnehmung verändert hat. Wo ich am Anfang noch von kompletter Überforderung und Ungewissheit eingenommen war, fühlt es sich mittlerweile wie Zuhause an. Die Menschen sind bekannt und man hat kurzen Austausch mit ihnen. Die Wege sind gewohnt und ich muss nicht mehr Nachdenken wo was liegt. Am meisten hilft es mir einen gewohnten Alltag zu haben und eine Routine, die mir hilft einen entspannten Start in den Tag zu genießen.

Wir haben hier viele Freundschaften schließen können, aber am meisten beschäftigen uns unsere beiden neuen Mitbewohner, Mimi und Lilu. Diese beide Katzen sind ein großer Segen nur haben sie leider auch mal Blödsinn im Kopf. Sobald ich morgens aus der Tür rausgehe, sehe ich 4 Augen die mich angucken und ganz lieb nach Essen fragen. Nach dem Fragen gehen sie auch direkt ins Haus rein. Beim Koch klauen sie uns die Zutaten und wenn es Abends wird haben sie sogar einen gemütlichen Platz zum Schlafen auf dem Herd gefunden. Die Hunde die hier überall leben sind noch große Gefahren für die beiden kleinen Katzen. Bereits ein Katzenbaby wurde von einem der Hunde getötet und Lilu hatte auch schon eine Paar gefährliche Momente, wo die Hunde aufgehalten werden mussten. Mimi’s Schlafplatz ist der Müllhaufen zwischen unserem Haus und dem Haus der Nachbarn und Lilu schläft bei den Nachbarn. Mittlerweile finden sie auch den Vorsprung über unserem Fenster toll zum schlafen nur schaffen sie es noch alleine da wieder runter.

Mimi auf ihrem Müllhaufen

Ein bisschen habe ich noch bedenken was mit den beiden passiert, wenn wir wieder zurück nach Deutschland kommen. Bisher wirken sie noch zu Dumm und Unbegabt selber für ihr Essen zu sorgen und leider gibt es auf der Insel nicht all zu viele Essensmöglichkeiten für die Katzen. Die Ratten in unserem Dach sind auch schnell aufgegessen, wenn sie gefangen wurden. Bestimmt sind unsere Nachbarn bereit diese beiden Katzen zu versorgen, aber trotzdem werde ich sie Vermissen. Sie haben ihre eigene Vorstellung darüber wie manches zu laufen hat, aber trotzdem können sie manchmal Schlafen, wenn man sie zum Kuscheln bei sich hat. Manchmal beißen sie auch einfach nur die Finger. Mal schauen wie lange sie Leben, hier auf der Insel und in meinem Herzen.

Das tägliche Leben auf dem Gelände ist manchmal wirklich wie auf einer Farm. Quasi jede Familie hat Schweine, die Hunde laufen hier rum, wie eine Gruppe Teenager auf einer Party und Überall sieht man Hühner und ihre Kinder. Mittlerweile mit ein gern gesehenes Mitglieder dieser Hundebande und viele würden gerne von mir gestreichelt werden. Spielen wollen sie auch mit mir, wenn sie mich anspringen. Vorallem der Hund von unserem Nachbarn, Thanos ist eine super liebe Seele. Als ich seinen Namen noch nicht kannte, hatte ich ihn Pünktchen genannt und immer wenn er diesen Namen hört kann er sich gar nicht mehr zusammenreißen und er Wackelt am ganzen Körper bis er gestreichelt wird. Er ist auch der liebste Hund zu unseren Katzen. Die täglichen Begegnungen mit den ganzen Tieren helfen mir dabei eine ungezwungene Art des Lebens wiederzuentdecken und eine besondere Art der Freude am Leben zu teilen. So bin ich Dankbar für jegliche Begegnung mit Menschen und Tieren, weil sie mir alle auf ihre eigene Art lehren ein erfülltes Sein zu erleben.

Das ist little Stinker

Lust auf einen Spaziergang?

Um zu verstehen, wie ein Mensch lebt, reicht es nicht, Momentaufnahmen zu betrachten. Es reicht nicht, die Orte, Plätze und Situationen unter die Lupe zu nehmen, die wie Zeitinseln den Alltag markieren. Das Dazwischen, die Wege, sind ebenso entscheidend. Wie komme ich von einer Insel zur nächsten, von einer Situation in die andere?

Ein Vorhaben in Nairobi ist allein schon deshalb ein Abenteuer, weil mir auf meiner Reise dorthin so vieles vor die Nase kommt. Das geht schon los, bevor ich überhaupt das Gelände des PLCC (Pangani Lutheran Childrens Centre) verlasse. Denn trete ich aus der Haustür und schlendere an den Häusern der Mädchen, der Schule und der Hall vorbei, ist es fast unmöglich, den Mädels nicht zu begegnen und sich wilde Umarmungen abzuholen.

Blick vom Balkon unserer Wohnung auf das PLCC- Gelände
Blick auf den Nationalpark und Nairobi

Kaum habe ich das Tor passiert, erwartet mich ein überragender Anblick; der Nationalpark erstreckt sich über die Weite und in der Ferne ist deutlich die Skyline Nairobis zu entdecken. Geht man hier, am Rande des Nationalparks, spazieren, geschieht es nicht selten, dass die Grenzen zwischen den Menschen und der Wildnis verschwimmen; Antilopen, Zebras und Giraffen kreuzen einem den Weg. Was einerseits einem Wunder gleichkommt, birgt andererseits ebenso Schattenseiten. Dass die Großstadt Nairobi und die Wildnis des Nationalparks lediglich durch einen Zaun getrennt werden, führt zuweilen zu Konflikten zwischen den Menschen und den Tieren. Besonders die Wanderrouten der Huftierherden sind gefährdet. Und nicht nur das bedroht die wilde Seite Kenias. Klimawandel, die Verschlechterung der Lebensräume, die Abholzung der Wälder, die Volatilität des Tourismusmarktes, veränderte Landnutzungen, Wildtierkriminalität und und und und und. So vieles gefährdet die Wildtiere und die Artenvielfalt in Kenia und auf der ganzen Welt. Umso mehr erscheint ein Ort wie der Nationalpark Nairobis hoffnungsspendend. Löwen, Leoparden, Geparden, Strauße, Flusspferde, Gazellen, Gnus, Büffel… Nur einige der rund 80 Säugetier- und ganzen 500 Vogelarten. Nicht erwähnt hier die Spitzmaulnashörner. Für diese ist der Nationalpark eines der erfolgreichsten Schutzgebiete in Kenia und einer der seltenen Orte, an denen sie in natürlicher Umgebung anzutreffen sind (Ich selbst hatte das Glück).

Nashörner
Aufnahmen vom 15.09.2024

Vor Jahrzehnten war die Art in Zentral-Kenia durch Wilderer ausgerottet und in ganz Kenia stark bedroht. Mitte der 80er Jahre waren von ursprünglich 20.000 nur noch 350 Nashörner übrig. Zum Zeichen gegen Wilderei ließ 1989 Präsident Daniel Aral Moi öffentlich im Nationalpark Elfenbein im Wert von 760.000 US-Dollar verbrennen. Seither haben sich die Bestände ein wenig durch intensive Schutzmaßnahmen erholt. Die Gefahr des Aussterbens ist jedoch noch nicht gebannt. Ziel ist es, die aktuelle Anzahl von 1.000 Spitzmaulnashörnern innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu verdoppeln, was laut Wildhütern einer Populationsgröße entsprechen würde, die vor dem Aussterben bewahrt werden könnte.

Masai Lodge Road

Auf der fortführenden Strecke blühen Büsche und Blumen am Straßenrand. Ich kann mich darauf gefasst machen, entweder in Staubwolken zu geraten, wenn vorbeifahrende Autos oder Bodabodas den Dust des Weges aufwirbeln, oder nasse Füße zu bekommen, wenn in der zuvorigen Nacht mal wieder der Himmel aufgebrochen ist und Regenstürze auf die Erde fallengelassen hat.

Doch ab der Schranke der Masai Lodge Road ist zu merken, dass man dem Innenleben Ongata Rongais näherrückt. Die Straße ist asphaltiert, lokale Supermärkte und Marktstände tauchen am Straßenrand auf und zahlreiche Tuctucs,  Autos, Bodabodas und Schleppesel ziehen die Hügel hinauf und hinunter.

Tuctucs an der Kreuzung Masai Lodge und Magadi Road

Je weiter ich wandere, desto lebendiger wird dieses Treiben. Es ist ebenso der Weg zu unserem Lieblings-Marktstand bei Nancy. Hier kaufen wir stets unser Obst, Gemüse und – nicht zu vergessen – eine ungeheure Anzahl an Eiern ein. Auch wenn der Weg zum Einkaufen recht weit ist (man braucht etwa 30-40 Minuten zu Fuß bis zu Nancys Stand), ist es immerzu ein schönes Gefühl, einer bekannten Person zu begegnen und warmherzig begrüßt zu werden. Ein Stückchen weiter stehen schon die Matatus an der Magadi Road, die nach Nairobi fahren. Wann welches Matatu abfährt? Nun, das weiß niemand so recht. Wenn der Bus voll ist, geht es los. So viel steht fest. Also ein Päckchen Geduld und Gelassenheit einpacken – was ebenso für die Fahrt selbst gilt. Denn abhängig vom Verkehr ist die Fahrtzeit in die Innenstadt mal 40, mal 90 Minuten lang. Universitäten wie die Multimedia-University, Malls sowie Gärten und Parks fliegen an mir vorbei. Ziegen und Baboons streunen zwischen den Palmen am Straßenrand hindurch. Schließlich ist da Nairobi; mit seinen Hochhäusern, seiner Weite und den Slums.

„Kibera“ bedeutet Dschungel. Es ist der größte Slum Nairobis; die Anzahl der Menschen kann nicht so recht erfasst werden, doch Schätzungen gehen von etwa 700.000 bis 800.000 Menschen aus. Auf zwei Hektar leben damit etwa 71.000 Menschen. Der enge Raum, kombiniert mit der Verschmutzung durch Abfälle, Abwässer und Fäkalien, treibt die Krankheitsrate in die Höhe. Armut, Gewalt und Kriminalität prägen die Region.

Diese Informationen konnte ich im Internet zu diesem Gebiet zusammentragen. Besonders faszinierend war auch zu lesen, dass die Menschen in „Wellblechhütten“ hausen würden. Was assoziierst du mit einer solchen Beschreibung? Wirst du in deinem Weltbild bestätigt?

Der Einfluss unserer Sprache auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist enorm. Wir hören „Wellblechhütte“ und denken an einen armseligen Ort, an hungernde Kinder und düstere Lebensumstände. Bilder in unserem Kopf, die wieder und wieder aufgegriffen und reproduziert werden, sodass unsere Lebenswirklichkeit wieder und wieder bestätigt wird. Dabei ist es nie so klar und einfach. Solche Sprachbilder sind Konstrukte mit Ursprung in der Zeit europäischer Eroberung und Kolonialisierung. Sie gründen sich auf eine Gesellschaft, in der eine rassistische Ideologie und Hierarchie bestand. Noch heute ist diese in unserer Sprache verankert und damit auch unbewusst in unserer Wahrnehmung. Die Realität ist jedoch bei weitem komplexer.

Es wird von der Armut, dem Leid und der Kriminalität berichtet, aber nicht von den ganz normalen, liebenswürdigen Menschen, die dort kochen, arbeiten, lachen, in der Sonne dösen, leben. Vor kurzem fand in Kibera die sogenannte Kibera Arts Parade statt. Wir waren etwas spät dran, aber es war ein schöner, sonniger Tag und die Leute konnten uns den Weg zur Veranstaltung weisen. Dort angekommen führten verschiedene Künstler*innen, Kinder- und Jugendgruppen vorbereitete Präsentationen auf. Die Veranstaltung war voller Leben, Kreativität und Wohlwollen füreinander. Die Gruppen turnten und tanzten Afrobeats wie verrückt, andere sangen oder trugen Poetry vor wie das dreizehnjähriges Mädchen Wamboi, das ihr Herz in einem Gedicht zu gender-based violence ausschüttete. Eine Gruppe junger Mädchen und Frauen bot eine Modenschau dar. Die Kleidungsstücke hatten sie aus Resten und Zeitschriften selbst angefertigt und etwas völlig Neues kreiert. Der Nachmittag zeigte mir eine der vielen Seiten der Slums wie ich sie noch nie gehört oder gesehen hatte; Gemeinschaft, Spaß, Stärke, Intelligenz, Selbstvertrauen, Ehrgeiz und ein Miteinander.

Turngruppe Kibera Arts Parade

Dann ist da noch der Weg durch die Zeit. Ein Weg, der so lang ist und sich doch als fix zu wandern herausstellt. In den letzten sieben Wochen durften Chrissy und ich das Ferienprogramm für die Mädchen erarbeiten. Für diesen Pfad durch die Zeit bin ich schlicht und einfach dankbar. Ein bisschen wehmütig blicke auf die letzten Wochen zurück; wünsche mir fast, dass dieser Weg noch ein Stückchen länger gegangen wäre. Es war sicherlich auch steinig an nicht wenigen Stellen. Bei 37 Mädels ist es kaum zu verhindern, dass keine Konflikte entstehen. Aber gleichzeitig bargen all jene Herausforderungen so viel Wachstum für die Kinder und nicht zuletzt für uns und führten dazu, dass wir und die Mädels uns einen riesigen Schritt aufeinander zubewegt haben. Natürlich war das Programm selbst ein großer Spaß; wir werkelten und tüftelten, backten und spielten.

Sammeln von Blumen und Blättern für ein Naturmobile

Aber auch hier ist der Weg, das Dazwischen das Ziel. Wie kam es nur dazu, dass – ganz entgegen unserer eigentlichen Planung – am Halloween-Mottotag uns auf einmal bunte, wilde Fratzen begegneten? Die Mädchen hatten eigenständig angefangen, sich zu bemalen und sogar ihre Haare mit Farbe zu verzieren.

Es war nicht das einzige Mal, dass sie auf ihre erstaunliche und einzigartige Weise bewiesen, wie kreativ und fantasiereich sie doch sind. Es war nicht das einzige Mal, dass sie uns nur durch ihr Sein belehrten. All die Momente im Dazwischen, die kleinen Spielereien, die Gespräche und Konfliktlösungen knüpften ein Band zwischen uns und den Mädchen.

.Nun ist ein Drittel des Weges bereits vorüber. Auf die weiteren zwei Drittel blicke ich voller Hoffnung und Zuversicht. Geht man aufmerksam seinen Pfad, entdeckt man so vieles am Wegesrand. Lektionen über das Land, das man besucht; Inspirationen, sich selbst neu zu entdecken, wenn nicht gar zu erfinden. Man geht nicht mehr einfach einen Weg. Man beginnt, die Umgebung zu beobachten und lernt, sie zu verstehen.

Kiribati 2024-25 ^^Wad ne Ankunft :P

Gehen im Wasser = Watscheln

Die Zeit ist gekommen, die letzten Monate Revue passieren zu lassen. Bei dieser Aufgabe habe ich gemerkt wie schwierig es ist die Moment zu bewerten. So fällt es mir schwer zu entscheiden, welche Momente mir geholfen haben, welche Herausforderungen zu groß für mich waren, welche Aufgaben ich bewältigen konnte und welchen Gefahren ich aus dem Weg gegangen bin. So war bereits die Anreise ein Abenteuer wie kein Anderes. Eine meiner längsten Reisen, die ich je hatte. Über verschiedene Kontinente an einen Ort, von dem ich vor der Bewerbung bei der Nordkirche noch nichts gehört hatte. Das ganze Abenteuer fing an, als wir in Frankfurt gegen 21:50 Uhr unsere Familien verabschiedeten.

Aussicht aus dem Flugzeug

Ungewiss, wo die Reise uns hinführt und trotzdem voller Vorfreude, dass es ein Abenteuer wird. Worauf wir uns eingelassen hatten, wussten wir nicht und trotzdem hatten wir eine klare Vorstellung davon, was uns erwartet.

Auf der langen Reise von Frankfurt über Abu Dhabi, über Sydney, nach Fidschi, bis schließlich Kiribati erreicht wurde, wurde uns immer deutlicher, dass wir keine Idee hatten worauf wir uns eingelassen hatten.

Doch die wirkliche Einsicht kam erst, als wir in Kiribati landeten. Als wir aus dem Flugzeug ausgestiegen sind, hatte uns erstmal die Hitze erwischt. Die drückende, Super heiße, tägliche Hitze von Süd Tarawa. Jonathan und ich waren Erschöpft in den ersten paar Minuten des Ankommens.

Unsere besten Freunde

Nachdem wir die Visums und Passkontrolle und die Gepäckkontrolle erfolgreich überlisten konnten, holte uns ein Mitarbeiter der KUC in einem luxuriösen Auto ab. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass diese Person später zu einem unserer besten Freunde auf dieser Insel wird. Nachdem ich die ersten Etappen beschrieben habe, möchte ich über die Gedanken und Gefühle reden, die mich seit der Ankunft begleiten.

Selbsterklärend

Was mich wieder und wieder beschäftigt, ist die isolierte Lage des Atolls. Das ist wirklich erstaunlich und immer wieder beängstigend, dass man mitten im Pazifik auf einem Atoll lebt. Zusätzlich ist Betio einer der bevölkerungsdichten Orte der Welt. Trotz einer so hohen Bevölkerungsdichte gibt es wenig zu machen für die persönliche Freizeitbeschäftigung. Dadurch kommt viel Langeweile und Einsamkeit auf. Anfangs war die Einsamkeit am stärksten, weil ich kaum Kontakt zu den Menschen vor Ort hatte. Glücklicherweise besteht eine gute Verbindung zum Internet. Diese ermöglicht es uns, sehr leicht mit den Verwandten und den Geliebten in der Heimat zu kommunizieren, wodurch die Einsamkeit schnell bei Telefonaten vergeht. Der Umgang mit der Langeweile stellt für mich immernoch eine der größten Herausforderungen dar. Es ist eine Art der Unterforderung in Verbindung mit einer Alternativlosigkeit, welcher ich in meiner Heimat noch nie begegnet bin. Sehr eindrucksvoll und erschöpfend.

te Kollege

Eine weitere Herausforderung stellt die Versorgungslage dar. Weil die Insel aus Koral Sand besteht und kaum nährstoffreichen Boden hat, werden die allermeisten Produkte importiert. Diese importierten Produkte beschränken sich jedoch meistens auf Konserven, Süßigkeiten und Haushaltsgegenständen in einer sehr beschränkten Auswahl. Auf der Suche nach frischen Lebensmitteln bleibt man bei Äpfeln, Orangen, Bananen, Mais, Aubergine, Paprika und PakChoi häng. Was eine zusätzliche Herausforderung darstellt ist die Größe der kulturellen Unterschiede. So können wir kaum die Sprache und es gibt keine mobilen Übersetzungsmöglichkeiten. Manche Verständnisse der Kultur entstehen durch Fehlschritte.

Was macht diesen Ort aber so besonders und warum bin ich immer noch davon überzeugt, dass ich hier bin? Die Menschen! Jedes einzelne Lächeln mit jedem einzelnen Menschen auf der Straße wird erwidert. Jede Freude im Leben wird mit Allen geteilt. Viele Menschen hier nehmen sich selber nicht so ernst, und haben den Mut, über sich selber zu lachen. Quasi eine Selbstverständlichkeit in Kiribati. Erst durch diese große Offenheit entsteht eine so tiefe Verbindung zu dem Menschen vor Ort, wenn man die Zeit mit den Menschen teilt.

Das Lehrerkollegium

Die Menschen aus Kiribati haben mit das größte Herz welches ich je erleben durfte. Sie sind bereit, alles zu geben, was Sie besitzen, um anderen Menschen zu helfen. Was ich sogar glaube ist, dass sie manchmal bereit sind, mehr zu geben als sie besitzen, um anderen Menschen zu helfen. Auch wenn der erste Eindruck erstmal distanziert scheint, sind die allermeisten einfach nur interessiert und neugierig, haben jedoch manchmal Probleme sich auf Englisch auszudrücken. Und sobald man auch nur einmal um Hilfe fragt, kommt direkt ein vielfaches von dem was man braucht.

Lehrer-Tag Feier mit den guten Bre’s

Viele Menschen aus Kiribati Leben in extremer Armut, haben wenig Möglichkeiten an ihre Zukunft zu denken, wenig Möglichkeiten ihre Zukunft zu planen und kaum Möglichkeiten, sich etwas aufzubauen. Alle sind aber bereit zu teilen. Und alle sind immer bereit zu geben. Selbst Menschen, die ich nur einmal treffen durfte, die ich wahrscheinlich niemals wieder sehen würde, haben mich herum gefahren, mir versucht zu helfen und haben versucht mir den Weg zu weisen. Das ist es, was ich hier wieder und wieder erlebe. Die Großzügigkeit aller Menschen, Freude zu teilen, ihr Hab und Gut zu teilen und den Gästen die Zeit so erfüllt wie möglich zu machen. Ich glaube nicht, dass sie wirklich wissen wie es uns geht, aber wahrscheinlich verstehen sie uns doch besser als wir am Anfang geglaubt hatte.  

Kam Rabwa

Shanghai

Angekommen

Angekommen bin ich nicht nur einmal, damit meine ich jetzt nicht physisch und psychisch jeweils einmal, sondern wirklich den Ort.
Ich war insgesamt schon in vier Städten ungefähr eine Woche oder länger und weil die aller meisten Orte der Welt sich von anderen unterscheiden, ob jetzt der Südpol vom Äquator oder der Frankfurter Hauptbahnhof von der alten Oper zwei Straßen weiter, habe ich das Glück hier in China ganz oft ankommen zu dürfen und jedes Mal ein anderes neues China zu entdecken.

1. Station

Meine erste, etwas größere, Station war Nanjing. Nanjing, vielleicht auch schonmal unter Nanking gehört, ist eine riesengroße Stadt im Osten von China mit über neun Millionen Einwohnern.
Meine ersten Gedanken beim Rausgehen aus dem Flughafen waren: „OMG ist es heiß!“ und „Könnte auch in Frankreich sein“. Alles wirkte sehr gewohnt, vielleicht liegt das auch daran, dass ich schon einige chinesische TV Dramen geschaut hatte.

In Nanjing anzukommen war nicht schwer. Wir haben in einem Hotel gewohnt und nach und nach haben wir neue Sachen entdeckt: wie kann man mit dem Handy bezahlen, wie fährt man mit der U-Bahn, wie bestellt man ein Taxi, wie funktionieren die Restaurants, wie bestellt man Essen mit dem Handy, wie benutzt man Baidu Ditu( das chinesische Google Maps),…
In Nanjing haben wir von unser Partnerorganisation, der Amity Foundation, einen zweieinhalb wöchigen Workshop bekommen, um China und die chinesische Kultur besser kennenzulernen.
Wir hatten Vorträge über die Provinzen (besonders Gansu), das Schulsystem, die Religionen (besonders den Islam) in China, wir hatten Kalligraphie und traditionelle Malerei Workshops, wir durften beim social Service unserer Organisation mitmachen und haben so mehrere Tage ein Altersheim, ein Social Center für ältere Leute und ältere Leute bei sich zu Hause besucht.

Am Ende unserer Zeit in Nanjing hatten wir unsere Lieblingsrestaurants gefunden und haben es endlich geschafft bei der riesigen U-Bahnstation aus dem richtigen Ausgang rauszugehen.

die alte Stadtmauer in Nanjing

2. Station

Meine nächste größere Station zum ankommen war Lanzhou. Lanzhou ist die (Landes)Hauptstadt der Provinz Gansu, in der unserer Einsatzstellen liegen. Gansu liegt in Nord-Zentralchina und ist etwas größer als Deutschland.
In Lanzhou waren wir für intensivere Vorbereitung auf den Unterricht, den wir geben werden. Wir hatten Vorträge über (Verhaltens-)Regeln in chinesischen Schulen, wie bereite ich meinen Unterricht am besten vor und wie gestallte ich eine Präsentation im Unterricht. Dazu haben wir uns dort auch einen chinesischen Namen ausgesucht. Meiner ist 古沁茹 (gǔ qìn rú).

In Lanzhou bin ich vor allem sehr gut im Hotel angekommen, da es mich nach zwei Tagen dort mit einer kleinen Grippe erwischt hat.
Ich habe Meituan, eine App mit der man Essen bestellt, ein weiteres Mal für mich entdeckt und habe mich mit dem Roboter des Hotels angefreundet, welcher mir jeden Tag mit einem süßem Lächeln das bestellte Essen bis vor mein Zimmer gebracht hat.

In Lanzhou waren wir eine Woche und so bin ich erst nach fast einem Monat in meiner Einsatzstelle angekommen.

Mein bester Freund und Helfer

3. Station

Meine dritte Station war dann also Huixian (徽县陇南), eine Stadt mit ca. 200 tausend Einwohnern, wenn man auch die kleineren Städtchen und Dörfer außen rum mitzählt.

Huixians Umgebung besteht aus vielen etwas größeren Hügeln/ Bergen mit Wäldern drauf. Durch Huixian fliest ein Fluss in einem künstlich hergerichteten Flussbett.
Meine Mitfreiwilligen und ich haben jeweils eine eigene riesige zwei Zimmer Wohnung mit Küche und Bad bekommen. Die Lehrer die unter der Arbeitswoche auch hier in der Schule schlafen teilen sich eine Wohnung die nur halb so groß ist. Das fühlt sich extrem falsch an.

Wir bekommen hier unter der Woche drei Mahlzeiten am Tag ohne das wir dafür bezahlen müssen und das Essen wird extra für uns gekocht. Wir leben hier also auch extrem Privilegiert.

Den ersten Schock den wir hier bekommen hatten war, dass wir nicht alleine das Schulgelände verlassen durften, sondern dass immer eine Englische Lehrkraft dabei sein musste. Es wurde uns etwas später eine Liste überreicht mit Kontaktpersonen, die für uns zuständig waren. Die Liste ging bis Januar.

Wir haben uns extrem bevormundet gefühlt und die Regel kam uns sehr willkürlich und schlecht kommuniziert vor.
Andererseits haben wir durch diese Regel aber auch einige nette Lehrer kennengelernt und wir wurden so auch schon ab und zu mal nach Hause zum Kartenspielen und Essen eingeladen.

Nach einer Woche Einlebungszeit fing dann unser Unterricht hier an. Wir sollten erstmal neun Stunden pro Woche geben, in denen wir den Kindern der siebten Klassen das englische Sprechen näherbringen sollten.

Unser Alltag bestand also aus, Unterricht geben, in der Schule Essen, und in unseren Zimmern sein und, wenn wir einen Lehrer angerufen hatten, vielleicht auch mal kurz spazieren gehen.

die Huixian Middle School Number 4
ein normaler Klassenraum für 50 -60 Schülern
der Flusspark
sehr leckeres Streetfood

4. Station

Wir hatten eine Einladung vom Auswärtigem Amt bekommen, um den Tag der deutschen Einheit in Peking zu feiern. Wir haben den Anlass mit dem Mond Fest hier in China verbunden und sind zu dritt eine Woche nach Peking gefahren.

Meine vierte Station zum Ankommen war also Peking.
Wir haben mit Couch Surfing bei einer super netten jungen Dame gelebt, die in Deutschland studieren möchte.
Dort waren wir das erste Mal in einer nicht krass privilegierten Umgebung. Wir haben uns zu dritt ein Zimmer geteilt und die Küche und die Toilette wurden sich mit anderen Mitbewohnern noch geteilt.
In Peking hatte ich das erste Mal das Gefühl auch mein Leben etwas selbst gestalten zu können. Ich habe Klavier gespielt, mein eigenes Essen gesucht, viele Parks besucht, bin Fahrrad gefahren, im Wohnviertel auf den Markt gegangen und habe insgesamt einfach die Freiheit genossen.

der Bahnhof
zu meiner Überraschung ein extrem grünes Peking

im Hobby-Alltag ankommen

Zurück in Huixian kamen mehr Aufgaben für uns dazu, wir gaben nun einmal die Woche Stunden im Kindergarten, einmal die Woche eine Art AG mit dem 8. Jahrgang, hatten einmal die Woche chinesisch (mehr Kultur als Sprach-) Unterricht und auch Kalligraphie.

Dazu habe ich auch angefangen mich selber um meine Freizeitgestaltung zu kümmern.
Ich durfte schon ein paar Mal auf dem Klavier der Schule spielen. Ich habe eine Querflöte geliehen bekommen und spiele jetzt von Dienstag bis Freitag zwei Mal am Tag im Bläserorchester mit (wir hatten sogar schon unsere erste Aufführung). Und ich war schon öfters mal Abends beim Square Dance mit dabei (das machen eigentlich eher Rentner aber die haben sich sehr gefreut, dass ich die Tänze auch lernen möchte).
Mittlerweile dürfen wir auch ohne englische Lehrkräfte raus, und so konnte ich auch deutlich besser bei Stundenlangen Spaziergängen die Umgebung entdecken.

Mittlerweile komme ich auch etwas mehr in der chinesischen Sprache an, zu mindestens mit meinem Hörverstehen – Sprechen ist dann nochmal etwas schwieriger.

der Kindergarten
der Feng Shan Park und im Hintergrund Huixian
die Aufführung

Insgesamt bin ich also gut in China angekommen. Aber das heißt auf keinen Fall, dass ich schon meinen festen Alltag habe, der das restliche Jahr so bleiben wird. Ich hoffe ich kann noch ganz oft in China ankommen, ob an unterschiedlichen Orten oder in unterschiedlichen Hobbys oder Stadtvierteln.

Karin