Ein neues Kapitel

Es geht los! Ich bin am Flughafen, verabschiede mich von meiner Familie und endlich geht es nach Brasilien. Ich habe so lange gewartet und jetzt ist der Traum Realität geworden. Richtig fassen kann ich es immer noch nicht, dass ich 11 Monate in Brasilien sein werde, einem fremden Land, fast 10.000 km entfernt von der Heimat. Trotzdem habe ich mich auf das, was mich erwartet, gefreut. Auf dem Weg nach Brasilien, schon das erste Dilemma, wir kriegen unseren Anschlussflug von Sao Paolo nach Porto Alegre nicht, da wir zu lange auf unser Gepäck warten mussten und es sehr voll war, dass es zeitlich einfach nicht funktionierte und wir einen späteren Flug nehmen mussten. 

Zusammen auf dem Weg nach Brasilien

Das Vorbereitungsseminar

In Porto Alegre bin ich trotzdem angekommen, jedoch mit ein bisschen mehr Stress, als nötig. Dort hatte ich mit Moritz, Jonathan, Julia und anderen Freiwilligen eine Woche lang Vorbereitungsseminar und wir wurden sehr herzlich aufgenommen. Wir hatten täglich einen portugiesisch Crash – Kurs und haben uns viel von Porto Alegre angeschaut. Zum Beispiel sind wir mit dem Auto eine Rundtour gefahren und haben uns berühmte Orte angeguckt. Danach sind wir an der Promenade langgegangen. Wir haben uns auch zwei Projekte angeguckt, damit wir einen kleinen Einblick bekommen, wie unsere Arbeit aussehen könnte, haben Acai gegessen – sehr lecker und empfehlenswert – und wir haben an einem Gottesdienst teilgenommen und ein Chorlied aufgeführt. Abends, wenn der Tagesablauf vorbei war haben Moritz Jonathan, Julia und ich viel zusammen gemacht, wie Karten gespielt oder Filme geguckt. Morgens vor dem Frühstück bin ich jeden Tag joggen gegangen manchmal mit denen, manchmal ohne. Moritz war immer dabei und wir haben uns gegenseitig ans Limit gepusht und ich vermisse das gemeinsame joggen gehen.

Erste Eindrücke

Die Woche ging sehr schnell um und dann hieß es wieder Abschied nehmen, weil Jonathan und Moritz zwar auch in Brasilien bleiben, jedoch woanders ihren Freiwilligendienst absolvieren. Ich habe die Zeit als Gruppe sehr genossen und vermissen tu ich die beiden. Im Projekt angekommen, kann der wirkliche Freiwilligendienst beginnen. Die erste Nacht im Haus war sehr kalt und zudem wurde es uns hier teils dreckig überlassen. Unsere Mitarbeiter haben uns direkt geholfen, die uns Decken, Lebensmittel, Schwämme und weitere Küchenutensilien besorgt haben, damit wir uns wie zuhause fühlen. Padilha ist ein Dorf, es leben 300 Menschen hier, wenn überhaupt und jeder kennt jeden und jeder ist gefühlt auch mit jedem verwandt. Im Supermarkt wurde ich zum Beispiel von einem Mitarbeiter darauf angesprochen, dass ich mit seinem Onkel bei einem Fußballspiel war, der im Projekt arbeitet. Es gibt in Padilha ein Bistro und der, dem es gehört, ist mit einer Mitarbeiterin, auch vom Projekt, verheiratet. Diese Überkreuzungen finde ich lustig, sind aber auch klar bei einem Dorf mit dieser Größe.

Projekt LAR Padilha

Im Projekt gibt es drei Häuser, einmal das Jungenhaus, das Mädchenhaus, ein Jungs – und Mädchenhaus bis etwa 10 Jahre und eine Krippe. Die Kinder haben immer viel zu erzählen und haben uns auf Anhieb akzeptiert. In meinen ersten Wochen dort, wurde ich von den Jungs gefragt, ob ich Lust hätte mit denen auf einer Farm zu übernachten. Wir haben zusammen abends gegessen, haben Billiard und Tischkicker gespielt, Musik gehört und manche Jungs haben auch Videospiele gespielt. Als es dunkel wurde, sind wir rausgegangen um Mikrone in der Natur zu spielen. Es gibt einen Punkt, wo ich, als sich versteckender hinlaufen muss, damit ich frei bin. Der Suchende versucht mich zu finden, um dann zum Punkt zu laufen und meinen Namen zu rufen. Manche der Jungs haben auch zeitgleich am Feuer gesessen und sich gewärmt.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich schon so früh begonnen habe portugiesisch zu lernen, da ich recht viel zu Beginn verstanden habe und auch ohne Hilfe viel ausdrücken konnte. Es ist für mich auch schön zusehen, wie sehr ich mich schon verbessert habe. Anfangs observierten wir erstmal das Projekt und schnupperten überall ein bisschen rein, um zu sehen, was uns gefällt und wo wir unsere Stärken unterbringen könnten. Ich gebe im Projekt Englischstunden, weil viele Kinder das lernen möchten, sowie Deutschunterricht für die Arbeitenden vor Ort und ich helfe bei „bem viver“ mit. Zudem biete ich jeden Freitag noch Fußball an. Das sind Workshops, wo immer eine Hand voll von Kindern teilnehmen. Bem viver  –  besseres Leben – ist ein Workshop, wo die Sensibilität zum Umgang mit der Natur den Kindern nähergebracht wird. Es wird recycelt, Müll getrennt und es wird auch in der Natur mit den Kindern zusammengearbeitet. Sei es ein Spaziergang, ein Picknick oder auch, dass wir Gemüse in einem Beet anpflanzen.

Karotten anpflanzen
Ein Spaziergang in der Natur

Freizeit

Ich spiele gerne mit den Jugendlichen Fußball. Es gibt einen Sandplatz, wo wenn gutes Wetter ist, oftmals schon welche spielen und ich einfach nur Fragen muss, ob ich mitspielen darf. Eines meiner Ziele ist es gewesen, in das Stadion zu gehen, um mir ein Fußballspiel anzugucken und es hat funktioniert. Wir sind mit unserem Chef dort hingefahren, insgesamt mehr als fünf Stunden Hin- und Rückfahrt, aber den Aufwand war es Wert. Es waren relativ viele Plätze unbesetzt, aber die Stimmung war phänomenal. Die Mitarbeiter im Projekt sind sehr hilfsbereit, freundlich und offen. Zwar gibt es keine in meinem Alter, das hat mich jedoch nicht davon abgehalten Freunde von der Arbeit zu uns nach Hause einzuladen, selber Pizza zu machen, Musik zu hören und Karten zu spielen.

Freundschaften knüpfen

Volmir, ein Mitarbeiter von mir, hatte mich in der Vergangenheit gefragt, ob ich Lust hätte mit ihm Futsal spielen zu gehen, was er nicht hätte machen müssen. Ich gehe jetzt dank dieser Einladung jeden Freitag mit ihm, seiner Familie und Freunden Futsal spielen. Ein Freund von ihm hat mich sogar zu seinem 50. Geburtstag eingeladen und es war ein echt schönes Erlebnis. Julia und ich waren die einzigen, die nicht zur Familie gehörten und trotzdem waren wir dort willkommen. Bei ihm haben wir Chimarrao getrunken, Fußball geguckt, zusammen gegessen und gefeiert. Als sein Team verloren hat war die Stimmung von ihm im Keller, amüsiert haben wir uns trotzdem.

Abgesehen davon ist es sehr interessant, dass hier viele Menschen Deutsche Großeltern, beziehungsweise Urgroßeltern haben, da zwischen dem Ende des 19. und Mitte 20. Jahrhunderts durch die deutschen Kolonien viele Deutsche nach Brasilien ausgewandert sind. Heute sind knapp 40 Prozent der Bevölkerung in Rio Grande do Sul Deutschbrasilianer; das macht sich bemerkbar. Hier wird kein Hochdeutsch, sondern eine Art Bayerisch gesprochen, was es manchmal schwierig macht es zu verstehen. Abschließend möchte ich noch sagen, dass Julia und ich eine Katze bei uns haben. Ich füttere sie, manchmal darf sie zu uns ins Haus und abends kuschelt sie sich gerne an einen ran. Auch wenn ich eher ein Hundemensch bin, haben Katzen den Vorteil, dass sie pflegeleichter sind.

Unsere Katze

Ich freue mich auf die kommenden Tage, Wochen, Monate und ich werde Ihnen darüber berichten.

Jonathan Schwennicke

Das Ende meiner Zeit in Brasilien

Liebe kann man lernen. Und niemand lernt besser als Kinder. Wenn Kinder ohne Liebe aufwachsen, darf man sich nicht wundern, wenn sie selber lieblos werden
– Astrid Lindgren

Meine Einsatzstelle Dorcas setzt sich dafür ein, Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen Liebe, Fürsorge und Unterstützung zu bieten. Das Projekt erkennt die Bedeutung von Liebe und Zuneigung für die gesunde Entwicklung eines Kindes.
Das Zitat von Astrid Lindgren beschreibt eine treffende Kernbotschaft von Dorcas.
 


Es ist Mitte Juni und damit neigt sich mein Aufenthalt in Brasilien sehr schnell seinem Ende zu. Es ist Zeit, ein Resümee zu ziehen. Dabei helfen mir viele Protagonisten aus meinem Projekt Dorcas.

In meinen bisherigen Berichten habe ich euch bereits viel über die Grundideen und die Bedeutung des Projektes erzählt. Jedoch konnte ich alle Erfahrungen, über die ich geschrieben habe, nur aus meiner eigenen Perspektive berichten. Deswegen habe ich, wie auch schon im vergangenen Blogeintrag angekündigt, in den vergangenen Wochen einige „Interviews“ mit verschiedenen Personen in unterschiedlichen Positionen von Dorcas geführt, habe diese Gespräche aufgenommen, übersetzt und werde sie nun in Textform wiedergeben, damit ihr als Leser andere Perspektiven auf und einen noch besseren Einblick in das Projekt bekommen könnt. Bedeutet, dass alles im Folgenden Erzählte nicht meine Worte, sondern die Stimmen der folgenden Personen sind:

Darclê: Leiterin des Projektes Dorcas, meine Chefin und Ansprechpartnerin.

Franciele (24 J.): eine ehemalige Schülerin und Teilnehmerin, die jetzt als Lehrerin in Dorcas
arbeitet. Sie befindet sich außerdem im ersten Semester
ihres Pädagogik-Studiums.

Kimberly (18 J.): die, so wie Franciele, im Projekt Dorcas schon als Kind teilgenommen hat und nun ebenfalls hier als Lehrerin arbeitet. Im Januar 2024 möchte auch sie anfangen, Pädagogik zu studieren.

Mit Darcle habe ich das erste Interview geführt:
Darcle ist seit ungefähr 14 Jahren die Leiterin und Geschäftsführerin von Dorcas und ist für die Bereiche Finanzen, Koordination und Personalmanagement zuständig. Sie erzählt von ihren vorherigen Tätigkeiten als Krankenschwester und dem direkten Kontakt zu kranken Kindern sowie Familien in sehr schwierigen Lebenslagen. Über verschiedene Projekte in ganz Brasilien verteilt, landete sie schließlich 2009 in Curitiba und wurde auf das Projekt Dorcas aufmerksam. Durch die Begegnung fand sie ihre Leidenschaft in der Arbeit mit dem Projekt und blieb Dorcas seither treu. Sie steckt jeden Tag aufs neue Herz und Seele in ihre Arbeit und „lebt“ das Projekt.
 
„Das Hauptziel von Dorcas besteht darin, Kindern und Jugendlichen verschiedene Möglichkeiten zu bieten, ihr Leben durch die verschiedenen Angebote von Dorcas zu verändern.“ Der Fokus liegt vorerst darauf, die Kinder und Jugendlichen von der Straße wegzubringen, um danach langfristig eine richtige Zukunft aufzubauen, fernab von Drogen, sexueller Gewalt und einem Leben in Armut. Dorcas bietet den Kindern und Jugendlichen viele verschiedene Angebote, wie Lern-Unterricht (vergleichbar mit Schulunterricht), Musik- und Sportunterricht sowie eine Pfadfinder-Gruppe und sogar Workshops im Bereich Pädagogik, in der einige ältere Teilnehmer alleine kleine Kurse und Klassen unterrichten dürfen. Diese verschiedenen Angebote ermöglichen den Kindern, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, ihre emotionale Intelligenz zu stärken und ihre kognitive Entwicklung zu fördern. Nach und nach entwickelt sich jeder weiter und man erkennt Fortschritte jedes einzelnen Teilnehmers von Dorcas.
 
Auf die Frage, warum es für die Kinder Pflicht ist, in die Schule zu gehen, um einen Platz im Projekt zu erhalten, antwortet sie: „Der Schulbesuch ist Voraussetzung für jeden Teilnehmenden. Dies dient nicht nur der Bildung und Weiterbildung für die Kinder und Jugendlichen, sondern motiviert auch weitere Kinder, aber vor allem auch Eltern, ihre Kinder zunächst in die Schule zu schicken, um dann auch am Dorcas Projekt teilzunehmen. Dorcas zeigt immer wieder sehr große Erfolge und Fortschritte.


Um euch auch langfristige Erfolge vorzustellen, habe ich Franciele und Kimberly befragt. Zwei ehemalige Teilnehmerinnen von Dorcas, die beide im Bonfim/Favela (die Wohngegend unmittelbar gegenüber des Projektes) aufwuchsen und jetzt als Lehrerinnen aktiv sind. Heute haben sie sogar ihren Weg ins Studium gefunden.

Franciele kam im Alter von sieben Jahren zu Dorcas und war dort 15 Jahre lang Schülerin. Sie erzählt von den verschiedenen Aktivitäten, die sie in dieser Zeit kennengelernt hat, wie das Musizieren, das Zusammenwachsen mit Freunden und die verschiedenen Möglichkeiten, Neues zu lernen. Durch ihre kontinuierliche Beteiligung und ihr Engagement im „projeto dos voluntários“ (Kurs in Dorcas, in welchem sich einige der 16-18-Jährigen anmelden könne; sie lernen in die Rolle eines Lehrers zu schlüpfen und fangen selber an, einige Kurse zu unterrichten) entwickelte sie ihre Fähigkeiten im Umgang mit Kindern und lernte, ihnen dabei zu helfen, ihr Potential zu entfalten. Heute ist Franciele eine „Educadora“, also eine Lehrerin für die Vier- bis Zehnjährigen in Dorcas und befindet sich nun tatsächlich im ersten Semester des Pädagogik-Studiums.

Kimberly kam mit neun Jahren als Schülerin zu Dorcas. Schnell hat sie begriffen, was sich für Möglichkeiten ergeben und welche Türen sich für sie durch das Projekt öffnen können. Genauso wie Franciele belegte sie den Kurs der Voluntarios und hat angefangen, selbst Kurse und Klassen zu unterrichten.
Im vergangenen Jahr hat Kimberly ihren Schulabschluss gemacht und wird sich in diesem Jahr für ein Pädagogik Studium bewerben.
 
Bei der Frage, wie die beiden sich jetzt in ihrer Rolle als Lehrerin, aber noch vielmehr als Vorbild für so viele Kinder und Jugendlichen im Projekt fühlen, antwortet Kimberly einfach nur: „louco…“ (verrückt). Sie selbst hätte mit neun Jahren nie daran geglaubt, da zu sein, wo sie jetzt steht.


 
Franciele’s und Kimberly’s Geschichten zeigen, dass Dorcas nicht nur ein Ort der Unterstützung für Kinder und Jugendliche ist, sondern auch eine Plattform bietet, um persönliche Ziele zu erreichen und sich selbst weiterzuentwickeln. Es zeigt, wie sehr die Beiden durch das Projekt gelernt und sich entwickelt haben, aber auch, wie sehr sie in das Projekt involviert sind.
Ihre Tätigkeit als Lehrerin beschreibt Franciele als einen großen Austausch. Für sie ist das Studieren etwas Neues und zugleich eine großartige Erfahrung. Dabei ist es Fran wichtig, dass die Kinder durch ihre Arbeit ebenfalls lernen und sich weiterentwickeln können. Es entsteht ein gegenseitiger Austausch, bei dem sowohl Fran als auch die Kinder voneinander profitieren.
Deren Geschichten sind für so viele Kinder inspirierend und zeigen, wie sehr Dorcas kleinen Kindern und jungen Menschen Möglichkeiten bietet, Talente zu entdecken, diese zu entfalten und einen positiven Einfluss auf das zukünftige Leben der Kinder zu haben. Franciele und Kimberly werden als Vorbilder gesehen und zu ihnen wird aufgeschaut.

Eine weitere Frage, die ich gestellt habe, war: „Was sind eure individuellen Wünsche und Ziele im Zusammenhang mit Dorcas, den Kindern hier im Projekt, sowie eurer persönlichen Entwicklung?“
 
Darclê hat den Wunsch, dass alle 300 aktiven Teilnehmenden eine bessere Zukunft erhalten. Momentan beschäftigt sie sich viel mit dem Erwerb von neuem Land, um das Projekt zu erweitern. Bis 2030 soll die Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Dorcas von 300 auf 500 steigen. Ein weiteres langfristiges Ziel ist das Errichten weiterer Sozialprojekte im Umfeld, um noch mehr Kindern des Favelas in Almirante Tamandaré eine richtige Zukunft zu ermöglichen.
 
Franciele hat das Ziel, ihr Studium an der Universität erfolgreich abzuschließen und weiterhin Neues im Austausch mit den Kindern zu lernen. Im Hinblick auf die Kinder in Dorcas strebt sie danach, dass sie stets Neues lernen und sich selbst weiterentwickeln können. Sie möchte, dass Dorcas als Organisation wächst und mehr Kinder die Möglichkeit bekommen, am Projekt teilnehmen zu dürfen.
 
Kimberly’s persönliche Ziele beinhalten die Aufnahme an einer Universität und das Studium der Pädagogik. Genau wie Fran, liegt ihr die Weiterentwicklung der Kinder und Jugendlichen im Projekt am Herzen. Ihr ganz großer Traum ist es, irgendwann genug Geld zu verdienen, um ein eigenes Haus zu haben, ein Auto zu fahren und Dinge zu kaufen, ohne lange darauf sparen zu müssen und von Nichts und Niemandem mehr abhängig zu sein.

Zum Abschluss des Interviews wurde über die Vorstellung von Dorcas als Tier gesprochen. Hier sind die entsprechenden Zuordnungen:
 
Darclê stellt sich Dorcas als Känguru vor, das fürsorglich und beschützend ist. Dorcas kümmert sich um seine Kinder und beschützt sie vor Gefahren, ähnlich wie der Beutel eines Kängurus.
Kimberly vergleicht Dorcas mit einem Fabelwesen, dem Phönix. Ein mythologischer Vogel, der aus seiner eigenen Asche wieder geboren wird. In ihrer Vorstellung symbolisiert der Phönix das ständige Wachstum und die Weiterentwicklung von Dorcas. Ähnlich wie ein Phönix kann Dorcas den Kindern und Jugendlichen ein neues Leben erschaffen und aus schwierigen Situationen neue entstehen lassen, um immer stärker zu werden.
Franciele sieht Dorcas als einen Koala, der die Kinder umarmt und sie vor ihren Gefahren schützt. Diese Metapher betont (wie auch das Känguru) die Schutzfunktion von Dorcas und die Unterstützung, die das Projekt den Kindern bietet.

Ich bin nach den Gesprächen mit Darclê, Franciele und Kimberly durch das Projekt gegangen und habe hier und da ein paar ältere und auch jüngere Kinder ein paar Fragen gestellt, um auch von ihnen persönlich zu hören, was Dorcas für sie ist:

„Was gefällt euch an Dorcas am meisten?“
„Was ist Antrieb, eure Motivation, jeden Tag für ein paar Stunden herzukommen?“
„Welcher Unterricht macht euch am meisten Spaß?“

Die Antwort, die ich am häufigsten bekommen habe: Das Essen. Wie ich schon im ersten Blog erzählt habe, gibt es vier Mahlzeiten am Tag, darunter ein großes Mittagessen mit Reis, Bohnen, Salat, häufig einem Kartoffelgericht und manchmal auch Fleisch. Nach der Ankunft von den Kindern im Projekt, bekommt man nach einem „Hallo“ mit einem Grinsen auf dem Gesicht die Frage gestellt, ob es denn heute Nachtisch gibt.
Sehr beliebt sind sportliche Aktivitäten im Projekt, wie der normale Sportunterricht, Capoeira und Tanzen. Bis heute werde ich jeden Tag aufs Neue zum Tischtennis, Tischkickern oder Fussball spielen herausgefordert und gefragt, ob ich nicht mitspielen will. Bei den kleinen ist der neue Spielplatz auch sehr angesagt.



Vielen gefällt das Musizieren am Besten. Das Engagement und der Ehrgeiz, besser zu werden, ist unglaublich.
Öfters kommen die Musiklehrer auf mich zu und laden mich auf Wunsch der Kinder zum Zuhören eines neu eingeprobten Stückes ein, um mir ihre Fortschritte zu zeigen. Das sind einige meiner persönlichen Lieblingsmomente im Projekt.
Andere Kinder sind eher am handwerklichen und experimentellen Unterricht interessiert. Wie man sieht: Jeder hat andere Interessen und für jeden ist etwas in Dorcas dabei.

Das, was man von den Kindern und Jugendlichen nicht direkt gesagt bekommt, was man sich aber über deren Worte erschließen kann, ist die Bedeutung von Dorcas für sie als Teilnehmer. Hier werden sie gesehen und ernst genommen. Hier werden sie geliebt, bekommen Aufmerksamkeit und Zuneigung. Hier fühlen sich die Kinder geborgen und sind gerne hier. Die Geschichten von Franciele, Kimberly und den Kindern zeigen, dass Dorcas nicht nur eine Bildungseinrichtung oder eine Tagesstätte ist, sondern ein Ort, an dem Talente entdeckt werden, sich Möglichkeiten ergeben, Fähigkeiten sich entfalten und positive Veränderungen in den Leben der Kinder und Jugendlichen entstehen.


Die Wohngegend der Kinder
Dorcas


Dorcas schafft eine unterstützende Umgebung, in der den Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten geboten werden, Liebe und Fürsorge nicht nur zu empfangen, sondern auch zu lernen sie weiterzugeben. Franciele, die selbst mit sieben Jahren als Kind zu Dorcas gekommen ist und jetzt als Lehrerin arbeitet und nun ihr Studium begonnen hat, erkennt die Bedeutung von Liebe und setzt sich mit Hingabe dafür ein, den Kindern zu helfen, diese zu erfahren und selbst liebevoll zu sein.
Auch Kimberly, die ihren Weg ähnlich wie Franciele gehen wird, ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie das Projekt Dorcas Kinder zeigt, Liebe zu erlernen und zu praktizieren. Durch ihre Teilnahme und ihrem Einsatz, trägt sie dazu bei, dass die Kinder verstehen, wie wichtig Liebe und Fürsorge sind. Sie selbst möchte viel über den Umgang mit Kindern lernen und ihren Teil dazu beitragen, dass sie eine bessere Zukunft haben.
Und im Hinblick auf die Worte von Astrid Lindgren: „Liebe kann man lernen. Und niemand lernt besser als Kinder. Wenn Kinder ohne Liebe aufwachsen, darf man sich nicht wundern, wenn sie selber lieblos werden“ spiegeln sich meine Worte wieder. Damit Kinder nicht lieblos werden, sondern ein erfülltes und liebevolles Leben führen können, schenkt Dorcas Liebe und ermutigt, diese auch an andere weiterzugeben.

Ich hoffe, euch haben die Interviews einen noch besseren Einblick von Dorcas gegeben. Was das Projekt ist, wofür es steht und was es vor allem den Menschen hier bedeutet, kann man kaum in Worte fassen.

Ich beim Verfassen dieses Blogeintrages in kurzer Fotosession mit Franciele, Fran und co.

Und mit diesem vierten Blogeintrag werde ich meinen Freiwilligendienst in Brasilien in ca. zwei Wochen beenden. Meine 11 Monate gehen zu Ende. Schon gehts für mich wieder zurück nach Hause, jetzt, wo ich gerade erst das Gefühl habe so richtig angekommen zu sein.

Ich schaue zurück auf meine Zeit hier, lese meinen ersten Blogeintrag, schaue mir Fotos an und erinnere mich an die ersten Wochen im Land.
Noch eine Woche zusammen mit meinen „Mitfreiwilligen“ im Vorbereitungsseminar, bevor es so richtig losgeht. Der Gedanke, dass alle anderen jeweils zu zweit in ihrem Projekt sind, hat mich total verunsichert. Ich war auf mich alleine gestellt. Zudem wohnte ich auch noch 600km (11 Stunden Autofahrt) weit weg von jeglichen Gesichtern, die ich kenne. Ich wurde, wie man so schön sagt „ins kalte Wasser geschmissen“. In Porto Alegre wurde ich in den Nachtbus gesetzt und alles was mir gesagt wurde: „An dem Busbahnhof Curitiba“ muss Du aussteigen und die Leiterin des Projektes „Darclê“ holt Dich ab.“ Kein Internet, kein Plan von der Sprache, kein Plan von gar nichts. Alle Unsicherheiten waren wie weggeblasen, als ich herzlich von Darclê begrüßt wurde.

Danach ging alles sehr schnell.
Ich habe Dorcas kennengelernt und viele neue Freunde im Projekt, aber auch außerhalb gefunden. Ich habe meine eigenen Aufgaben bekommen und war als Art Schulbegleiter für den kleinen Kalleb zuständig. Der Wahlkampf zwischen Lula und Bolsonaro fand statt und ich durfte die Fussball-WM in dem Fussball-Land Brasilien miterleben. Meine Portugiesisch-Sprachkenntnisse wurden immer besser. Ich durfte das Projekt „Lar Padilha“ meiner ZMÖ-Mitfreiwilligen Merle und Marc kennenlernen, und zusammen haben wir Weihnachten bei über 35°C gefeiert. Ich habe zusammen mit Freunden Karneval in Florianópolis gefeiert. Im neuen Schuljahr (welches im Januar begann) wurde mir das Vertrauen gegeben, selber Englisch- und Sportunterricht in Dorcas zu geben. Ich konnte viele Orte in Brasilien bereisen und habe viel gesehen: Porto Alegre, Florianópolis, Torres, Blumenau, die Wasserfälle in Foz do Iguaçu… doch so schön es dort auch war, zog es mich immer wieder zurück nach Curitiba, da ich hier eine Art zweites Zuhause gefunden habe. Hier bin ich von allen Orten in Brasilien am liebsten. Hier, in Curitiba und in Dorcas. Wenn es mir schlecht ging und ich tatsächlich mal keine Lust hatte zur Arbeit zu gehen, war die schlechte Laune sofort weg, sobald ich Dorcas betreten habe und die fröhlichen Gesichter der Kinder gesehen habe. Jetzt spreche ich die Landessprache, gebe selbst Unterricht und bin angekommen.

Das der Abschied schwer fallen wird, ist klar. All die Kontakte, von denen ich nun viele Freunde nennen kann, die ich im letzten Jahr fast täglich gesehen habe, werde ich zurück lassen. Der Abschied wird emotional und traurig, doch das ist auch gut so. Denn da, wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Im August kommt schon mein Nachfolger. Ich habe nicht das Gefühl, dass wenn ich weggehe und ein anderer Freiwilliger meine Stelle füllt, dass ich ausgetauscht werde. Ich bin froh für meinen Nachfolger, dass er auch die Erfahrungen machen darf, die ich in diesen 11 Monaten gemacht habe. Denn Dorcas ist so ein tolles Projekt, dass von Tag zu Tag wächst.
Auch für mich geht es weiter. Ein Jahr geht zu Ende, ein weiteres folgt. Ich freue mich natürlich auch auf meine Rückkehr nach Deutschland, um dort meinen eigenen Weg weiterzugehen.

Ich hoffe, meine Berichte haben einen guten Einblick von meiner Zeit und meiner Einsatzstelle in Brasilien gegeben.

Das wars von mir.

Ganz liebe Grüße, Euer Pelle

45 Jahre Lar Padilha – Geburtstag meines Projektes

Am vergangenen Montag feierte Lar Padilha – ABEFI sein 45-jähriges Bestehen!

Die Institution wurde am 10. April 1978 im Landesinneren Taquaras (RS) von Prof. Sebaldo Nornberg von der ABEFI – „Associação Beneficente Evangélica Floresta Imperial“ de Novo Hamburgo (RS) gegründet und ist zu einer staatlichen Referenz für die institutionelle Aufnahme von Kindern und Jugendlichen von 0 bis 18 Jahren geworden, aus Situationen des Risikos und / oder der sozialen Verwundbarkeit. In diesem Moment begrüßt es 79 Kinder und Jugendliche aus 17 Gemeinden im Bundesstaat Rio Grande do Sul.

In der Organisation erhalten sie Nahrung, Freizeit, Gesundheit, religiöse Ausbildung, psychologische Betreuung und Schutz gemäß dem Kinder- und Jugendstatut – ECA. Darüber hinaus fördert die Einrichtung spielerisch-pädagogische Workshops mit künstlerischen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten, sowie Schulbegleitung.

Jugendliche werden an Berufsausbildungskurse außerhalb von Lar Padilha verwiesen und durch das Legal Apprentice Programm in den Arbeitsmarkt integriert. Diejenigen, die das Alter der bürgerlichen Volljährigkeit erreichen und keine Bedingungen haben, um in das Familienleben zurückzukehren, werden an das Republik-Projekt verwiesen. Diese Initiative, die von der Institution selbst durchgeführt wird, bietet die Deckung von Kosten wie Miete, Strom und Internet für einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren, in denen sich mehrere junge Menschen ein Haus teilen, arbeiten, studieren und ihre Autonomie suchen. Während dieses Prozesses werden sie durch die Einrichtung überwacht.

Zu den wichtigsten realisierten Ergebnissen zählen der effektive Schutz von Kindern und Jugendlichen, die angesichts sozialer Risiken und Schwachstellen begrüßt werden, und die Stärkung der Familienbindungen, die der psychosoziale Dienst von Lar Padilha leistet, um die Rückkehr und eine bessere Beziehung zum Familienleben zu erreichen.

Bei einer Veranstaltung, im Zentrum von Taquara, feierte das Projekt seine 45-jährige Beständigkeit. Die Versammlung förderte musikalische Aufführungen, Zirkusaufführungen und verschiedene Ehrungen an ehemalige Gastgeber, ehemalige Mitarbeiter, Freiwillige, Spender und wichtige Partner beim Bau und Instandhaltung der Einrichtung. Es hatte auch die Beteiligung von Behörden und der Gemeinde im Allgemeinen, mit geschätzten 250 Personen.

Ein Blick über den Tellerrand

Jetzt sitze ich hier bei mir Zuhause am Schreibtisch und versuche einen gelungenen Start in den Blogeintrag zu finden. Drei Monate sind vergangen, seitdem ich etwas von mir habe hören lassen, und wie immer ist sehr viel passiert. Es gibt viele Änderungen und Neuigkeiten. In diesem Blogeintrag werde ich ein bisschen von meinen letzten Monaten erzählen und noch einmal genauer auf mein Projekt eingehen. Viel Spaß beim Lesen 🙂

Erfolgreicher Flomarktbesuch mit Hanna!

2023 ist da und das neue Jahr beginnt. In Brasilien ist es Hochsommer, für die Schulen geht es in die Sommerferien und das Projekt Dorcas legt auch eine Pause ein, und somit konnte Ich meinen Urlaub starten. Von Weihnachten und Silvester habe ich ja schon berichtet. Im Januar habe ich nicht nur von einigen meiner Mitfreiwilligen in Curitiba Besuch bekommen, sondern bin auch selbst noch einmal in den Süden, Richtung Porto Alegre gefahren. Dort gab es ein großes Wiedersehen mit: Hanna! die Freundin meines Bruders, die auch über das Zentrum für Mission und Ökumene als Stipendiatin im Programm für Gender und Religion an der theologischen Fakultät der Lutheranischen Kirche für 6 Monate in Brasilien arbeiten wird. Somit war ein kleines Stück Familie im Land und ich konnte ihr ein bisschen beim Einleben in Brasilien helfen.

Anfang Februar ging es für mich dann zurück nach Curitiba, denn es heißt: Umbau im Projekt Dorcas! Wir hatten drei Wochen Zeit, bevor die Kinder zurückkommen und der Alltag wieder startet. Es stand viel Arbeit auf dem Plan, denn 2023 werden ca. 40 neue Kinder im Projekt dazukommen und die Alterspanne wird von 5-18 auf 4-18 erweitert: Neue Türen wurden eingebaut, neue Möbel besorgt, alles bis auf jeden Staubkrümel sauber gemacht, neue Stundenpläne erstellt, der Spielplatz mit neuen Spielgeräten erweitert, neue Materialien wie Musikinstrumente, Bücher, Schreib- und Bastelsachen oder Spiele besorgt. Vor allem (unter anderem meine Hauptaufgabe in dieser Zeit) mussten alle Böden und die Wände gestrichen werden. Bei dem großen Gebäude keine schnell erledigte Aufgabe…

Außerdem gibt es nun neue Lehrkräfte im Team, wie unter anderem einen Missionar, der von nun an die Andachten übernehmen wird, oder auch zwei Musiklehrerinnen, die den Chor übernehmen. Schritt für Schritt hat sich sehr vieles verändert – man erkennt unser Dorcas kaum wieder.
Auch für mich gibt es neue Aufgaben und super Neuigkeiten! Nach meiner Ankunft im August 2022 wurde sich nach meinen Stärken und Erfahrungen mit Kindern erkundigt. Da ich ja vor meinem Freiwilligendienst für ca. 10 Monate als Schulbegleiter in der Elbschule (BZ Hören und Kommunikation) gearbeitet habe, konnte ich diese Form der Arbeit hier mehr oder weniger weiter führen. Mir wurde der fünf-jährige kleine Kalleb mit mehreren Auffälligkeiten und Förderschwerpunkten und fast keiner Sprache als 1:1 Betreuung zugeteilt. Meine Arbeit als Schulbegleiter ging somit für das erste halbe Jahr weiter. Kalleb musste ich auch erst einmal lieben lernen…

Kalleb und ich im „Team Gelb“
Sportunterricht mit den kleinen

Nach einigen Gesprächen mit den Koordinatorinnen darf ich mit meinen jetzigen Sprachkenntnissen den Sportunterricht vorerst alleine übernehmen, bis jemand gefunden wird, der diesen auch weiter übernehmen kann, wenn ich nicht mehr da bin. Außerdem ist ein sehr gefragtes Thema der älteren Kindern ein Englischkurs. Das der zustande kommt, dafür konnte ich mich jetzt endlich durchsetzen. Schon im letzten Jahr habe ich des öfteren einigen Kindern und Jugendlichen nach Ende des Projektes, Einzelstunden gegeben, da Stunden für einen normalen Unterricht nicht mehr in den Stundenplan gepasst haben. Jetzt darf ich immerhin einmal die Woche für die Ältesten im Projekt Englischstunden geben! Für mich bedeutet dies sehr viel, nicht nur weil ich somit im Projekt intensiver mitwirken kann, sondern auch weil dies ein unglaublicher Vertrauensbeweis ist. Klar, ich habe beispielsweise schon verschiedene Powerpoint-Präsentationen für meine Chefin erstellt, mit denen Spender für das Projekt gewonnen werden sollen, aber dass ich individuell und allein unterrichten darf und mir Platz im Stundenplan gegeben wird, bedeutet mir noch viel mehr.

Die Vorbereitungswochen endeten mit einigen „Pädagogischen Tagen“:
Zunächst hatten wir einige Seminartage im Dorcas, an denen Ideen für das kommende Jahr gesammelt wurden, neue Mitwirkende vorgestellt wurden und das Team noch mehr zusammenwachsen konnte.
Eine Woche später: Zwischenseminar in Curitiba für alle Freiwilligen aus Deutschland! Großes Wiedersehen mit meinen Mitfreiwilligen und unserer Mentorin Simone. Fünf Tage Zusammensein, Erlebnisse auszutauschen, Projekte gegenseitig vorstellen. Auch in dieser Gruppe sind wir noch einmal fester zusammengewachsen. Es ist schön zu wissen, dass wir alle ähnliche Erfahrungen erleben und wissen, dass jeder für den anderen auch in schweren Zeiten füreinander da sein kann – auch wenn man 11 Stunden Autofahrt von einander weg wohnt. Eine Gewisse Verbundenheit ist und wird immer zwischen uns sein.

Volleyball-Pause
Besuch im Projekt Dorcas

In meinem ersten Blogeintrag habe ich mein Projekt, den Unterricht, sowie Teile meiner Aufgaben vorgestellt. Das möchte ich jetzt nochmal ein bisschen ausbauen. Denn, was macht Dorcas aus? Ein Sozialprojekt mit so vielen verschiedenen Facetten.

In den letzten Wochen nach dem Jahresstart ist noch einmal so viel passiert und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll…

Es war ein Tag wie jeder andere. Ich werde von meiner Projektleiterin Darclê morgens abgeholt und wir fahren gemeinsam zum Projekt.
Dort angekommen, erzählt sie mir den Plan für den Tag: heute darf ich das Bonfim/Favela (die Wohngegend der Kinder und Jugendlichen im Projekt) kennenlernen. Ein Erlebnis, auf das ich schon seit meiner Ankunft in Brasilien gewartet habe und nun im Nachhinein bin ich froh, dass es für mich jetzt erst dort hin ging. Die Lebensumstände mit eigenen Augen zu sehen ist natürlich schon eine gewaltige Erfahrung. Dadurch, dass ich die gesamte Zeit über im Projekt mit so vielen Kindern, Jugendlichen und vor allem Mitarbeitern, die im Dorcas teilnehmen und arbeiten, so eine persönliche und enge Beziehung aufgebaut habe, war diese Erfahrung noch einmal schwieriger. Gesehen zu haben, wie diese Menschen in dieser vermüllten, kaputten und heruntergekommenen Gegend aufwachsen und leben hat mir meine Augen noch einmal mehr geöffnet und die Bedeutung und das Grundprinzip vom Projekt Dorcas deutlich gemacht. Dorcas ist nicht nur ein Projekt, oder ein Ort für die Kinder und Jugendlichen, an dem sie erweiterte Lernangebote bekommen und für einen kurzen Zeitraum betreut werden. Oft kommt ja auch die Frage auf, ob solche Sozialprojekte in Ländern, wie Brasilien überhaupt etwas bringen. Dorcas ist der Hoffnungsträger. Eine Oase, ein Paradies um für drei bis vier Stunden am Tag aus dem normalen Alltag und von Zuhause wegzukommen. Hier bekommen die Kinder und Jugendlichen eine warme Mahlzeit, haben Kontakt zu anderen Kindern, bekommen verschiedene Lernangebote und bekommen die Chance auf ein besseres Leben. Jeder Tag im Projekt ist ein Erfolg. Wie glücklich die Kinder im Projekt ankommen, öffnet mir jedes mal aufs neue das Herz.

Ich muss zugeben, dass ich auch wirklich verunsichert und etwas ängstlich die Gegend des Bonfim´s betreten habe. Doch sobald die ersten Begegnungen mit den Bewohnern und Familien zustande kamen und man sich unterhalten hat, habe ich gemerkt, wie sicher ich mich auf einmal gefühlt habe. Gerade mit der Chefin von Dorcas Darclê an meiner Seite. Sie wirkte wie ein Engel. So viel Dankbarkeit und Respekt der Menschen, denen wir begegnet sind, habe ich noch nie gesehen.

Auch außerhalb von der Betreuung, Unterstützung und Förderungen von den ca. 280 Kindern und Jugendlichen unterstützt Dorcas um die 500 Familien, die im Bonfim leben. Gerade in der Corona-Zeit war es wichtig, Unterstützung zu zeigen und da zu sein. Durch Covid stiegen die Lebensmittelpreise, die Menschen hatten Angst vor dem unbekannten Virus und das Projekt musste vorübergehend schließen. Die Familien waren in ihren winzigen Wohnraum eingesperrt. Wöchentlich wurden von dem Dorcas-Team Lunchpakete mit Reis, Bohnen, Mehl, Milch, Zucker, Salz und weiteren Lebensmittel ausgetragen.

Einen Moment den ich nicht mehr vergessen werde: Durch die Führung durchs Bonfim erreichen wir eine kleine Grasfläche mit zwei Fussballtoren. Hinter uns kommt ein Junge (ca.16 J.) mit einem selbstgebauten Flugdrachen mit einer Schnur in der Hand, den er dann auf dem Fussballplatz steigen lässt. Schnell schossen mir viele Gedanken und Erinnerungen an meine Kindheit in den Kopf und ich musste realisieren, in welcher privilegierten Welt ich aufwachsen durfte, welche Hobbys ich als Kind ausprobieren und ausüben durfte. Welche Standards für uns normal sind oder welche Alltagsprobleme uns treffen, sind nicht vergleichbar. Mit den Erfahrungen, die ich durch diesen Freiwilligendienst und vor allem durch die Führung durch das Bonfim erleben durfte, habe ich so viel Respekt für jeden Einzelnen und versuche mich mit meinem Wissen und meinen Skills so gut wie möglich einzubringen.

In meinem ersten Blogeintrag habe ich Dorcas folgend definiert: „Dorcas ist ein Sozialprojekt mit dem Ziel der sozialen Entwicklung, um die Lebensqualität der Kindern und Jugendlichen im Projekt zu fördern“.

Ich möchte gerne noch ein paar aktuelle, sowie ehemalige Teilnehmer vom Projekt Dorcas genauer vorstellen, um auch langfristige Erfolge zu zeigen. Dazu werde ich in den nächsten Wochen ein paar Interviews führen und diese dann für den nächsten Blogeintrag für euch übersetzen und vorstellen.

Bis dahin wünsche ich euch frohe Ostern und von nun an etwas wärmeres Wetter 🙂 Bei mir wirds nun wieder kälter!

Ganz Liebe Grüße aus Brasilien, Euer Pelle

„Noitada Cultural“

Im Dezember durfte ich bei einer besonderen Veranstaltung hier in meinem Projekt mitwirken. Der 24. „Noitada Cultural“ von Padilha. Die Veranstaltung am Samstag des 17.12. war ein Abend voller Vorführungen, über Zirkus, Theater, Musik, Tanz und mehr. Die Noitada ist jedes Jahr eine Art Jahresabschluss, denn danach haben alle Kinder Ferien und der Sommer beginnt.

In den Wochen vor diesem Event war die Aufregung und Vorfreude groß, denn es wurden Familien und Freunde der Kinder aus Padilha und der ganzen Umgebung erwartet. Ich verbrachte besonders viel Zeit im Lar bei der Arbeit.

In den Monaten seit meiner Ankunft nehme ich an dem Theaterworkshop teil, in dem viele Jugendliche Theaterszenen und Kunststücke einübten.
Genauso bereitete sich die Projektband vor, die ich seit Beginn als Keyboarderin unterstütze. Für unsere Band „Dog John“ standen an der Noitada fünf Lieder auf dem Programm. Darunter der englische Popsong „Watermelon Sugar High“ und der brasilianische Klassiker „Ana Julia“, aber auch ein deutsches Lied!
Denn ich habe den Bandmitgliedern eine meiner Lieblings-deutschen-Bands vorgestellt: Madsen. Von dem Lied Sirenen waren sie begeistert. Nicht nur der Text, den ich ihnen übersetzt habe, ist kritisch und aktuell, sondern auch der Band Teil war eine großartige Herausforderung für sowohl unseren Drummer als auch den Gitarristen. Ich habe den deutschen Solistenpart übernommen.

Schon lange habe ich darüber nachgedacht ein Chorprojekt hier in Padilha zu starten, da ich in Deutschland lange Zeit Chorleitung in meiner Kirchengemeinde war und ich eine Riesenfreude am gemeinsamen Singen habe. Anfangs habe ich dies jedoch stetig aufgeschoben, da ich mich mit meinen portugiesisch-Sprachkenntnisse noch nicht bereit fühlte allein einen Chor anzuleiten.

Der Plan, gemeinsam „Aleluja“ singen. Ich habe mich regelmäßig mit der Gruppe und den zwei Solisten zum Üben getroffen um aus dem Lied eine englisch/ portugiesische Version zu machen.

Es war eine echte Herausforderung für mich mit 20 Jugendlichen, die wenig bis keine Gesangserfahrung hatten auf Portugiesisch zu proben und zu singen, doch es war eine großartige Erfahrung und ich bin ein wenig stolz auf meinen Padilha-Chor.

Ich habe mich regelmäßig mit der Gruppe und den zwei Solisten zum Üben getroffen um aus dem Lied eine englisch/ portugiesische Version zu machen.

Auch die kleineren Kinder des Projektes haben mitgemacht. Ich habe einem Erzieher in den letzten Wochen dabei geholfen Klavier und Gitarrenstunden zu geben und so haben wir zusammen viele kleine Musikeinlagen einstudiert. Kurze Klavierstücke begleitet von Gitarren, Flötensolos, die manchmal auch von mir auf der Ukulele unterstützt wurden. Außerdem sangen die Kleinen portugiesische Kinderlieder, wie „Peixe Vivo“ oder „A Dona Aranha“.

Der Kulturabend startete gegen 18 Uhr und die Vorführungen endetet gegen halb 11. Für die Gäste wurde im Laufe des Abends frische Pastels aus unserer Küche gereicht. Außerdem wurden Plätzchen, die ich mit den Jugendlichen und meiner Kollegin Raniela am vorigen Tag nach deutschem Rezept meiner Oma gebacken hatte, verteilt.

An diesem Abend wurde viel gelacht, es wurde gezittert und auch die ein oder andere Freudenträne floss. Für mich und sicherlich viele andere war und ist es ein unvergesslicher Tag.

„Bem vindos a Padilha”

Gefühlt bin ich gerade erst in Brasilien angekommen und doch muss ich feststellen, dass bereits die ersten 2 Monate hier vergangen sind! Ich möchte euch also gerne einen kleinen Rückblick von meiner Ankunft hier in Brasilien geben.

Am Freitag, dem 12. August, war es auf einmal so weit: Es geht nach Brasilien. Endlich! Die letzten Wochen vor der Ausreise waren für mich eine echte Zitterpartie. Bis drei Tage vor der Ausreise ließ das Visum auf sich warten. So fiel mir am Dienstag ein riesiger Stein vom Herzen, als die Postbotin mir einen Brief aus Berlin in die Hand drückte, mit den Worten: Es ist endlich da! Denn ja, auch sie wusste schon Bescheid, nachdem ich die letzten Tage immer gebannt auf den Postwagen gewartet hatte.

Der Flug startete um 22 Uhr ab Frankfurt. Innerhalb von 12 Stunden brachte er mich, meine ZMÖ-Freiwilligen Marc und Pelle, und 5 andere Freiwillige aus Deutschland, mit einem Zwischenstopp in São Paulo, nach Porto Alegre. Dort wurden wir von unserer Mentorin Simone Engel Voigt abgeholt, mit der wir nach einer herzlichen Begrüßung in die nahegelegene Stadt São Leopoldo fuhren. Die erste Woche hier in Brasilien lebten wir auf dem Gelände der Faculdades EST. Wir haben dort an verschiedenen Seminaren teilgenommen, unsere ersten Erfahrungen in der brasilianischen Küche gesammelt und nicht nur die Stadt São Leopoldo, sondern auch Porto Alegre und Novo Hamburgo besucht. In Brasilien wird, im Gegensatz zum Rest von Südamerika, brasilianisches Portugiesisch gesprochen. An der EST bekamen wir an fünf Tagen der Einstiegswoche jeden Morgen vier Stunden Sprachunterricht. Wir Acht haben gemeinsam viele erste Eindrücke in Brasilien gesammelt.

Nach sieben Tagen hieß es jedoch Abschied nehmen, denn es sollte nun endlich zu unseren Arbeitsstellen gehen: Das Projekt „Lar Padilha“ ist ein Heim für Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17 Jahren, die aufgrund von Problemen in ihren Familien dort zeitweise oder dauerhaft ein neues Zuhause finden.

Mein Projektleiter Fernandes holt uns also an diesem Montagmittag von einem Treffpunkt in Novo Hamburgo ab, gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund Jefferson oder wie wir ihn nun nennen – Mano. Er ermöglicht uns als Dolmetscher ein wenig mehr Austausch. Die darauffolgende 1½-stündige Autofahrt sollte mich in eine komplett neue Welt bringen. Nach einer Stunde verlassen wir die Hauptstraße und der Untergrund verändert sich. Die bis eben noch asphaltierte Straße wechselt zu einem unbefestigten Weg. Fernandes grinst und kommentiert: „Welcome to the jungle“. Recht soll er damit behalten. Ab diesem Zeitpunkt komme ich nicht so richtig aus dem Staunen heraus. Mit fast schon offenem Mund bestaune ich die wunderschöne Landschaft, die einen absoluten Gegensatz zur bisher bebauten Stadt darstellt, durch die wir fuhren. Während der Fahrt ins Tal über eine sich schlängelnde Straßen geht mir der Gedanke durch den Kopf – wie lang kann diese Straße noch gehen? Doch nach einer knappen halben Stunde fahren wir durch einen Holzbogen, der mir vertraut durch Bilder ist, mit der Aufschrift „Bem vindos a Padilha – Lugar de lazer tradição e natureza“.

Daraufhin folgten unbeschreiblich viele Eindrücke auf einen Schlag. Mano gab uns eine schnelle Führung durch das gesamte Projekt. Jedes Haus und damit viele erste Begegnungen mit Kindern, Jugendlichen und Leitern. Wir wurden sozusagen direkt ins kalte Wasser geschmissen und all das hat mich persönlich in dem Moment ein wenig überfordert. Um direkt einige der Kinder kennenzulernen, haben wir am ersten Abend am Abendessen teilgenommen und uns dort dann auch bei vielen vorgestellt.

Dieser Tag war eine Achterbahnfahrt der Gefühle.  Am Abend bin ich mit super vielen neuen Eindrücken ins Bett gefallen, die ich erstmal verarbeiten musste. Der kleine Abschiedsschmerz von den anderen Mitfreiwilligen am Morgen (die mir in der einen gemeinsamen Woche doch sehr ans Herz gewachsen sind!), die neuen Bekanntschaften und die Ankunft in dem unbekannten Ort Padilha mit all den ebenfalls unbekannten Menschen. In mir breitet sich jedoch das Gefühl absoluter Vorfreude aus, auf all das, was mich in den nächsten 11 Monate hier noch erwarten wird!

Liebe Grüße aus Brasilien,

Merle Siebels

Wahlkampf, WM, und Weihnachten in Brasilien

Dezember – Bei 34° C schmücken wir in der Halbzeit Brasilien – Kroatien der Fußballweltmeisterschaft den Weihnachtsbaum aus Plastik. Klingt komisch, ist aber wahr. Mehr als zwei Monate sind seit dem letzten Blogeintrag vergangen, und es ist mal wieder sehr viel passiert. Fangen wir an:

Zum Ersten: ich wohne jetzt nicht nur noch mit meinem Mitbewohner Alex zusammen, sondern auch noch mit Siri und Helga, zwei Freiwillige aus Norwegen, die insgesamt sechs Monate hier sein werden. Sie arbeiten zwei Tage in der Woche ebenfalls im Projekt Dorcas, sind aber auch in anderen sozialen Projekten im Umfeld aktiv.

Einkaufstour mit Freunden

Brasilien hat einen neuen Präsidenten gewählt. Im engen Wahlkampffinale, welches sich zwischen Lula da Silva und Jair Bolsonaro abgespielt hat, konnte Lula nach Neuwahlen die Stichwahl mit 50,9 % der Stimmen für sich entscheiden. In den folgenden Tage nach den Wahlen war es im Land teilweise sehr gewalttätig, dass uns sogar davon abgeraten wurde, auf die Straße zu gehen, da es unsicher sein könnte. Einige Läden haben beschlossen, vorübergehend zu schließen, Universitäten haben ihren Unterricht online weitergeführt, und viele Kinder des Projektes Dorcas sind zuhause geblieben. Keine Sorge, mir ist nichts passiert und in der Gegend, in der ich wohne, hat man die Auswirkungen auch kaum gemerkt. Anders als in Deutschland positionieren sich sehr viele lautstark für ihre politische Meinung. Auf den Straßen werden Sticker der Parteien verteilt und teilweise Souvenirs mit den Gesichtern von Lula oder Bolsonaro verkauft. Selbst die Kinder im Projekt zeigen immer wieder durch Handzeichen, Sticker oder Äußerungen ihre „politische“ Meinung. Nachdem Bolsonaro immer wieder auf Veranstaltungen das berühmte gelbe Fußballtrikot der brasilianischen Nationalmannschaft anzog, wurde es immer mehr zur politischen Uniform und als Unterstützung für den ehemaligen Präsidenten angesehen. Mit der Fußball-WM vor der Tür verkaufte sich das blaue Auswärtstrikot der brasilianischen Nationalmannschaft aufgrund der politischen Situation erstmals besser als das Gelbe. Für viele ist es eine große Diskussion, wie das Tragen des Trikots gedeutet wird.

Wanderung in der Nähe Curitibas

Im November gab es dann Besuch von anderen Freiwilligen Jonna, Olivia, Merle und Marc. Zusammen haben wir sämtliche Museen besucht, sind Bowlen gegangen (ich habe selbstverständlich gewonnen) und waren in verschieden botanischen Gärten. Außerdem waren wir auch in den Bergen in der Nähe Curitibas wandern. Zu unserem Glück zog der sonst so bedeckte Himmel auf, sodass wir sehr weit gucken konnten. Der Tag danach: normales Curitiba-Wetter mit sehr viel Regen.

In vielen Ländern wurde die Fußballweltmeisterschaft in Qatar sehr kritisch bewertet. Gerade in Deutschland gab es sehr viel Boykott und Diskussionen, wie diese WM zu betrachten ist. In Brasilien hingegen wäre das gar nicht möglich gewesen. Überall war Fußballstimmung angesagt. Man kam quasi gar nicht drum herum. Brasilien wird von vielen als das „Fußballland“ definiert. Die Brasilianer leben den Fußball, wie kein Zweiter. Ständig wurde man Gucken eingeladen; als Deutschland rausgeflogen ist, gab es etwas zum Lachen und Diskutieren; Erinnerung ans historische 7:1 in der WM 2014; gute Laune bei Torfestivals, wie beim 4:1 Sieg zwischen Brasilien gegen Südkorea; Mitfiebern im letzten Spiel gegen Kroatien. Leider kam Brasilien nicht weiter als ins Viertelfinale, einen guten Eindruck habe ich aber trotzdem bekommen, und kann bestätigen, dass Fußball hier viel mehr bedeutet, als nur ein Sport, der gespielt wird. Fußball gibt den Menschen etwas zum Zusammenkommen und verdrängt Probleme, wie die politische Spaltung des Landes. Außerdem spürt jeder Spaß, Freude und Hoffnung, vor allem aber der Gedanke daran, dass Brasilien als etwas Besonderes anerkannt wird. Eine Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde.

Fussball gucken mit Freunden

Im Dezember gab es dann schließlich die ersten Weihnachtsvorbereitungen. Im Projekt wurde es weihnachtlich, zwei Tannenbäume wurden geschmückt, ich habe mit den Kindern Kekse gebacken, und es wurden Weihnachtslieder auf den Instrumenten geübt und eingeprobt für die letzte große Aufführung im Jahr. Im Projekt Dorcas gibt es alle zwei Monate einen Basar, der in der großen Halle aufgebaut wird. Dieser besteht aus gespendeten Kleidern und Spielzeug. Wenn die Kinder des Projektes im Unterricht gut mitmachen, können sie sich „denários“ (Spielgeld) verdienen und das Verdiente dann beim Basar ausgeben. Natürlich kann es bei schlechtem Verhalten oder Stören auch Abzug geben. Das System wird somit als Motivation für die Kinder genutzt, mit dem Ziel, dass sie im Unterricht gut mitmachen und aufpassen.
Viele der Familien der Kinder feiern aus verschiedenen Gründen kein Weihnachten. Deswegen gab es im Projekt eine vorgezogene Weihnachtsfeier am 09. Dezember. Das Spielzeug, das beim letzten Basar nicht „verkauft“ wurde, haben wir dann in Geschenkpapier verpackt und hatten am Ende für jedes der ca. 150 Kinder ein Geschenk zum Verschenken. Für die Weihnachtsfeier hat das Projekt Trampoline, Hüpfburgen und sogar einen Pool gemietet. Für die Kinder bei 33° eine gute Abkühlung. Ich habe unter anderem ein Tischkicker- sowie ein Tischtennisturnier organisiert. Mittags gab es ein gemeinsames Public-Viewing des Fußballspiels Brasilien gegen Kroatien und Hot-Dog essen. Die Niederlage und das Ausscheiden waren für die Kinder zum Glück von kleiner Bedeutung, denn der Tag war zu schön um ihn mit schlechter Laune zu verbringen. Am Nachmittag gab es dann endlich Bescherung und sogar einen Weihnachtsmann – für die Kleinen ein sehr großes Erlebnis. Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Projekts gab es ebenfalls noch eine Weihnachtsfeier bei Projektleiterin Darclê im Garten. Es gab laute Musik zum Tanzen, Churrasco (viel Fleisch mit langen Spießen über hoher Hitze grillen), und gute Laune. Außerdem hat jeder ein Geschenk mitgebracht, das dann mit Bingo-Spielen verlost wurde. Ich habe zwei Tassen und eine Bauchtasche bekommen. Gemeinsam mit Duda (eine Freundin von mir, die auch bei Dorcas arbeitet) und den beiden Norwegerinnen haben wir Plätzchen nach dem Rezept von „Backen mit der Maus“ für alle vorbereitet, verziert und verteilt.

Weihnachtsvorbereitungen
Die Abkühlung bei der Weihnachtsfeier im Projekt

Die Weihnachtstage habe ich bei Merle und Marc verbracht und durfte das Projekt „Lar Padilha“ kennenlernen. Bei über 30° C haben wir Weihnachten gefeiert und hatten es sehr schön. Kekse wurden gebacken und verziert, Weihnachtsfilme wie der kleine Lord wurden geschaut und die Weihnachtsgeschichte mit der Musik von Carl Orff durfte auch nicht fehlen. Am Heiligabend haben wir einen Ausflug zu einem atemberaubendem Wasserfall gemacht. Um dort hinzukommen mussten wir gute zwei Stunden durch einen teilweise sehr tiefen Fluss waten, der Aufwand hat sich aber sehr gelohnt. Weihnachten mal anders. Abends gab es noch ein großes Weihnachtsessen im Projekt mit allen Kindern und Mitarbeitern.

Weihnachten mal anders

Silvester feiern wir dann gemeinsam mit noch viel mehr Freunden in Florianópolis am Strand. Frohe Weihnachten nachträglich und einen guten Rutsch ins neue Jahr und freue mich schon darauf, mehr zu berichten!

Ganz liebe Grüße aus Brasilien, euer Pelle!

Die ersten Eindrücke – Brasilien

In diesem Bericht werde ich ein Update geben, wie es mir nach ungefähr drei Monaten in Brasilien geht. Vor allem werde ich über meine Erlebnisse neben der Arbeit sprechen. Was kann man eigentlich alles in Brasilien unternehmen? Wie ergeht es mir hier in der Natur?

Ankunft

Die Ankunft habe ich noch genau im Kopf. Das erste was ich in Brasilien wahrgenommen habe, war die unmittelbare fremde Natur, welche genau neben dem Flughafen in São Paulo zu sehen war. Die erste Woche an der Faculdade „Est“ fühlte sich noch so an, als würde man nur ein Tourist sein und nach ein

paar Wochen oder Tagen gehen. Es war ein ungewöhntes Gefühl zu wissen, dass ich hier die nächsten 11 Monate verbringen werde.

Ich wurde quasi von neuen Eindrücken erschlagen. Das neue Klima, eine neue Sprache, anderes Essen, andere Gewohnheiten, neue Menschen und und und… In Padilha angekommen, haben diese Eindrücke auch kein Ende genommen. Wir wurden von Mano direkt ins kalte Wasser geworfen, und haben uns auf dem gesamten Gelände vorgestellt und die Häuser kennengelernt. Der Tag hat mit einem kleinen Gefühl von Überforderung geendet und mit Vorfreude auf die kommenden Aufgaben.

Freizeit

Für viele mag es vielleicht langweilig klingen, aber mir gefällt es sehr die Natur hier genießen zu können. Mit Mano waren wir schon bei lokalen Wasserfällen, welche hier in der nähe sind und zu Fuß erreichbar sind. An manchen Tagen gehen wir außerdem mit den Kindern spazieren. Oft treffen wir uns auch einfach mit Mitarbeitern, um zusammen zu kochen und dabei deutsche sowie brasilianische Rezepte austauschen zu können. Am besten gefällt mir das sogenannte „Churrasco“. In Brasilien ist das eine Art zu grillen. Dabei werden große Stücke Fleisch aufgespießt und anschließend über dem Feuer gegart. Dazu gibt es ebenfalls Würstchen und oft selbstgemachtes Knobibrot. Das Fleisch wird dann auf einen großen Teller gegeben und verteilt als eine „Art“ Snack. An manchen Tagen haben wir die Möglichkeit in die Stadt zu kommen, sofern sich eine Mitfahrgelegenheit bietet. Der Bus fährt hier leider nur zweimal am Tag. Am Wochenende sind wir bereits mit Mano in eine Rock Bar gefahren, wobei ich das erste mal die bekanntesten Lieder kennengelernt habe. Ansonsten macht es einfach Spaß sich Abends zusammen setzen und Chimarrao, einen Tee, zu trinken. Gastfreundlichkeit wird in Brasilien auf jeden Fall sehr wertgeschätzt. Oft ist der erste Satz: „Minha casa e sua casa“, also „Mein Haus ist dein Haus.“ Ein richtiges Highlight waren die Festspiele die wir gespielt haben. Hier wird es Gincarna genannt. Auf diesem Turnier gibt es verschiedene Spiele, wofür es Punkte gibt. Das Team, welches am Meisten Punkte hat, hat gewonnen. Mir gefällt es hier sehr und momentan steht ein Stadionbesuch von „International“ in Planung, worauf ich bereits mit großer Vorfreude hinblicke. Ich genieße es sehr.

Brasilien, hier bin ich!

„Wann ich nach Brasilien gehe? Das dauert noch ein bisschen…“ war bis drei Tage vor Ausreise meine Antwort auf die Frage, wann es denn endlich für mich los gehen soll. Kurze Zeit darauf saß ich im Flieger nach São Paulo und habe eigentlich erst dann realisiert, dass es jetzt ja wirklich los geht. Und siehe da: Kaum bin ich hier, sind schon eineinhalb Monate vorbei. Es ist sehr viel passiert und die Zeit rast. Deswegen ist es auch mal Zeit, mal von mir hören zu lassen, um die ersten Erlebnisse zu teilen – viel Spaß beim Lesen 🙂 .

Mit Pink Floyd auf dem Ohr heben wir ab. Die Kopfhörer habe ich jedoch 5 Minuten nach dem Abheben aber wieder raus genommen, da ich wegen des lauten Dröhnens im Flugzeug sowieso kaum etwas von der Musik gehört habe. Nun wird mir zum ersten Mal wirklich klar: Jetzt gehts ja tatsächlich los… Eigentlich dachte ich, ich wäre schon geübt, über längere Zeit wegzufahren, da ich ja schon ein Auslandsjahr in Irland hinter mir habe. Doch dieses Jahr wird komplett anders. Ich bin so ziemlich das erste Mal auf mich alleine gestellt. Ich habe eine eigene Wohnung, muss selber einkaufen, kochen, waschen und verlasse offiziell „Hotel Mama“.

Vom Flughafen Frankfurt gehts über São Paulo nach Porto Alegre. Im Flugzeug sitzen nicht nur meine ZMÖ-Mitfreiwilligen Merle und Marc und ich, sondern auch noch Franzi, Jeelka, Jonna, Olivia und Leander, 5 weitere Freiwillige, die wie wir einen Freiwilligendienst in Brasilien machen werden. Endlich angekommen werden wir jetzt als „große Gruppe“ freundlich von unser Mentorin Simone am Flughafen in Empfang genommen und zur Studenteneinrichtung Faculdades EST gebracht, wo wir gemeinsam die erste Woche das Einführungsseminar verbringen. Jeden Morgen von 08:00 — 12:00 gibt es Portugiesisch-Unterricht; São Leopoldo, Novo Hamburgo und Porto Alegre wurden besichtigt (die Städte der Einsatzstellen der anderen Freiwilligen); uns wurde viel neues Essen gezeigt und wie man Chimarrão trinkt (koffeinhaltiges Warmgetränk, das man aus einem Holzbecher trinkt, die meisten kennen es als „Mate“); die Gruppe schweißt zusammen – der Gedanke, dass ich der Einzige bin, der wirklich weit weg von den anderen Freiwilligen wohnen wird, verunsichert mich ein bisschen. Die gute Nachricht: Ich fahre das erste mal in einem Nachtbus – mit eigenem „Liegesofa“ – und ja, ich habe reingepasst! Die Fahrt war so angenehm, dass ich fast die gesamten 12 Stunden nach Curitiba durchgeschlafen habe.

Mit einem abraço werde ich von der Projektleiterin und meiner neuen Zweit-Mama Darclê begrüßt. Wir verstehen uns ab Minute eins. Eine Person, die mir jetzt schon sehr ans Herz gewachsen ist. Sie spricht super gut Deutsch, was für die ersten Tage und Wochen sehr nützlich ist. Wie sie ständig sagt „passt die Chemie“ zwischen uns.

Dorcas ist ein Sozialprojekt mit dem Ziel der sozialen Entwicklung, um die Lebensqualität der Kindern und Jugendlichen im Projekt zu fördern. Es werden die verschiedensten Kurse angeboten, vergleichbar mit dem normalen Schulunterricht in Deutschland. Insgesamt gibt es ca. 180 5 –18 Jährige im Projekt, die als Vormittags- und Nachmittagsgruppe aufgeteilt sind. Die Gruppen wechseln Halbtags beim Mittagessen. Es gibt immer Reis mit schwarzen Bohnen (Nationalgericht Brasiliens) mit Salat und meistens einem Fleischgericht — immer super lecker. Mit den jüngeren Kindern wird gebastelt, gemalt, gespielt, sowie Schreiben und Lesen gelernt. Den Älteren werden Kurse wie Erdkunde, Informatik (Computerunterricht), Roboter und Technikunterricht oder „Zukunftsplanung“ angeboten.
Wir gehen alles Nötige einkaufen, wie Sim-Karte und Obst (schmeckt 1000x besser hier!) und sie zeigt mir mein Zuhause für die nächsten 11 Monate. Ich wohne in einem Studentenwohnheim einer Theologieuniversität und habe alles was ich brauche – ein gemütliches Zimmer mit weitem Ausblick, ein eigenes Badezimmer mit Dusche, einen Supermarkt der so ziemlich alles hat und eine Küche, die ich mir mit meinem Zimmernachbarn Alex teile.
Am Tag nach meiner Ankunft in Curitiba lerne ich direkt meine Einsatzstelle „Projecto Dorcas“ kennen. Der Tag beginnt generell damit, dass die Kinder und Jugendlichen im größten Raum mit einigen Worten und einem Gebet begrüßt werden, bevor es in den Unterricht geht. Dort stelle ich mich vor: „Ich bin Pelle aus Deutschland – Hamburg, ich bin 20 Jahre alt, ich spreche ein bisschen portugiesisch, werde für 1 Jahr hier arbeiten und bin sehr groß.“ Die Frage, wie groß denn genau wird am selben Tag noch schnell mit drei unterschiedlichen Maßbändern geklärt – zu meinem Bedauern weiß ich es jetzt offiziell und muss zugeben: 2,01m.
Die erste Woche schnuppere ich noch in den verschiedenen Angeboten und Kursen vorbei, danach bekomme ich meinen eigenen Arbeitsplan. In den ersten Monaten bin ich vor allem bei den Kleinen eingesetzt, da ich dort am Besten die Sprache lernen kann. Bei ihnen fehlt so mancher Ansatz von Grammatik oder guter Aussprache. Außerdem bringe ich meine Kenntnisse aus der Elbschule mit, wo ich die vergangenen 9,5 Monate in der Vorschule ebenfalls mit Kindern gearbeitet habe. Dazu kann ich direkt sagen, wie sehr mir die Gebärdensprache beim Verständigen hilft. Erst dachte ich, spanische Grundkenntnisse aus der Schule wären ebenfalls praktisch, da sich Spanisch und Portugiesisch sehr ähneln, jedoch ist es nicht nur ein Vorteil. Klar, ich kann dadurch schon viel mehr verstehen, doch wenn ich anfange zu sprechen, ist es eine Mischung aus beiden Sprachen, was nicht nur für meinen Gegenüber schwer zu verstehen ist, sondern mir auch für das „Sprache schnell lernen“ sehr im Weg steht. Doch auch bei der Elbschule musste ich quasi eine neue Sprache lernen und auch dort ist mir schnell bewusst geworden, dass man auch ohne Sprache auf andere Weise miteinander kommunizieren kann. Klar gibt es auch Google Übersetzer (viele der Kinder kommen immer wieder zu mir und stellen mir darüber Fragen – hauptsächlich über Fussball) oder Erzieher*innen im Projekt, die Deutsch oder Englisch sprechen, die im schlimmsten Fall auch mal kurz übersetzen können.
Vor dem Gebäude gibt es einen Fussballplatz, der jeden Tag – auch bei Regen – in Benutzung ist. Außerdem gibt es noch eine Tischtennisplatte, sowie drei Tischkicker. Als Sportangebot gibt es neben vielen Bewegungs- und Ballspielen Capoeira-Unterricht (brasilianischer Kampftanz). Fussball wird selbstverständlich auch jeden Tag gespielt… dort geht es immer um alles – seit dem ich einmal mitgespielt habe, werde ich natürlich nicht mehr „Pelle“, sondern „Pelé“ (brasilianische Fussballlegende) genannt! Ob ich auch so gut bin, wie er es war, ist zu diskutieren :).
Musik wird hier ganz groß geschrieben. Mittwoch und und Freitag sind die Musiktage. Es gibt Blockflötenunterricht, einen großen Chor, Trommelkurse und vor allem eine große Band mit Trompeten, Posaunen und weiteren Blasinstrumenten. Teilweise treten sie in der evangelischen Kirche in Curitiba auf und spielen ihre Stücke. Es macht total Spass zuzuhören, die haben es echt drauf…!

So viele Menschen – nicht nur bei Dorcas, auch beim Einkaufen, auf der Strasse oder im Studentenwohnheim sind so herzlich, fröhlich und hilfsberit. Das macht es leicht Kontakte zu knüpfen. Gerade durch das Studentenwohnheim habe ich natürlich Anschluss gefunden und konnte direkt neue Freundschaften schließen. Auch am Wochenende bin ich mit den neuen Leuten unterwegs und es wird nie langweilig. Es wird aufeinander geachtet und geguckt, dass keiner alleine ist. Sie wissen, wo es das beste Essen für den besten Preis gibt und zeigen mir die schönen Ecken von Curitiba.

Nach meinem ersten Monat im Projekt kann ich sagen, wie wohl ich mich hier aufgehoben fühle. Ich finde es außerdem so faszinierend und beeindruckend, mit wie viel Freude die Kinder und Jugendlichen hier im Projekt mitziehen. Sie haben Spaß an allen Kursen und Projekten, die ihnen angeboten werden. Vor allem beim Chor, egal ob jung oder alt, alle singen mit Freude und Elan mit und haben total Spaß dabei.
Bei so ziemlich allen Aktivitäten, egal ob es Musik, Basteln, Malen, Spielen, Fussball oder eine Partie Tischtennis ist, werde ich fast immer aufgefordert, bzw. herausgefordert und gefragt, mitzumachen und mitzuspielen – einer der Hauptgründe, mich darauf zu freuen zur Arbeit zu gehen. Es freut mich auch jedes Mal aufs Neue, von strahlenden Kindern begrüßt zu werden, die sich auch immer freuen, mich zu sehen. Schön ist auch, wenn gefragt wird, wie dies und jenes auf englisch oder deutsch heißt. Es freut mich auch, wenn wir über meine Aussprache mancher portugiesischen Wörter lachen können.
Wir können unglaublich viel von einander lernen und ich bin sehr dankbar dafür, diese Erfahrung machen zu dürfen. Das sich die Ausreise wegen Corona um ein Jahr verschoben hat, finde ich im Nachhinein nicht mehr blöd, da dieses Jahr jetzt erst begonnen hat und noch viel vor mir liegt.

Ich freue mich schon darauf, mehr von meiner Zeit hier mit euch zu teilen und bitte um Geduld, falls mal ein bisschen gewartet werden muss. Mein Alltag nimmt mich hier sehr in Anspruch…

Bis zum nächsten Mal,
Euer Pelle